Überblick über die Schäden Verbandsgemeinde Altenahr zieht ein Jahr nach der Flut Bilanz

Altenahr · Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal zieht die Verbandsgemeinde Altenahr Bilanz. Nach wie vor gibt es viele Schäden an Straßen, Schulen und Infrastruktur.

 Das Schulgebäude der Ahrtalschule Altenahr ist von der Flut stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Das Schulgebäude der Ahrtalschule Altenahr ist von der Flut stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Foto: Martin Gausmann

Noch immer stehen Häuser mit ihren hohlen Fensteröffnungen in Reih und Glied entlang der Straßen in den Dörfern an der Ahr. Kinder gehen woanders als gewohnt in Kita und Schule, die meisten auf der Grafschaft. Als architektonischer Standard für die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen der Verbandsgemeinde Altenahr (VG) haben sich Containersiedlungen profiliert. Auch für Menschen, die nach der Flut ihr Obdach verloren haben, gibt es Unterkünfte in allen Gemeinden: Tiny Houses. Derweil arbeitet die Verwaltung der VG seit Monaten auf Hochtouren. Nahezu ein Jahr nach der Flut zieht sie Bilanz.

Diese ist gekennzeichnet durch Defizite: Mangel an Arbeitskräften, Material, Geld, verlässlichen und vor allem schnellen Regelungen. Mit Dominik Gieler führt seit Juni ein Mann die Geschicke der Verwaltung der zwölf Ortsgemeinden in der VG, der die Katastrophe am eigenen Leibe mit ihrer ganzen Wucht hat spüren müssen. „Die Flutschäden sind überall sichtbar, und einiges ist auf den Weg gebracht worden. Aber es geht an vielen Stellen nicht schnell genug“, beschreibt er die Lage.

1,4 Milliarden Euro Schäden

Was schon geschafft worden ist, kann sich sehen lassen. Aber mit den derzeit in der Verwaltung arbeitenden Mitarbeitern ist die Arbeit nicht zu schaffen, und der Arbeitsmarkt für benötigtes Personal ist leer gefegt. 716 Maßnahmen allein an der Infrastruktur der VG und den Ortsgemeinden sind dokumentiert, die Schäden auf insgesamt 1,4 Milliarden Euro veranschlagt. Dennoch erweist sich der Kampf der VG aus Schutt und Schlamm heraus als zäh, auch wenn bereits die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau mit dem Land und den übergeordneten Behörden verhandelt worden sind. Wenigstens ist erreicht, dass Aufträge noch bis Ende 2022 vergeben werden können.

Allerdings wird der Aufschub für einige Monate nicht genügen, ist sich Büroleiter Wolfgang Stodden sicher. Bürgermeister Gieler sieht das auch so: „Wie soll das bei 716 Maßnahmen gehen?“, fragt er. Bislang seien erst 37 abgeliefert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Wassermassen nicht nur Straßen, Gebäude, Kanäle sowie Leitungsnetz zerstört haben, sondern auch die gesamten Verwaltungsstrukturen. Neue Glasfasernetze mussten hergestellt werden für Verwaltung, Schulen, Feuerwehr. Das alles ist noch provisorisch, denn ebenso wie die Schulen ist eine Reihe von Feuerwehrhäusern zerstört.

Viele Fragen offen

Die Verwaltung hat ein ehemaliges Hotel bezogen und daneben eine Halle in Leichtbauweise für 20 Arbeitsplätze errichten lassen. Dort finden die Menschen Ansprechpartner für die Bereiche Ordnungs-, Einwohnermelde-, Standes- und Sozialamt sowie für das Friedhofswesen. Die Zukunft des Rathauses bleibt ungewiss, es wird wohl auf ein neues Verwaltungsgebäude hinauslaufen. Der Altbau am unteren Roßberg ist von Öl kontaminiert und der Platz ohnehin zu knapp bemessen für eine notwendige vergrößerte Verwaltung.

Die zwölf Ortsgemeinden sind einerseits selbstständig mit eigenen Bürgermeistern und Gemeinderäten, andererseits bilden sie zusammen eine Gemeinschaft, die die VG verwaltet. Da die Flut so viele Strukturen, gute und weniger gute, zerstört hat, arbeitet das Bauamt der VG mit Frank Radermacher an der Spitze an einem städtebaulichen Leitkonzept. Eingebunden sind mehrere Fachbüros. Trotzdem bleiben Fragen über Fragen offen.

Bürgermeister Dominik Gieler führt an, dass nach Aussagen der Landesregierung an der Ahr eine „Modellregion“ verwirklicht werden solle. „Es fehlen uns aber weiterhin Aussagen, wie eine Modellregion gefördert werden soll: Geht es um eine schlichte Wiederherstellung des bisherigen Zustands, was unbefriedigend wäre, oder können wir mit Unterstützung für neue, zukunftsträchtige Entwicklungen rechnen?“, so Gieler.

Abwasserproblem weitgehend gelöst

Außer den von der Flut zerstörten Infrastrukturen der VG und der Gemeinden sind in den Orten 1583 private Wohngebäude zerstört worden, 13 Gewerbebetriebe wurden beschädigt und 62 Hotel- und Gastronomiebetriebe. Aufgabe der Verwaltung ist es nun, den Flächennutzungsplan zu ändern und mit den Ortsgemeinden neue Bebauungspläne auszuarbeiten, insbesondere für Camping, Sport, Wohnungsbau, Feuerwehr und anderes. Mit den vorhandenen Mitarbeitern ist das aber nicht zu schaffen.

Geschafft ist mit Hilfe der Gemeinde Grafschaft eine Betreuung von Kindern in Kitas und Schulen für die Übergangszeit. Einige können voraussichtlich schon nach den Sommerferien wieder in die VG umziehen, wo oberhalb von Marienthal Grundschule und Kita als Containeranlagen gebaut werden. Weitgehend gelöst ist das Abwasserproblem, unter anderem durch temporäre Kläranlagen. Wie berichtet, sollen die Abwässer mittelfristig teils in Dümpelfeld, teils in Sinzig geklärt werden. Die erforderlichen Druckleitungen sind im Bau. In Dümpelfeld könnte außerdem eine Anlage zur Klärschlammfaulung entstehen, mit der Strom für zwei Drittel des Bedarfs der Kläranlage gewonnen wird, so die Verwaltung.

Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig in der VG. Wenn auch zahlreichen Hotels und Gastronomiebetriebe im Ahrtal noch nicht wieder öffnen können, so gibt es doch eine gute Nachricht: Außer dem Rotweinwanderweg ist jetzt auch der AhrSteig wieder durchgehend von der Quelle bis zur Mündung begehbar. Ein Wanderbus verkehrt zwischen Altenahr und Blankenheim. Das Portal www.ahrtal.de informiert über aktuelle Angebote von Betrieben, Winzern, Gastronomen.

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