„Pius-Gärten“ im Ahrtal Die Flut lässt Vorzeige-Bauprojekt wackeln

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Die „Pius-Gärten“ sollten im Rahmen der Landesgartenschau Musterbeispiel für modernes Wohnen werden. Bei der Flutkatastrophe im Juli wurden sie überflutet. Nun ist offen, ob die Häuser und Wohnungen fertiggestellt werden.

„Pius-Gärten“ im Ahrtal: Die Flut lässt Vorzeige-Bauprojekt wackeln
Foto: Martin Gausmann

Es sollte ein besonderes Leuchtturmprojekt im Rahmen der für 2023 terminierten Landesgartenschau werden: die „Pius-Gärten“ an der Ahr zwischen Bad Neuenahr und Ahrweiler. Sechs unter besonderen ökologischen Gesichtspunkten geplante Einfamilien- sowie zwei Mehrfamilienhäuser mit sechszehn Wohnungen sollten zum Aushängeschild für modernes Wohnen werden. Durch die Flutkatastrophe ist das gesamte Vorzeigeprojekt mächtig ins Wanken geraten. Ob das „grüne Wohnkonzept für die Zukunft“ überhaupt weitergebaut und umgesetzt werden kann, steht noch in den Sternen. Dabei stehen bereits die ersten Rohbauten.

„Gebaut im Jetzt! Grün, stadtnah, lebens- und liebenswert“, wirbt die mit der Immobilienvermarktung beauftragte Renum Projektgruppe mit Sitz in Bonn. Deren Sprecher Julian Görg meinte auf GA-Anfrage: „Wir wissen noch nicht, wie es weiter geht.“ Schließlich liegt das ehrgeizige Vorhaben zumindest teilweise im neu definierten Überschwemmungsgebiet. Die nahe gelegene Ahr hatte die bereits bis zum zweiten Obergeschoss stehenden Baukörper in der zweiten Baureihe in der verhängnisvollen Nacht vom 14. auf den 15. Juli bis zum Erdgeschoss überflutet, mit den Arbeiten in der ersten Baureihe hatte man da bis auf Erdarbeiten noch nicht begonnen.

Auch wenn das Gros des von der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler gekauften 5000 Quadratmeter großen Areals nicht im direkten Überschwemmungsgebiet liegt, bedarf es für die Fortführung des Bauvorhabens nun einer besonderen Genehmigung durch die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGDN). Anfang November trafen sich dementsprechend Vertreter der Investorengruppe, der SGD Nord, des Kreises und der Stadt, um die Lage zu erörtern. „Wir haben unsere Probleme geschildert. Allerdings sind wir nicht weitergekommen. Ergebnisse gibt es noch nicht“, so Julian Görg von der Vertriebsgesellschaft.

Nun warte man auf eine neue „Gefahrenbeurteilung“, die von der Struktur- und Genehmigungsdirektion erstellt werden soll. Görg: „Die Berechnungen sind noch nicht abgeschlossen.“ Somit sei völlig offen, ob und wie die Vorzeige-Siedlung, die auch für die Kreisstadt einen besonderen Stellenwert innehat, weitergebaut werden kann. „Die Frage ist ja auch, welche Auflagen es geben wird und ob diese für uns umsetzbar sind“, erklärt Görg.

Projekt war Teil der abgesagten Landesgartenschau

Rund 60 Prozent der Wohnungen habe man bereits verkauft. „Es gibt bei dem ein oder anderen Käufer die Überlegung, wieder abzuspringen“, räumt Görg ein. Er sei aber zuversichtlich, dass das Projekt schlussendlich doch noch realisiert werde und die Wohnungen an der Ahr ihre Abnehmer fänden. Görg: „Das ist jetzt auch eine Kopfsache.“ Klar sei, dass in der Siedlung – könne sie denn weiter gebaut werden – ein Frühwarnsystem installiert werde, um die Bewohner rechtzeitig vor drohenden Überschwemmungen zu warnen.

Das Projekt war Teil der inzwischen abgesagten Landesgartenschau und sollte beispielhaft zeigen, wie klimafreundliches Bauen und Wohnen in Holzbauweise aussehen kann. Neueste Erkenntnisse aus dem Bereich der Bauphysik mit dampfdiffusionsoffenen und gleichzeitig winddichten Außenwandkonstruktionen sollten zur Anwendung kommen. Im Inneren der Häuser sollte das Holz völlig unbehandelt und schadstofffrei bleiben. Nur europäische Nadelhölzer sollten zum Einsatz kommen, allesamt PEFC zertifiziert. Das Ziel: ein komplett CO2-neutrales Bauen. Die Pläne der insgesamt autofreien Siedlung sehen eine Tiefgarage mit 30 Stellplätzen vor. Nur zum Be- und Entladen darf man – so die konzeptionelle Vorstellung – bis an die Haustüre fahren.

15 Millionen Euro sind an Baukosten für die ins Stocken geratene Muster-Siedlung kalkuliert. Aktuell werden Teile der überfluteten Bauten zurückgebaut – in der Hoffnung, dass es bald doch noch grünes Licht für die in der Schwebe befindliche Fortsetzung der Bauarbeiten gibt. Investor, Planer und Käufer warten auf die Einschätzung der SGD Nord. Görg: „Für alle ist das jetzt eine sehr unbefriedigende Situation.“

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