Im Wochenendhaus versteckt Geschäftsmann aus Ahrweiler bewahrte Kölner Juden vor dem Tod

Ahrweiler · Der Ahrweiler Geschäftsmann Josef Heinen bewahrte Kölner Juden vor dem Tod. Er versteckte die Menschen in seinem Wochenendehaus in der Eifel. Auch ihm selbst drohten Verfolgung und Tod.

 Am 24. November 1970 erhielt Josef Heinen (r.) das Bundesverdienstkreuz am Bande. Landrat Heinz Korbach nahm die Ehrung vor.

Am 24. November 1970 erhielt Josef Heinen (r.) das Bundesverdienstkreuz am Bande. Landrat Heinz Korbach nahm die Ehrung vor.

Foto: Martin Gausmann

 Vier Jahre lang versteckte und versorgte Josef Heinen aus Ahrweiler während der Nazizeit Kölner Juden in seinem Wochenendhaus in Liers – und rettete sie damit vor der Ermordung. 1969 ist der Möbelhändler aus der Rotweinstadt dafür vom Staat Israel als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet worden, im Jahr darauf dann auch mit dem Bundesverdienstkreuz.

An diesem Mittwoch bringt die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler am Gebäude an der Niederhutstraße 57 in Ahrweiler eine Tafel zur Erinnerung an Josef Heinen an. Dort wurde er nämlich 1898 geboren. 1944 wurde Heinens Geburtshaus bei einem Bombenangriff zerstört. Seine Familie war aus Platzgründen aber bereits zwei Jahre nach Josefs Geburt in das Haus Niederhutstraße 68 auf der gegenüberliegenden Straßenseite umgezogen.

Josef Franz Heinen erblickte am 19. November 1898 als drittes Kind des Polsterer- und Dekorateurmeisters Franz Heinen und seiner Ehefrau Elisabeth das Licht der Welt. Von 1905 bis 1913 besuchte er die Aloisius-Volksschule in Ahrweiler und gehörte bald der Aloisius-Jugend an, deren Hauptmann er 1912 wurde.

Von 1913 bis 1916 erlernte Josef den Beruf des Einzelhandelskaufmanns. 1916 zog er als Soldat in den Krieg, aus dem er 1918 unversehrt an die Ahr zurückkehrte. Als Addemichshöde Jong gehörte er der St.-Laurentius-Junggesellen-Schützengesellschaft Ahrweiler an, deren Fähnrich er im Jahr 1924 war.

Josef Heinen hatte so viele Freunde, dass ihm der damalige Wirt des Hotels „Zum Stern“ anbot, er könne umsonst trinken, wenn er mit seiner Clique zu ihm käme. Ob Heinen von diesem Angebot Gebrauch machte, weiß heute niemand mehr.

In dieser Zeit arbeitete Josef in dem Geschäft mit, das sein ältester Bruder Peter übernommen hatte, nachdem der Vater plötzlich und sehr früh verstorben war. Nachdem Josef 1926 geheiratet hatte, gründete er mit seiner Ehefrau Elisabeth in Walporzheim einen eigenen Haus­stand. 1928 machte sich Josef Heinen selbstständig und eröffnete an der Hauptstraße 30 in Adenau ein Möbelgeschäft. Aber er blieb Mitglied der St.-Sebastianus-Bürgerschützen seiner Heimatstadt.

Nach der Machtergreifung wurde auch Josef Heinen NSDAP-Mitglied. Aber schon bald kamen ihm Zweifel an deren Politik. Er ging auf Distanz zu ihr und weigerte sich, Plakate von Partei und Hitler-Jugend an seinem Geschäft aufzuhängen. Das blieb der Parteileitung nicht verborgen, weshalb er mit einem Schreiben vom 20. September 1935 der Kreisleitung, die ihren Sitz an der Wilhelmstraße 8 in Ahrweiler hatte, aus der NSDAP ausgeschlossen wurde. Im Zweiten Weltkrieg erneut als Soldat eingezogen, wurde Josef Heinen in Frankreich verwundet. Nach seiner Genesung musste er im Lager „Rebstock“ in Marienthal Wachdienst leisten. Durch sein Möbelgeschäft hatte Josef Heinen geschäftlichen Kontakt zur Lampenschirmfabrik Sonnenfeld im Kölner Stadtteil Lindenthal. Aus dieser Geschäftsbeziehung erwuchs eine Freundschaft zum Inhaber Gerd Sonnenfeld, der, wie es im NS-Sprachgebrauch hieß, „Halbjude“ war. Als Heinen im Jahr 1941 von Gerd Sonnenfeld erfuhr, dass er und seine Eltern von Verfolgung und Deportation bedroht waren, bot Josef Heinen ihnen sein Wochenendhaus in Liers als Versteck an.

Nach einem heftigen Bombardement und im Schutz der Nacht gelang es Gerd Sonnenfeld, seine Eltern aus dem Kölner „Judenhaus“ herauszuholen, in dem die Juden interniert wurden, die für die Deportation vorgesehen waren. Er brachte auch sie nach Liers. Während der vier Jahre, die Josef Heinen die Kölner dort versteckte, besuchte er sie regelmäßig und versorgte sie mit Lebensmitteln, suchte aber auch selbst in Liers Schutz vor den Bombenangriffen auf Ahrweiler. Dass in Heinens Wochenendhaus Juden wohnten, sprach sich in Liers herum. Aber die Bewohner des Dörfchens hielten dicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute sich Heinen, dessen Geschäft und Wohnung in Adenau 1944 einem Bombenangriff zum Opfer gefallen waren, in Ahrweiler eine neue Existenz auf. Er eröffnete an der Kreuzstraße in Bad Neuenahr ein Fachgeschäft für Stilmöbel und Accessoires, das er bis 1983 führte. Bis 1954 wohnte er mit seiner Ehefrau bei den Schwiegereltern an der Walporzheimer Straße 86 in Walporzheim, ab 1954 bis zu seinem Tod am 23. Dezember 1989 an der Büllesheimer Straße 9 in Ahrweiler.

Dem Retter drohten Verfolgung und Tod

Der damalige AW-Landrat Heinz Korbach sagte, als er Josef Heinen am 24. November 1970 im Auftrag von Bundespräsident Gustav Heinemann mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande auszeichnete, menschliches Verhalten wie das von Josef Heinen werde leider viel zu selten öffentlich bekannt und gewürdigt. Und er erinnerte daran, dass jedem, der sich schützend vor Juden stellte, selbst Verfolgung und Tod drohten.

Heinen sagte bei der Ehrung, dass sein Verhalten für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen sei, und er hob die Unterstützung durch die Einwohner von Liers hervor. Sie hätten Stillschweigen bewahrt und mit für die Versorgung der in seinem Häuschen versteckten Juden gesorgt. In Zeiten der Lebensmittelrationierung und der Lebensmittelkarten sei die Verpflegung der untergetauchten Juden nämlich kein leichtes Unterfangen gewesen.

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