Hilfe für die Geschädigten der Flut Abriss, Aufbau und viele zupackende Hände nach der Katastrophe

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Auch eineinhalb Wochen nach der Flutwelle bietet Bad Neuenahr ein Bild der Zerstörung. Viele Menschen helfen mit, das Stück für Stück zu ändern. Aber die Aufgabe ist gewaltig.

 Bagger beseitigen nach dem Hochwasser den Schutt auf den Straßen in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Flut der Ahr hat auch hier zahlreiche Häuser stark beschädigt.

Bagger beseitigen nach dem Hochwasser den Schutt auf den Straßen in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Flut der Ahr hat auch hier zahlreiche Häuser stark beschädigt.

Foto: dpa/Thomas Frey

Mit einem infernalischen Hämmern zertrümmert die Baumaschine den letzten Rest der Landgrafenbrücke, die vor der Flutkatastrophe an dieser Stelle in Bad Neuenahr über den Fluss führte. Ein Greifer zerreißt den Beton. Ein paar Meter weiter bauen Spezialisten des Technischen Hilfswerks (THW) eine Behelfsbrücke zusammen. Die wird dringend gebraucht, denn noch wälzt sich der gesamte Verkehr über die Piusbrücke, die als einzige in der Kurstadt nicht vor rund eineinhalb Wochen von der Wucht der Ahr hinweggerissen wurde. Das Nadelöhr für alle Einsatzfahrzeuge, Helfer und Bewohner.

„Aktuell sind wir mit einer sogenannten Delta-Behelfsbrücke beschäftigt, um so schnell wie möglich eine zweite Verbindung über die Ahr für die Stadt zu schaffen“, erklärt Dominik Baltes, der den THW-Einsatz mit gut 60 Helfern an diesem Sonntag leitet. Bis zu 120 THW-Spezialisten waren es in den vergangenen Tagen, die sich um die Vorbereitungen für die neue Brücke gekümmert haben und beispielsweise Treibgut und Trümmer beiseite räumten und die ersten Fundamente betonierten.

51 Meter Spannweite wird die Brücke einmal haben, dazu kommt noch ein Vorbau von 33 Meter. Während an der einen Stelle der Abriss mit großem Krach weitergeht, nimmt der stählerne Gigant erste Formen an. In Vorschubmontage wird die Behelfsbrücke Stück für Stück montiert und dann über die Ahr geschoben. Bis sie benutzt werden kann, wird es nach Baltes' Schätzung etwa sieben Tage dauern.

Im Minutentakt donnern Fahrzeuge der Bundeswehr oder Lastwagen vorbei

Nicht weit entfernt steigen ein paar Bewohner in eine Behelfsfähre, die das THW über die Ahr errichtet hat, damit Fußgänger auf die andere Seite ihrer auseinandergerissenen Stadt gelangen können, ohne den langen Umweg über die verstopfte Piusbrücke nehmen zu müssen. Helfer haben eine Treppe zum Ufer gebaut, damit die Bewohner sicher zusteigen können, wenn es nass und rutschig ist.

Doch am Sonntagmittag ist es trocken, sogar sonnig. Der für die Morgenstunden vorhergesagte Starkregen hat sich glücklicherweise nicht eingestellt. Das erleichtert die Arbeit der Helfer, die sich bemühen, Stück für Stück die Schuttberge abzutragen und die Trümmer zu beseitigen, die an den Straßenrändern liegen. Im Minutentakt donnern Fahrzeuge der Bundeswehr oder Lastwagen von privaten Helfern vorbei, beladen mit den Hinterlassenschaften einer Stadt, die kaum wiederzuerkennen ist. Computer, Waschmaschinen, zerfetzte Möbel und unglaubliche Mengen Bauschutt. Immer wieder sieht man auch kleine Gruppen von Fußgängern mit Schippen und Besen, die unterwegs sind, um den Bewohnern ihre Hilfe anzubieten.

Polizei kontrolliert die Zufahrten

Am Sonntag ist der Verkehr in Bad Neuenahr deutlich weniger als in den Tagen zuvor, wie viele Helfer berichten. Die Polizei kontrolliert die Zufahrten. Privatleute waren aufgerufen worden, nicht in die Stadt zu fahren, sondern stattdessen den „Helfer-Shuttle“ zu benutzen. Dieser Dienst bringt die Freiwilligen von einem großen Gelände in der nahen Verbandsgemeinde Grafschaft nach Bad Neuenahr und in andere, teils noch stärker zerstörte Ortschaften das Ahrtal hinauf.

Der „Helfer-Shuttle“ ist eine Privatinitiative, wie Marc Ulrich berichtet. Gemeinsam mit anderen hat er in den vergangenen Tagen den Beförderungsdienst für private Helfer auf die Beine gestellt. Schilder weisen auf den großen Parkplatz in einem Gewerbegebiet hin, wo der zentrale Anlaufpunkt ist. Am Freitag hätten etwa 3000 Menschen das Angebot genutzt und sich in die Einsatzgebiete entlang der Ahr fahren lassen, sagt Ulrich. Am Samstag seien es etwas weniger, weil die Straßen einfach zu verstopft gewesen seien. Rund 50 Busse - vom klassischen Reise- bis hin zum Kleinbus - fahren unentgeltlich. Die Hilfe komme von Busunternehmern ebenso wie von Privatleuten mit mehrsitzigen Vans.

Viele private Unternehmen helfen tatkräftig mit

Der Unternehmer aus dem Ahrtal plant die An- und Abfahrten auf einem Flipchart auf der Wiese. Seine Firma läuft weiter, seine Mitarbeiter kümmern sich ums Alltagsgeschäft. Ulrich ist begeistert von der Hilfsbereitschaft der Freiwilligen. Die Helfer und Helferinnen kämen aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland, berichtet er. „Wir wünschen uns mehr Support von offizieller Seite, zum Beispiel Bürocontainer, Zelte und natürlich auch Busse,“ sagt er. Noch findet alles behelfsmäßig im Freien unter Pavillons statt. Immerhin: Von der Kreisverwaltung habe es Unterstützung gegeben in Form von Treibstoff und einem Toilettenwagen, sagt Ulrich.

Auch Paul Sauer packt kräftig mit an. Mit sieben Lastwagen, drei Radladern und zwei Baggern ist der Bauunternehmer aus Koblenz nach Bad Neuenahr angerückt. Auch sein Sohn und über 20 Mitarbeiter der Firma helfen am Sonntag mit. Für viele ist es bereits der zweite Wochenendeinsatz. Alles in der Freizeit, unbezahlt und freiwillig. „Meine Mitarbeiter waren alle spontan dabei und sind sehr motiviert,“ sagt Sauer.

Er ist einer von vielen Bauunternehmern, die an diesem Tag mit ihren Fahrzeugen unterwegs sind, Schutt abfahren oder mit Radladern das abgelieferte Trümmermaterial zusammenschieben, das sich an einem zentralen Platz unweit der Piusbrücke meterhoch türmt. Kennzeichen aus ganz Deutschland sind zu sehen. „Wir organisieren uns selbst und schauen, wo wir anpacken können“, berichtet der 63-Jährige.

Sauer hebt mit einem Kran Schlamm, Erde und Trümmerteile aus einem Vorgarten auf die Ladefläche seines Lastwagens. „Es ist fantastisch, wie die Helfer hier zupacken“, freut er sich. Ein großes Problem sei die fehlende zentrale Steuerung der Einsätze der helfenden Bauunternehmen. Fast alles geschehe auf Zuruf. Mit einer Fernsteuerung lässt er die Trümmer aus dem Kran auf den Lkw krachen. Ein paar Trümmerstücke weniger am Straßenrand. Doch unglaubliche Mengen liegen noch herum.

(dpa)
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