Bundestagswahl an Rhein und Ahr Mechthild Heil gewinnt knapp das Direktmandat
Kreis Ahrweiler · Mechthild Heil zieht für die abgestürzte Union wieder als Direktkandidatin in den Bundestag ein. Sie hat kräftig Federn lassen müssen, während ihr SPD-Herausforderer Christoph Schmitt eine imposante Aufholjagd hinlegte und für die SPD das beste Ergebnis seit Jahrzehnten verbuchte.
Die Christdemokraten erlebten einen bösen Absturz, die Sozialdemokraten einen historischen Tag. Mechthild Heil hatte Glück im Unglück und für Christoph Schmitt gab es das Gefühl, der wahre Wahlsieger zu sein: Noch nie seit 1949 haben sich CDU und SPD ein solches Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert wie am Wahlabend des 26. September.
Noch nie waren Gewinne und Verluste solchen Schwankungsbreiten ausgesetzt. Massive Verluste bescherten der CDU die wohl bitterste Niederlage auf Kreisebene seit Bestehen der Partei, erhebliche Zugewinne sorgten indes im SPD-Lager für strahlende Gesichter.
Wenngleich Mechthild Heil für die abgestürzte Union auch wieder als Direktkandidatin ins Parlament einziehen wird: Sie hat kräftig Federn lassen müssen, während SPD-Bewerber Schmitt eine imposante Aufholjagd hinlegte und für die SPD das beste Ergebnis seit Jahrzehnten verbuchte.
Dicht beieinander lagen Heil und Schmitt bei den Erststimmen, die für das Direktmandat ausschlaggebend sind. Die spätere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hatte vor vier Jahren im Kreis Ahrweiler 27,4 Prozent erzielt, Heil 42,8 Prozent. Nun sauste die Bundestagsabgeordnete aus Andernach um fast neun Prozentpunkte in die Tiefe, während Christoph Schmitt aus Niederzissen als SPD-Direktkandidat am Sonntagabend über die 30-Prozent-Marke kletterte und sich so über weite Strecken ein spannendes Rennen mit Heil lieferte. Schlussendlich entfielen auf die CDU-Bewerberin 34,3 Prozent, der Herausforderer lag vier Punkte dahinter bei 30,2
Bei der Verteilung der Erststimmen spielten die Bewerber der anderen politischen Gruppierungen eine völlig untergeordnete Rolle. Lediglich bei den Grünen gab es eine Auffälligkeit: Deren Kandidat Martin Schmitt aus Mayen konnte sein Ergebnis von vor vier Jahren um rund 4,7 Prozentpunkte nach oben verbessern.
„Ich bin froh, den Wahlkreis gewonnen zu haben, auch wenn das Ergebnis sehr knapp war“, sagte die alte und neue Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ahrweiler, Mechthild Heil, am Abend zum General-Anzeiger. Insbesondere habe sie die hohe Wahlbeteiligung der von Leid und Sorgen geplagten, im zertrümmerten Ahrtal lebenden Menschen gefreut. „Das hat gezeigt, wie wichtig ihnen der Ausgang dieser Wahl gewesen ist“, so Heil. Am insgesamt schlechten Ergebnis für die Union gebe es indes „nichts zu deuteln“. Allerdings habe sich dieser Wahlausgang in den vergangenen Wochen auch so angedeutet.
Christoph Schmitt, in der Landesliste auf dem wenig aussichtsreichen Platz 15 gesetzt, sagte: „Ich hätte mir gewünscht, den Wahlkreis zu gewinnen. Unterm Strich freue ich mich für das Ergebnis der SPD bei den Zweitstimmen. Dennoch hatte ich mir ein wenig mehr erhofft.“
Bei den Zweitstimmen kam das Ergebnis im Wahlkreis 198 einem Erdrutsch gleich: Die SPD dümpelte zu Nahles-Zeiten vor vier Jahren noch knapp über der 20 Prozent-Marke. Nun wurden es rund neun Punkte mehr und etwa 0,2 Punkte mehr, als die CDU erreichte, die 2017 immerhin noch über 40 Prozent lag. Erstmals in ihrer Nachkriegsgeschichte gelang es somit der SPD – wenn auch nur hauchdünn –, stärkste politische Kraft an Rhein und Ahr zu werden und erstmals verlor die CDU im Kreis Ahrweiler ihre stets sicher geglaubte Hochburg.
Kräftige Zugewinne verbuchten auch die Grünen: Sie lagen im Jahr 2017 noch bei 6,7 Prozent, nun landeten sie bei nicht ganz zwölf Prozent.
Zu den Wahlgewinnern dürfen sich auch die Liberalen zählen. Die FDP, deren Zweitstimmenanteil im Wahlkreis ohnehin auch bei zurückliegenden Wahlen stets über dem Landesdurchschnitt lag, verbuchte auch diesmal wieder leichte Zugewinne.
Konstant sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen fiel das Ergebnis für die AfD aus, die im Wahlkreis Ahrweiler weiterhin unter zehn Prozent bleibt und ihr Wählerpotenzial wohl ausgeschöpft zu haben scheint. Einen schwarzen Abend erlebte die Linke, deren Stimmenzahl sich weit mehr als halbiert hat. Statt 5,7 Prozent bei den Zweitstimmen, wie bei der Bundestagswahl vor vier Jahren, gab es nun nur noch 2,6 Prozent.
Von Wahlkampf gab es im Vorfeld im Vergleich zu vor vier Jahren nahezu keine Spur. Zumindest nicht im zerstörten Ahrtal, da es dort nach der verheerenden Flutwelle kaum Möglichkeiten für die zur Wahl stehenden Parteien und Kandidaten gab, in Wort und Bild auf sich aufmerksam zu machen.
Aber auch darüber hinaus fehlten Orientierung gebende Podiumsdiskussionen, Wahlversammlungen und -veranstaltungen, Info-Stände oder Plakatierungen. Nicht einmal Flyer, Broschüren oder aus früheren Wahlkämpfen bekannte Wahlempfehlungen und Wahlwerbungen waren in den heimischen Briefkästen zu finden. Stattdessen bauten die Parteistrategen auf verstärkte Präsenz in den Social-Media-Kanälen.