Kreis Ahrweiler Flutschäden betragen mehr als 3,7 Milliarden Euro

Ahrweiler · Dass die Flutschäden im Ahrtal immens sind, ist längst klar. Nun liegt eine erste Schätzung des stark zerstörten Kreises Ahrweiler vor. In Mainz könnte schon bald ein Untersuchungsausschuss zu der Katastrophe auf den Weg gebracht werden.

 Die Bundesstrasse, die durch das Ahrtal führt, ist bei Altenahr hinter einem Tunnel durch die Flut weggerissen worden.

Die Bundesstrasse, die durch das Ahrtal führt, ist bei Altenahr hinter einem Tunnel durch die Flut weggerissen worden.

Foto: dpa/Thomas Frey

Rund dreieinhalb Wochen nach der Flutkatastrophe hat der besonders betroffene Kreis Ahrweiler eine geschätzte Summe der Schäden genannt. Wie die Kreisverwaltung am Wochenende in Bad Neuenahr-Ahrweiler mitteilte, richtete das Hochwasser Mitte Juli allein dort an kommunalen Einrichtungen einen Schaden von mehr als 3,7 Milliarden Euro an. Betroffen seien Teile der Infrastruktur, Schulen, Kindertagesstätten und Sportanlagen.

Die Ministerpräsidenten der Länder wollen sich am Dienstag mit Wiederaufbauhilfe für die betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen beschäftigen. Der Aufbaustab des Landes Rheinland-Pfalz hatte vor den Beratungen betroffene Städte und Kreise um eine Meldung der Schadenshöhen gebeten.

Die Staatskanzlei in Mainz teilte auf Anfrage mit, insgesamt sei die Schadensschätzung noch nicht abgeschlossen. „Absehbar ist, dass das Ausmaß der Zerstörungen noch gewaltiger ist als nach der Oder-Flut“, teilte Regierungssprecherin Andrea Bähner mit. Es könne davon ausgegangen werden, dass es nötig sein werde, einen zweistelligen Milliardenbetrag für einen Wiederaufbaufonds zur Verfügung zu stellen. „Aber bevor man eine exakte Summe nennen kann, muss eine genaue Schadensschätzung vorliegen. Daran wird gerade gearbeitet.“

Politik debattiert über Aufbauhilfen

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärte, Ziel des Bund-Länder-Treffens am Dienstag müsse sein, sich auf Details des Wiederaufbaufonds zu verständigen. Kritik am Krisenmanagement und den ersten Hilfsmaßnahmen wies die Ministerpräsidentin in der „Welt“ (Online; Print: Montag) zurück. Das Hochwasser sei für die betroffenen Regionen eine unvorstellbare Katastrophe. Die Einsätze hätten zunächst koordiniert werden müssen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet forderte in der „Bild am Sonntag“ eine Sondersitzung des Bundestags, um den betroffenen Regionen rasch zu helfen. Kein Unternehmen solle Insolvenz anmelden müssen. Von der Ministerpräsidentenkonferenz müsse ein klares Signal kommen: „Ein umfassender Wiederaufbau für die Flutgebiete - sofort, solidarisch und sicher für die nächsten Jahre.“ Der Wiederaufbau sei eine nationale Aufgabe.

Aufräumarbeiten schreiten voran

Die Aufräumarbeiten liefen derweil weiter. Es bestehe nach wie vor großer Räumungsbedarf, teilte die für den Katastrophenschutz zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) mit. Die Wegesituation verbessere sich aber stetig. Bei Dernau etwa sollte am Sonntagabend dem Technischen Hilfswerk (THW) zufolge eine Behelfsbrücke fertig werden. In Altenahr sei die Stromversorgung zum größten Teil wiederhergestellt, nach wie vor funktionierten viele Hausanschlüsse aber nicht. In Bad Neuenahr-Ahrweiler ist laut ADD weiter kein Trinkwasser aus dem Leitungsnetz verfügbar, rund 90 Prozent der Haushalte erhielten Brauchwasser, das abgekocht werden müsse.

Extremer Starkregen hatte am 14. und 15. Juli an der Ahr eine Flutwelle ausgelöst und weite Teile des Tals unter Wasser gesetzt und zerstört. Rund 42 000 Menschen sind von den Folgen betroffen. Die Zahl der Todesopfer durch das Hochwasser liegt im Land weiter bei 142, 141 davon starben im Ahrtal. Weit über 700 Menschen wurden verletzt, 16 Personen werden immer noch vermisst.

Hilfe im Flutgebiet weiter ungebrochen

Es seien weiterhin mehr als 3200 Kräfte von Feuerwehr, THW, Polizei, Bundeswehr und anderen Hilfsorganisationen im Einsatz, hieß es. Hinzu kämen zahlreiche Freiwillige, deren Hilfe unverzichtbar sei. Das sogenannte Bereitstellungszentrum der Hilfskräfte am Nürburgring wechselte derweil seinen Standort. Am Nürburgring gastiert vom 20. bis 22. August nach Ringangaben das Deutsche Tourenwagen Masters (DTM). Künftig finden die Hilfskräfte nach THW-Angaben auf einem Zuschauerparkplatz am Ring Raum. Möglicherweise werde weiterer Raum benötigt, sagte ein THW-Sprecher.

Weiter ging auch die politische Aufarbeitung der Katastrophe. Die CDU-Fraktion im Landtag will nach Informationen aus Parteikreisen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen. Der Fraktionsvorsitzende Christian Baldauf und sein Vize Gordon Schnieder luden für Montag zu einem Pressegespräch „über aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion notwendige Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe“ ein.

An diesem Tag soll die Entscheidung über einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mitgeteilt werden, wie am Samstag aus der Partei verlautete. Zuvor berichtete die „Rhein-Zeitung“, dass die Fraktion diesen Weg gehen will. Auch die AfD verlangte bereits einen Untersuchungsausschuss. Als dritte Oppositionsfraktion sprachen die Freien Wähler von einem „Versagen in Meldeketten“.

Ermittlungen gegen Landrat des Kreis Ahrweiler

Am Freitag hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz Ermittlungen gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), und ein weiteres Mitglied des Krisenstabes aufgenommen. Dabei geht es um den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen. Im Kern soll geklärt werden, ob mit früheren Warnungen oder Evakuierungen Menschenleben hätten gerettet werden können.

Für Aufsehen sorgte die Geschichte einer im Krisengebiet gefundenen Puppe. Ein Malteser-Zugführer aus dem niedersächsischen Georgsmarienhütte hatte sie in Dernau im Ahrtal entdeckt und per Facebook nach der Besitzerin oder dem Besitzer gesucht. Auch die Polizei in Koblenz verbreitete die Geschichte in den sozialen Netzwerken. Am Sonntag dann die gute Nachricht, dass sich die Puppen-Mami gemeldet habe, wie Malteser-Zugführer Michael Schulze der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Er sei selbst Vater und wisse, wie Kinder an Kuscheltieren oder Puppen hängen könnten - deshalb habe er sie mitgenommen. Nach seiner Rückkehr nach Niedersachsen habe er sie gereinigt, seine Schwiegermutter habe den Strampler der Puppe gewaschen. In zwei Wochen will er die Puppe ihrer vierjährigen Besitzerin aus Dernau zurückgeben.

(dpa)
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