Kirchen an der Ahr Große Gotteshäuser trocknen einfach nicht

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Pastor Jörg Meyrer sprach in Bachem über die Situation von Kirche und Kirchen nach der Flut. Über den Fortbestand von St. Pius muss noch entschieden werden, St. Laurentius und Rosenkranzkirche trocknen nicht. Ein kleiner Hoffnungsblick: Die Rosenkranzkirche wird in der Advents- und Weihnachtszeit in Teilen geöffnet.

 Noch heute kann man an der Fassade der St. Pius-Kirche in Bad Neuenahr-Ahrweiler sehen, wie hoch das Wasser hier stand.

Noch heute kann man an der Fassade der St. Pius-Kirche in Bad Neuenahr-Ahrweiler sehen, wie hoch das Wasser hier stand.

Foto: AHR-FOTO

Die Situation der großen katholischen Kirchen in Bad Neuenahr-Ahrweiler ist weiterhin verheerend. Aber auch die Lage der Institution „Katholische Kirche“ in der Stadt sieht düster aus. Pastor Jörg Meyrer berichtete zuletzt beim Leonardusfrühschoppen in Bachem, der nach zweijähriger Zwangspause durch Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe wieder stattfand, umfassend über die aktuellen Entwicklungen, die den Verantwortlichen in nächster Zeit noch sehr viel Kopfzerbrechen machen und schwierige Entscheidungen abverlangen werden. Meyrer war erstmals Gast bei diesem Treffen im Bachemer Sängerheim, wo rund 40 Bachemer zusammenkamen, um sich über die aktuelle Situation und die Zukunftsaussichten auszutauschen. Dass sich die Initiatoren Reinhold und Stefan Kurth, Andreas Graf, Heinz Kelter und Johannes Stieber dabei in erster Linie positive und aufmunternde Worte gewünscht hatten, konnten nicht alle Redner umsetzen, bestimmt nicht der Pastor. Denn die Lage lässt derzeit nur wenige Lichtblicke erahnen.

Meyrer kam auf die Liegenschaften der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler zu sprechen, zunächst auf die großen Kirchen. Noch immer ungeklärt sei die Frage nach der Zukunft der St. Pius-Kirche, auch wenn vielerorts kolportiert wird, dass diese dem Abriss geweiht sei. „Das ist keineswegs so“, machte Meyrer klar. Viel mehr habe man eine „Arbeitsgemeinschaft (AG) Zukunft St. Pius“ gegründet, die sich auf zwei Szenarien fokussieren, Zukunftsaussichten und Kosten eruieren soll. Dabei geht es nur um das reine Gotteshaus. Die Gebäude daneben, Pfarrhaus, Pfarrheim und Kindergarten haben einen Totalschaden erlitten. Ruinen samt Grund und Boden sind bereits an die Stadt verkauft, die den Piuskindergarten neu errichten und die Bauträgerschaft übernehmen wird.

Kosten für verschiedene Szenarien werden kalkuliert

Für die verbliebene Kirche gibt es zwei Szenarien. Zum einen soll sich die AG einem möglichen Wiederaufbau widmen und klären, wie eine solch große Kirche wieder mit Leben gefüllt werden kann. Bei den zu erwartenden Kosten eines Wiederaufbaus warf Meyrer die Ergebnisse zweier Gutachten in den Raum. Eines beziffert die Schäden aus der Flutnacht auf 1,5 Millionen Euro. Geld, das sicherlich aus dem Wiederaufbaufonds erstattet werden kann. Aber die Kirche ist auch in die Jahre gekommen. Nicht nur das Dach des im Jahr 1969 eingesegneten Gotteshauses muss erneuert werden. Auch die Dachkonstruktion bedarf einer Sanierung, waren doch dort seinerzeit gesundheitsgefährdende Stoffe verbaut worden, die sich nun im Gotteshaus ausbreiten. Ein zweites Gutachten geht danach von Kosten in Höhe von 2,4 Millionen Euro aus. Diese Kosten übernimmt kein Wiederaufbaufonds.

Das zweite Szenario befasst sich mit der Niederlegung des Gotteshauses. Auch das kostet Geld und über eine Nachnutzung des Geländes muss auch gesprochen werden. Unter anderem will man hier die Stadt in die Planungen einbinden. Die AG arbeitet vollkommen ergebnisoffen, die finale Entscheidung müssen schließlich Pfarrgemeinderat und Pfarrverwaltungsrat treffen. „Das wird kein einfaches Spiel“, so Meyrer. Er betonte aber auch, die Kosten einer Kirche seien von der jeweiligen Gemeinde zu tragen. Spenden und die Kollekte sind hier maßgeblich.

Meyrer: Sieben Kapellen und sieben Kirchen wird die Kreisstadt künftig nicht brauchen

Große Sorgen machen der Pfarreiengemeinschaft aber auch die Rosenkranzkirche in Bad Neuenahr und die St. Laurentiuskirche in Ahrweiler. Beide Gotteshäuser wollen einfach nicht trocknen. Dennoch werde die Rosenkranzkirche in der Advents- und Weihnachtszeit in Teilen geöffnet werden, damit dort Gottesdienste gefeiert werden können. Hinsichtlich der Feuchtigkeit aber seien die Architekten ratlos, berichtete der Pastor, derweil man händeringend nach Alternativen für die Gottesdienste suche. Hier hat sich die Annakapelle in Bachem mehr und mehr in den Vordergrund gespielt. Sie sei mittlerweile zur belebtesten Kirche der Pfarreiengemeinschaft geworden, so Meyrer, der aber auch klar machte: „Bislang war die Annakapelle noch nicht einmal zu klein.“

Das offenbart ein weiteres Problem der katholischen Kirche in der Stadt. Die hat derzeit noch rund 12.000 Mitglieder. Die Zahl derer, die regelmäßig die Gottesdienste besuchen, liege jedoch unter fünf Prozent. Dazu haben der Kirche in der Kreisstadt in diesem Jahr schon 300 Gläubige den Rücken gekehrt und sind ausgetreten. Sogar aus dem Jahrgang 1940 würden Mitglieder gestrichen. „Ich kann es ihnen nicht verdenken“, machte Meyrer deutlich, dass sich die Institution Katholische Kirche derzeit wahrlich nicht mit Ruhm bekleckere. Was zu einem weiteren Problem führt: „Wir werden künftig keine sieben Kirchen und sieben Kapellen mehr brauchen, aktuell haben wir diese aber“, so Meyrer. Auch habe man zu viele weitere Räumlichkeiten, die kaum genutzt und angesichts sinkender Zuwendungen aus dem Bistum auch kaum mehr finanzierbar seien. Aktuell werden Kooperationspartner gesucht. Männerchor und Tambourcorps nutzten kirchliche Liegenschaften schon als Probenräume, in die Jugendräume ist ein Familiencafé als Mitnutzer eingezogen. Langfristige Partner könnten einer Aufgabe von Liegenschaften entgegensprechen. „Auf alle Fälle versuchen wir, nicht den Kopf hängen zu lassen. Der Aufbau unserer Heimat ist das A und O, das müssen wir selbst machen, da es niemand für uns macht“, machte der Pastor deutlich.

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