Feuerwehrleute berichten von der Flut an der Ahr „Wir haben einen Krieg geführt, den wir nicht gewinnen konnten“

Mainz · Im Untersuchungsausschuss nach der Flut an der Ahr haben am Freitag führende Feuerwehrkräfte ausgesagt. Sie erklärten, wann sie das Ausmaß der Katastrophe realisiert haben - und wie verzweifelnd ihr Kampf gegen die Wassermassen ablief.

 Durch die Flut beschädigte Straßen und Brücken in Schuld

Durch die Flut beschädigte Straßen und Brücken in Schuld

Foto: Benjamin Westhoff

Das Ausmaß der Flutkatastrophe an der Ahr war nach den Worten des Wehrleiters der Verbandsgemeinde Adenau, Dieter Merten, für die Einsatzkräfte überhaupt nicht absehbar. „Es hat Warnungen gegeben, aber immer nur vor Starkregen“, sagte der 59-Jährige, der das Amt ehrenamtlich ausübt, am Freitag im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz. „Auf eine Katastrophe dieser Art ist nie hingewiesen worden.“

„Wir haben einen Krieg geführt, den wir nicht gewinnen konnten“, sagte Merten, der im Hauptberuf Straßenwärter ist, sichtlich mitgenommen. „Unsere Waffen hätten wir nach der ersten Stunde ins Wasser werfen können.“ Geräte und Einsatzfahrzeuge hätten nicht mehr genutzt werden können, Metallboxen mit Sandsäcken seien weggeschwommen. Angeforderte Boote hätten nicht eingesetzt werden können, weil die Strömung der Ahr zu stark gewesen sei und sie zu viel Unrat mit sich geführt habe.

Als die erste Pegelprognose um 15.25 Uhr für den Pegel Altenahr von über fünf Metern gekommen sei, „waren wir schon zwei Stunden im Einsatz und haben keine Zeit mehr gehabt, da drauf zu schauen“. Gegen 17 Uhr seien alle 23 Feuerwehr-Einheiten der Verbandsgemeinde im Einsatz gewesen. Als gegen 21.25 Uhr ein Pegel von sieben Metern gemeldet worden sei, „hatten wir fast keinen Kontakt zur Außenwelt mehr“. Die Kommunikation - Festnetz, Handys, Digitalfunk - sei gegen Mitternacht komplett ausgefallen, nur noch Analogfunk habe funktioniert.

Warum sich die Rettung der Menschen auf dem Campingplatz verzögerte

Die Rettung der Menschen vom Campingplatz Stahlhütte in Dorsel habe sich unter anderem verzögert, weil der Campingplatzbetreiber zuerst die Lage nicht so dramatisch eingeschätzt habe und deshalb nicht habe räumen wollen. Zunächst sei auch nicht klar gewesen, wie viele Menschen dort dauerhaft gelebt hatten. So sei eine Feuerwehrfrau zusammen mit einer bettlägerige Frau in einem Wohncontainer weggeschwemmt worden, vor den Augen ihrer Kameraden.

„Der 14. (Juli) war nur Land unter. Die Einheiten haben versucht sich da, wo es noch geht, in Sicherheit zu bringen und Menschen zu retten“, sagte Merten. Er selbst habe mehrfach mit dem Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises telefoniert und sei am 16. Juli um 4 Uhr morgens das erste Mal nach Hause gegangen.

Er habe Verständnis für die Aufgabe der Abgeordneten des Untersuchungsausschusses, sagte Merten zu Beginn seiner Vernehmung. „Aber dieses Nachbohren und Infragestellen macht einen fertig.“ Die Erlebnisse kämen immer wieder hoch und er bezweifle, dass alle Wehrleiter dieses Ehrenamt noch weiterführen wollten.

Flutkatastrophe in Schuld - Feuerwehr orderte Panzer

Die Flutkatastrophe im Ahr-Ort Schuld ist Feuerwehrleiter Tobias Lussi nach eigenen Angaben am späten Abend des 14. Juli 2021 klar geworden. „Die Katastrophe ist erst greifbar geworden, als ich Panzer zur Rettung von Menschenleben angefordert habe und dies auch bewilligt wurde“, sagte der 26-Jährige Berufsfeuerwehrmann am Freitag im Untersuchungsausschuss im Mainzer Landtag.

Er sei zunächst in der Ortsgemeinde Antweiler im Einsatz gewesen und erst gegen 22 Uhr in Schuld angekommen. Statt der üblichen 10 bis 15 Minuten habe seine Feuerwehr-Einheit für diesen Weg etwa drei Stunden gebraucht.

In Schuld eingetroffen „standen wir vor massiver Zerstörung. Unzählige Menschenleben waren in Gefahr“, berichtete Lussi. Das Wasser habe acht Meter hoch gestanden und sei mit einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde geflossen. Lkw und Überseecontainer seien angeschwemmt worden. Außer den Panzern habe er auch Hubschrauber angefordert. Mit Hilfe der „wie durch ein Wunder“ anwesenden Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) habe die Feuerwehr viele Menschen aus Booten retten können.

Bei der Flutkatastrophe an der Ahr vom 14. auf den 15. Juli sind 134 Menschen ums Leben gekommen. Der Untersuchungsausschuss will die Ereignisse aufklären.

(dpa)
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