Nach Kritik am Alarmsystem Wie wurde die Bevölkerung vor der Hochwasserkatastrophe gewarnt?

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Nach den verheerenden Überschwemmungen in mehreren Kreisen von Rheinland-Pfalz gibt es Kritik am Alarmsystem. Im schwer betroffenen Kreis Ahrweiler mit bislang 122 Toten stellt sich die Frage, ob die Menschen zu spät alarmiert wurden.

 Die Altstadt in Bad Neuenahr-Ahrweiler steht nach dem Starkregen unter Wasser.

Die Altstadt in Bad Neuenahr-Ahrweiler steht nach dem Starkregen unter Wasser.

Foto: Sven Westbrock

Nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz mehren sich kritische Fragen zum Warnsystem. Ist die Bevölkerung rechtzeitig vor der Flut alarmiert worden? Hätten Menschen im schwer betroffenen Kreis Ahrweiler möglicherweise noch fliehen können, wenn sie früher und eindringlicher gewarnt worden wären? Dort starben mindestens 122 Menschen. Wie die Meldeketten vor Ort vor der Katastrophe vom 14. auf den 15. Juli abliefen - das teilten die betroffenen Regionen nun auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Bei Naturereignissen wie den verheerenden Überschwemmungen können Landkreise und kreisfreie Städte Katastrophenschutzwarnungen an die Bevölkerung aussprechen. Sie entscheiden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung eigenverantwortlich, wie, wann und in welchem Umfang sie ihre Bevölkerung informieren und warnen und welche Warnmittel sie dafür vorhalten und einsetzen. Rechtsgrundlage ist nach Angaben des Innenministeriums das rheinland-pfälzische Brand- und Katastrophenschutzgesetz.

Kreis Ahrweiler

Der Kreis habe „frühzeitig vor Hochwasser im Kreisgebiet“ gewarnt. Wie genau und zu welcher Uhrzeit - dazu gab es keine Angaben. Die Kreisverwaltung teilte mit, dass im Vorfeld des massiven Pegelanstiegs umfangreiche Maßnahmen ergriffen worden seien - wie die Entsendung zusätzlicher Sandsackreserven, die Alarmierung weiterer Einheiten der Feuerwehr im Kreisgebiet und die Alarmierung der technischen Einsatzleitung des Landkreises.

Nach dpa-Informationen setzte der Landkreis Ahrweiler am Mittwoch um 19.35 Uhr, als schon zahlreiche Straßen überschwemmt waren, über den Anbieter Katwarn per App und SMS eine Hochwasser-Warnung mit dem Hinweis „Meiden Sie tieferliegende Gebäudeteile, wie Keller oder Tiefgaragen“ ab. Um 21.05 Uhr kam von der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Hinweis auf Stromausfall, verbunden mit der Aufforderung „Bitte schalten Sie alle elektrischen Verbraucher ab“.

Um 23.09 Uhr, als viele Menschen schon schliefen, kam dann über die App die Aufforderung an alle Menschen in drei Ortschaften, die 50 Meter rechts und links der Ahr wohnen, ihre Wohnungen zu verlassen. Über die Warn-App Nina kam kein Warnhinweis. Auch über Warnungen auf anderem Wege ist bislang nichts bekannt. Der Kreis Ahrweiler äußerte sich zunächst nicht zu den Schilderungen.

Sirenen zur Alarmierung der Feuerwehreinheiten wurden am Mittwoch nach Angaben der Kreisverwaltung betätigt, nicht aber zur Warnung der Bevölkerung. Dies sei aufgrund der technischen Ausstattung - wie auch in anderen Kreisen - nicht möglich, teilte der Kreis mit. Aufgrund des prognostizierten Anstiegs der Pegelstände hätten aber „alle zuständigen Behörden unverzüglich“ reagiert und gewarnt: Sowohl der Deutsche Wetterdienst als auch der Hochwassermeldedienst Rheinland-Pfalz über die Warn-App Katwarn.

Trier

Am Montag ging eine erste Warnung über den Twitter-Kanal der Stadt, die auf Starkregen und Hochwasserschutz verwies. Am Dienstag wurde über Twitter die amtliche Unwetterwarnung verbreitet, am Mittwoch folgte eine weitere Warnung. Zudem wurde eine Pressemitteilung zu möglichem Hochwasser abgesetzt. Als in der Nacht zum Donnerstag klar wurde, dass die Kyll einen kritischen Pegelstand erreichen und den Stadtteil Ehrang fluten könnte, wurde die Bevölkerung ab 2.30 Uhr per Lautsprecherdurchsagen darauf vorbereitet, möglicherweise die Häuser verlassen zu müssen.

Am frühen Morgen schien es zunächst, als würde der Pegel stagnieren und die Lage sei ohne Evakuierung beherrschbar. Problematisch war, dass vom Pegel Kordel, also oberhalb Triers, keine verlässlichen Angaben mehr zu bekommen waren - Stromausfall und ein Flussstand, den der Pegel überhaupt nicht messen konnte. Als gegen 8.00 Uhr die Kyll wieder stark anstieg, gab um 8.49 Uhr der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr den Befehl zur Evakuierung. Die Menschen wurden per Lautsprecherdurchsagen informiert, außerdem gingen Einsatzkräfte der Feuerwehren von Haus zu Haus und klingelten die Menschen heraus.

Im Kreis Trier-Saarburg stand eine Analyse noch aus. Die Landesregierung hatte am Sonntag auf das rasante Tempo verwiesen, mit dem Wassermassen alles mitgerissen hatten.

Kreis Bernkastel-Wittlich

Hier lag die Einsatzleitung bei den Wehrleitungen der Verbandsgemeinden und der verbandsfreien Gemeinden. Die Alarmstufe 4, wonach die Einsatzleitung auf den Landkreis übergegangen wäre, wurde nicht ausgerufen - anders als in anderen Landkreisen. Nach Angaben des Kreises wurde aber auch hier bereits seit Montag über entsprechende Wetter- und Warn-Apps informiert. Die Meldungen enthielten geschätzte Niederschlagsmengen sowie pauschale Warnungen vor entsprechenden Gefahren.

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli gab es eine fortwährende Aktualisierung in den Apps. Von den Einsatzleitungen vor Ort wurden zudem Lautsprecheranlagen zur Warnung der Bevölkerung eingesetzt, wie der Kreis mitteilte. Über die genaue Zahl der Warnungen liegen der Kreisverwaltung keine Erkenntnisse vor. Die technische Einsatzleitung des Landkreises habe ergänzend zu den örtlichen Warnungen am Abend des 14. Julis eine Nina-Warnung abgesetzt sowie in den sozialen Medien entsprechende Warnhinweise gegeben.

Eifelkreis Bitburg-Prüm

Die erste Warnmeldung ging am Montag ein. Daraufhin wurden die Meldestellen Hochwasser am Nachmittag des 12. Julis über die Hochwassergefahr informiert: Diese sollten vorsorglich die Campingplätze informieren. Die Einsatzleitung warnte die Campingplätze nochmals telefonisch am späten Mittag des 14. Julis. Die Warnungen vor Unwetterlagen würden vom Katastrophenschutz „sehr ernst“ genommen und entsprechend behandelt, hieß es. Die noch im Betrieb befindlichen Sirenen dienten auch hier zur Alarmierung der Feuerwehrkräfte und ausdrücklich nicht zur Warnung der Bevölkerung.

Kreis Mayen-Koblenz

Hier wurde erstmals am Dienstag über den Starkregen und zu treffende Vorsorgemaßnahmen informiert. „Wir nutzen die Katwarn-App, die aber auch über eine Schnittstelle mit der Nina-App verbunden ist.“ Katwarn-Meldungen wurden sowohl vom Landkreis als Katastrophenschutzbehörde als auch vom Deutschen Wetterdienst abgesetzt. Die Apps seien fortwährend zur aktualisierten Information der Bevölkerung eingesetzt worden, hieß es. Dazu habe es unter anderem in der Stadt Mayen am Vortag Lautsprecherdurchsagen gegeben. Zudem seien Flugzettel an die Bewohner entlang der Nette verteilt worden.

(dpa)
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