Engagierte schenken anderen ihre Zeit Hospiz-Verein Rhein-Ahr feiert seinen 30. Geburtstag
Bad Neuenahr-Ahrweiler · Der Hospiz-Verein Rhein-Ahr hat seinen 30. Geburtstag gefeiert. Festrednerin Gerda Graf warnte dabei vor einer „Abschiebung Alter und Sterbender wie in den 70ern“. Graf ist Ehrenvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands.
Vorbei die Zeiten, in denen Sterbenskranke in Kliniken aus dem Patienten- ins Badezimmer abgeschoben wurden, weil man glaubte, nichts mehr für sie tun zu können? Vorbei auch die Zeiten, in denen das Sterben in der Gesellschaft verdrängt wurde? Gerda Graf warnte davor, dass es auch wieder anders kommen könnte. Die Ehrenvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands (DHPV) war die Festrednerin bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr, bei der heitere, aber auch nachdenkliche Töne angeschlagen wurden.
Zwei Klinikclowns der Stiftung „Humor hilft heilen“ machten ihre Späße, und zwei Musikduos erfreuten mit jazzigen respektive klassischen Klängen im Helmut-Gies-Bürgerzentrum in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Stimmung war gelöst, auch wenn Redner wie Landrätin Cornelia Weigand auch mal persönlich wurden.
Seit der Vereinsgründung 1992 sei der Verein „unverzichtbarer Bestandteil des sozialen Angebots in unserer Region geworden“, konstatierte die Landrätin. „Aber nicht nur die Zahl der Menschen, die den Verein unterstützen, ist seit Jahren enorm gewachsen. Auch die Aufgaben und Herausforderungen sind immer mehr und immer größer geworden. So haben sich die Sterbebegleitungen seit Gründung des Vereins mehr als verzehnfacht.“ Bewegt berichtete Weigand: „Vor nicht allzu langer Zeit habe ich meinen Vater auf dem letzten Weg begleiten und beim letzten Atemzug seine Hand halten dürfen.“ Das sei für die Familie nur möglich gewesen, weil sie den Vater nach Hause holen konnten, weil es einen ambulanten Hospizdienst gegeben habe und Palliativkräfte, die auch nachts zur Verfügung standen.
Der Dank der Redner galt unter anderem der Unterstützung des Hospiz-Vereins bei der Planung und Koordinierung für Hilfen für viele Betroffene, die unter den psychischen Folgen der Flutkatastrophe litten. Dank galt auch für die Zeit, die die Engagierten in der Hospizarbeit anderen schenkten. Kreisstadt-Bürgermeister Guido Orthen beschrieb das Verdienst des Vereins so: „Nicht nur, dass Sterben und Tod in dieser Stadt, in diesem Kreis, kein Tabuthema mehr sind. Sie, die Haupt- und Ehrenamtlichen, begleiten durch den Schmerz hindurch, und Sie halten mit ihren Armen, mit einer Berührung. Sie halten mit Ihrem Dasein. Sie halten mit einem guten Wort. Und Sie halten aus.“
Wenn an einem solchen Nachmittag die Landrätin und der Bürgermeister der Kreisstadt sowie aus allen Kommunen im Landkreis die Bürgermeister oder Beigeordneten kämen, dann müsse schon eine Gruppierung ein Jubiläum feiern, „die – zum einen – im gesamten Kreis aktiv ist und – zum zweiten – bedeutend sein muss für alle Kommunen“, stellte Horst Gies, Landtagsabgeordneter und Erster Kreisbeigeordneter, fest. Eben das sei Hospiz-Verein Rhein-Ahr.
Gies erzählte von seinem Erstkontakt mit der Hospizarbeit im Kreis beim Besuch in der Remagener Palliativstation: „Das war etwas, das mich für mein Leben geprägt hat.“
Das Besondere an der Hospizarbeit sei die Haltung, erklärte die Vorsitzende des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr, Ulrike Dobrowolny. Es sei eine andere Art zu helfen. „Wir können so viel Zeit mit einem Menschen verbringen, wie der Begleitete es für nötig hält. Und wir haben eine Dokumentation, die nur das Notwendigste erfasst, um verzahnt im Team von Ehren- und Hauptamtlichen zusammenzuarbeiten.“
Dobrowolny blickte auch zurück auf die Anfänge der Hospizbewegung und des Vereins. Sie blickte auf die Tabuisierung von Tod und Sterben, weil nach dem Zweiten Weltkrieg so viele glaubten, sie hätten doch alle das gleiche schwere Leid erfahren und da sei es nicht angebracht, über ihr individuelles Leid zu sprechen. Und sie blickte auf die Mitwirkung des Vereins an der Installierung der Palliativstation in Remagen, auf den Auf- und Ausbau von ambulantem Dienst und stationärem Hospiz, auf die Hospizstiftung, auf Trauer- und Traumaarbeit und das neue Angebot des Vereins: Seniorenfahrten für von der Flut betroffene Senioren im Ahrtal.
Mit solch präventiven Angeboten gebe der Hospiz-Verein Antworten auf Fragen, die sich in der Hospizbewegung stellten, fand Graf: „Veränderungen in der Gesellschaft fordern und fördern auch eine Veränderung der hospizlichen Arbeit.“ Ihren Vortrag widmete die Festrednerin dem Thema „Sorge“ und plädierte für „Sorgemut“. Graf rief zur „Sorgekultur“ auf und dazu, heutige Sorgen mit Mut anzugehen. Sie äußerte die Sorge, dass dem Effizienzstreben in Kliniken und Pflegeheimen die Hospizkultur zum Opfer falle, sowie die Sorge um die Folgen des Bundesverfassungsgerichts-Urteils 2020 zum assistierten Suizid, weil es die Autonomie des Menschen an erste Stelle setze. Die Sorge, dass alte Menschen glaubten, nur noch eine Last für ihre Angehörigen oder die Gesellschaft zu sein, und die Sorge „dass wir zur erneuten Abschiebung Alter und Sterbender kommen wie in den 70er Jahren“. Und sie warnte vor einer „Hyperliberalisierung der Selbstbestimmung im Zeitalter der hochgelobten Individualität“.