Musikfestival der Ahrweiler Freiheiter in Marienthal Heimspiel für Simon Wahl in der Klosterruine Marienthal

Marienthal · Zwei Tage Kultur pur in der Klosterruine Marienthal: Das Festival „Zieh los“ der Ahrweiler Freiheiter hat dort bemerkenswerte musikalische Akzente gesetzt.

 Für den gebürtigen Grafschafter Simon Wahl eine Art Heimspiel: Der Wahl-Wiener beeindruckt beim Festival „Zieh los“ der Ahrweiler Freiheiter.

Für den gebürtigen Grafschafter Simon Wahl eine Art Heimspiel: Der Wahl-Wiener beeindruckt beim Festival „Zieh los“ der Ahrweiler Freiheiter.

Foto: Martin Gausmann

Sie wollen nach zweijähriger Pandemie endlich wieder losziehen und ihre Vereinszwecke leben – die Ahrweiler Freiheiter. Der Förderverein der Ahrweiler Freiheitswochen, so die genaue Bezeichnung, wartete dazu in der vergangenen Woche mit einem Angebot abseits der originären Freiheitswochen vergangener Jahre auf.

„Zieh los“ waren Name und Motto des zweitägigen Festivals in der Marienthaler Klosterruine. Ein Event, dass bereits im vergangenen Jahr stattfinden sollte, damals aber den Corona-Einschränkungen zum Opfer gefallen war. Nun aber konnten die beiden musikalisch anspruchsvollen Abende stattfinden.

Sie boten dem Publikum in erster Linie jeweils zwei hochinteressante und unterhaltsame Angebote, die dem Untertitel „Feine Kultur im Ahrtal“ mehr als gerecht wurden.

Das Gros des Publikums schien sich vom Angebot überraschen lassen zu wollen und wurde es auch. Allesamt Top-Musiker boten die unterschiedlichsten Genres.

Gitarrenspiel in Perfektion

Den Auftakt am vergangenen Donnerstag machte Simon Wahl. Für den gebürtigen Grafschafter war es eine Art Heimspiel. Der heutige Wahl-Wiener beherrscht sein Instrument, die Gitarre, in absoluter Perfektion. Seine Akustik-Konzerte sind ein Genuss für die Seele, er wird als „Meister der Melodien“ bezeichnet und lässt die Hörer in andere Welten eintauchen.

Das war in Marienthal nicht anders, wo Wahl überwiegend Stücke seines aktuellen Albums „Keep on Dreaming“ präsentierte. „Du machst die Augen zu und glaubst, ein halbes Dutzend Instrumente zu hören“, so eine Besucherin über die Vielseitigkeit des Virtuosen, dessen eigens kreierter Stil einen Mix von Pop, Rock, Klassik und Flamenco darstellt.

Ihm folgte als zweiter Act die Deutsch-Britin Roxanne de Bastion mit Wurzeln in Berlin und London. Ihre Großeltern waren einst aus Ungarn in die britische Hauptstadt geflohen. Die Singer/Songwriterin brillierte in Marienthal mit einer überwältigenden Stimme. Kein Wunder, dass die Musikwelt längst auf sie aufmerksam geworden ist, aktuell tourt sie mit Katie Melua durch Deutschland und nahm am tourfreien Tag zwischen Konzerten in Berlin und Halle den Weg quer durch Deutschland nach Marienthal auf sich. Hier verzauberte sie das Publikum mit Stücken aus ihrem neuen Album „You & Me, We Are The Same“. Darin geht de Bastion mit Sicherheit keine Allerweltsthemen an. Sie beschäftigt sich in ihren Songs mit Gottheiten, die nicht irgendwo, sondern tief in einem drin zu Hause sind. Sie singt mit ihrer klaren Stimme über Gentrifizierung, über den „echten Rainman“ Kim Peak und über ihre selbst erlebte Elternliebe, wenn sie sagt: „My dad and I share one shadow“ – „Mein Vater und ich teilen einen Schatten.“

Aber de Bastion ist auch politisch unterwegs: Die Britin bezeichnet den Brexit als „das größte Eigentor“. Und als das Publikum am Ende ihres Auftritts eine Zugabe fordert, bittet sie Simon Wahl auf die Bühne, gemeinsam spielen sie „Let it be“ von den Beatles. Ganz anders startet der zweite Festivaltag. „Hippie Hippie Yeah“ heißt das aktuelle Album der beiden Kölner Wortakrobaten Simon & Ingo. Sie präsentieren dem Publikum einen bunten Mix aus Hip-Hop, Songwriting und Comedy. Ihre Texte erzählen von dummen Sprüchen auf verschenkten T-Shirts.

„Ich lebe aus der Hosentasche“ berichtet vom eigenen Minimalismus und obwohl sie ihren Linkshang lautstark betreiben, fragen sie sich in einem ihrer Lieder schon: „Warum sind Inlandsflüge billiger als Inlandszüge?“ Da passt dann auch der Werbesong der Marketing-Manager von Nestlé und Shell wieder ins Gefüge. „Wir haben nix zu verlieren außer einem schlechten Ruf.“

Musikalisch ebenso aufgedreht wie Simon & Info sorgten die Französin Marion und ihr polnischer Partner Sobo für den musikalischen Abschluss des Festivals. Mitgebracht hatten sie Stefan Burger am Kontrabass. Das Trio sprühte vor musikalischer Lebensfreunde und präsentierte das aktuelle Album „Histoires“. Dass sie viele Genres beherrschen, zeigten sie dem Publikum mit jedem ihrer Stücke, mal in französischer, mal in deutscher Sprache vorgetragen. Immer war der Schalk in ihren Texten zu spüren, wie dem Publikum beim „Die Badewanne voller Bier“ besonders deutlich wurde. Es ging um die berühmt berüchtigten Studentenpartys, wobei sich Marion bitterlich beklagte, dass sie mit Anfang 30 dazu keine Einladungen mehr erhalte. Seinem musikalischen Fokus näherte sich das Quartett mit jedem gespielten Stück. Sie sind große Verehrer des „Hot Club De France“ und damit des Gipsy Jazz, den einst Musiker wie Django Reinhardt kreierten.

Mit dem Festival „Zieh los“ setzten die Ahrweiler Freiheiter einen musikalischen Höhepunkt im Festivalsommer an der Ahr. Einen Top-Act aus den vier angebotenen Musikern und Bands auszumachen, war für das Publikum kaum möglich, zu unterschiedlich waren die präsentierten Genres, zu gut die die vorgetragene Musik. Einziger Wermutstropfen: Das Festival hatte mehr Zuhörer verdient. An beiden Abenden kamen in Summe nur knapp 200 Gäste in die Klosterruine.

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