Krisengebiete an der Ahr "Querdenker" wollen Flutkatastrophe für eigenes Image nutzen

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Nach der Flutkatastrophe haben Mitglieder der „Querdenker“-Szene gezielt versucht, die Krise für sich zu nutzen, sagt der Experte für Verschwörungsideologien Josef Holnburger. Gelungen sei ihnen dies aber nicht. Die Bewegung sei unter Druck geraten.

 Ein Transporter mit der Aufschrift "Friedensfahrzeug", das der „Querdenker“-Szene zugeordnet wird, fährt am Rand des Katastrophengebiets in den Weinbergen entlang.

Ein Transporter mit der Aufschrift "Friedensfahrzeug", das der „Querdenker“-Szene zugeordnet wird, fährt am Rand des Katastrophengebiets in den Weinbergen entlang.

Foto: dpa/Thomas Frey

Der „Querdenker“-Szene ist es nach Auffassung des Experten für Verschwörungsideologien, Josef Holnburger, nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands nicht gelungen, ihr Image zu verbessern. Bekannte Gesichter der Corona-Leugner-Szene hätten gezielt versucht, Anhänger mit ihren Aktionen im besonders betroffenen Ahrtal im nördlichen Rheinland-Pfalz zu mobilisieren, sagte der Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation CeMAS dem Evangelischen Pressedienst (epd). CeMAS steht für Center für Monitoring, Analyse und Strategie. Die Berliner Organisation beobachtet und analysiert Verschwörungsideologien, Antisemitismus und Rechtsextremismus.

Holnburger sagte, dass es den „Querdenkern“ in den zurückliegenden Monaten nicht mehr gelungen sei, Menschen etwa für ihre geplanten Demonstrationen zu mobilisieren. Eine für den 1. August angemeldete Großdemo in Berlin hatte die Polizei am Mittwoch untersagt, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hatte das Verbot in der Nacht zu Sonntag in zweiter Instanz bestätigt (AZ.: OVG 1 S 109/21). Auch kurzfristig angemeldete Ersatzveranstaltungen wurden nach Polizeiangaben verboten.

Nach Ansicht des Wissenschaftlers Holnburger ist die Bewegung unter Druck: „Sie haben gemerkt, dass sie mit dem Corona-Thema und ihren Forderungen nach dem Ende aller staatlichen Maßnahmen weniger Menschen erreichen“, so der Experte.

Deshalb versuche man nun über das Engagement für die Flutopfer das eigene Ansehen, das in der letzten Zeit gelitten hat, zu verbessern. Dieser gewünschte Effekt sei aber seiner Meinung nach nicht eingetreten. Eine Spendenkampagne, zu der ein bekanntes Gesicht aus dem Umfeld der Querdenker, Bodo Schiffmann, aufgerufen hatte und bei der nach dessen Angaben knapp 700.000 Euro zusammen gekommen seien, komme etwa bislang den Opfern nicht zugute. „Das erzeugt Unmut - innerhalb und außerhalb der Szene.“ Schiffmann hatte am 23. Juli in einem Video auf seinem Telegram-Kanal gesagt, er habe Bürgermeistern der betroffenen Orte die Spendengelder angeboten. Diese hätten die Spenden aber zurückgewiesen.

Anhänger von Verschwörungsideologien verbreiteten außerdem gezielt Falschinformationen in den Flutgebieten im Ahrtal - etwa darüber, dass die Rettungskräfte von THW, Bundeswehr, Polizei und Feuerwehr den Einsatz beendet oder verringert hätten. Die Polizei Koblenz hatte das in den vergangenen Tagen mehrfach dementiert. „Es geht darum, das Vertrauen in etablierte Institutionen zu erschüttern“, sagte Holnburger. Ein Ziel, das typisch für Verschwörungsideologien sei und immer wieder in Krisensituationen auftauche.

Anhänger von Verschwörungsideologien erzählten etwa, dass die Unwetterkatastrophe durch bewusste Manipulation des Staates herbeigeführt worden sei. „Der Glaube daran, dass ein solches Großereignis von einer allmächtigen Elite absichtlich ausgelöst wurde, nimmt manchen Menschen etwas vom Gefühl der Ohnmacht, das sie angesichts der Katastrophe empfinden“, sagte Holnburger. Zwar sei es den „Querdenkern“ gelungen, kurzfristig Aufmerksamkeit zu erreichen. Doch langfristig werde dieser Effekt nicht anhalten.

(epd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort