„Weihnachten anders“ an der Amseltalbrücke In Bad Neuenahr liegt das Jesuskind im Werkzeugkasten

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Die Andacht „Weihnachten anders“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler steht zum zweiten Mal in Folge im Zeichen der Flutkatastrophe. Zentrales Thema sind die Beziehungen zu den Mitmenschen.

 Symbol für den Wiederaufbau im Ahrtal: Das Jesuskind wird bei der Veranstaltung „Weihnachten anders“ in Bad Neuenahr statt in einer Krippe im Werkzeugkasten gebettet.

Symbol für den Wiederaufbau im Ahrtal: Das Jesuskind wird bei der Veranstaltung „Weihnachten anders“ in Bad Neuenahr statt in einer Krippe im Werkzeugkasten gebettet.

Foto: AHR-FOTO

„Weihnachten anders“ – Das waren in den vergangenen Jahren in der Kreisstadt ganz besondere Feiern der Geburt Jesu am Heiligen Abend. Immer an einem anderen Ort, nie feierlich, aber immer zum Nachdenken anregend. Man traf sich im Fußballstadion oder in einer Tiefgarage zu Gottesdiensten. Im Mittelpunkt das Jesuskind in seiner ganz eigenen Krippe. Im vergangenen Jahr lag es in einer Schubkarre bei Besen und Schaufeln und erinnerte an die Flutkatastrophe und die Aufräumarbeiten mit Schlamm und Schutt. Weil die Folgen der Flut auch ein Jahr später noch flächendeckend sichtbar sind und es kaum ein anderes Thema gibt, wurde das Jesuskind auch jetzt nicht in einer Krippe gebettet, sondern in einem schlichten Werkzeugkasten, der symbolisch für den Wiederaufbau steht. Der war an einer der vielen Behelfsbrücken abgestellt, nämlich an der Amseltalbrücke in Hemmessen, wo sich Hunderte Menschen zu diesem etwas anderen Gottesdienst trafen und damit der Einladung der christlichen Kirchen der Stadt folgten. Denn Brücken waren das beherrschende Thema von „Weihnachten anders“ an diesem Heiligabend. „Wir hatten keine Brücken – Wir haben eine Brücke“ lautete das vielsagende Motto, bei dem zunächst einmal an die Stunden nach der Katastrophe erinnert wurde, als fast alle Brücken über die Ahr zerstört waren und den Menschen schmerzlich bewusst wurde, welche Bedeutung die Brücken doch im täglichen Leben haben.

Verbindung zu Mitmenschen steht im Fokus

Brücken bauen die Menschen seit mehr als 3000 Jahren, um Hindernisse, Bäche, Täler überwinden zu können. Brücken bauen die Menschen aber auch zu ihren Mitmenschen. Nur hat man immer mehr das Gefühl, Brücken fehlen nicht nur im Ahrtal, auch in der Welt fehlen diese zwischen den Generationen. Die Gesellschaft driftet auseinander. Ins Ahrtal kommen die Brücken nach und nach zurück, erst gab es die kleine Pontonfähre „Aida“, dann immer mehr Auto- und Fußgängerbrücken, zu deren Bau viele Brückenbauer nötig waren. Und dennoch tun sich überall Abgründe auf. Da war Corona, dann die Flut, der Klimawandel und nun der Ukrainekrieg. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, die Lebenshaltungskosten schießen in die Höhe, es droht eine Rezession. „Wie soll es da weitergehen“, fragte eine Sprecherin. Die Antwort: „Die Menschen müssen nach Wegen schauen, die man überwinden kann.“ Brücken seien immer dagewesen: Ob Impfstoff und Corona-Überbrückungsgelder oder Wiederaufbaufonds und Bürgergeld – beides sei nicht selbstverständlich, könne aber als Brücke gedeutet werden. Zudem schlügen die Tafeln unermüdlich Brücken zwischen Mangel und Überfluss.

Angesichts von Polarisierung in der Gesellschaft, dem Fehlen von Toleranz und Respekt waren die Menschen im Ahrtal froh, nach der Flut zu erfahren, wie wichtig es ist, andere an der Seite zu haben, die Brücken bauen. Denn „Brücken bauen zwischen Menschen ist, den Himmel auf die Erde holen“, so Pfarrer Jörg Meyrer, der „Weihnachten anders“ in diesem Jahr zusammen mit Nadine Kreuser, Ulrike Phiesel, Friedemann Bach und Andrea Klaus gestaltete. Die Musikvereinigung Bad Neuenahr-Ahrweiler begleitete den Gottesdienst nicht nur mit geistlicher Musik, auch Klänge von Karat und Udo Lindenberg waren zu hören.

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