Lagebericht aus Bad Neuenahr-Ahrweiler Nach vier Wochen gibt es endlich wieder Strom an der Unterstraße

Bad Neuenahr · Freude herrscht in Teilen der Unterstraße: Nach vier Wochen gibt es endlich wieder Strom. Das schafft ein ganze neues Lebensgefühl. Bei rund einem Viertel der Haushalte in Bad Neuenahr-Ahrweiler kommt aber nach wie vor kein Strom aus der Steckdose.

 Ein Mann sitzt im Bad Neuenahrer Kurviertel unweit der Unterstraße hinter einem Stapel Holz.

Ein Mann sitzt im Bad Neuenahrer Kurviertel unweit der Unterstraße hinter einem Stapel Holz.

Foto: dpa/David Young

Teile der Bad Neuenahrer Unterstraße haben wieder Strom. Im wahrsten Sinne des Wortes gab es am Mittwochabend, exakt vier Wochen nach der katastrophalen Flut im Ahrtal, einen Lichtblick: Ob Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad, Küche oder Treppenhaus: Es gibt Licht. Der Kühlschrank ruckelt kurz, um dann in einen warm-säuselnden, kaum hörbaren Tiefton zu verfallen: Er läuft, er kühlt. Schnell wird geprüft, ob der Durchlauferhitzer im Badezimmer funktioniert und kaltes in warmes (Brauch)wasser verwandelt: er macht’s. Nun noch schnell den Herd und den Backofen getestet: klappt. Pfanne raus, Kotelett rein: Man ist wieder in der Neuzeit.

Nun heißt es erst einmal, geschätzte vier Zentner Schmutzwäsche der vergangenen 30 Tage durch Waschmaschine und Trockner zu schleusen. Kinderspiel. Weil man ja auch weiß, dass das Bügeleisen in den Folgetagen nicht auf dem DRK-Camping-Gaskocher erhitzt werden muss. Einfach Stecker in die Steckdose, ein paar Sekunden warten, und schon ist das Bügeleisen einsatzbereit. Ja, und die Dusche. Von oben, von unten, von allen Seiten perlt das  – zugegeben: „etwas“ gechlorte – Wasser aus dem Duschkopf auf den Körper. Vorbei die Zeit der feuchten Tücher namhafter Hersteller, vorbei die Zeit, in dem man sich in der Sonne erwärmte Wasserkanister über Haupt und Körper fließen lässt, vorbei die Zeit, in der Einmal-Waschlappen zu den engsten Freunden geworden sind. Und ein Blick in den hell im Lichte strahlenden Badezimmerspiegel ist auch möglich: Tja, schnell wächst die Erkenntnis, dass man in den vergangenen vier Wochen nicht gerade jünger geworden ist.

Bei aller Freude über die wiederentdeckten Vorzüge der Elektrik: Nach wie vor sind rund 25 Prozent der Haushalte nicht mit Strom versorgt. Weite Teile der von den Ahrtal-Werken versorgten Kreisstadt liegen weiterhin im Dunkeln. Im Hellen arbeiten derweil Spezialisten weiter an der oberen Unterstraße, um termingerecht ihre Straßenausbauarbeiten  zu erledigen. Die Stadt erklärt auf Anfrage, dass weder unterhalb gelegene Versorgungsstützpunkte beeinträchtigt würden noch zusätzliche Belastungen auf die Anlieger zukämen. Die Beseitigung der Katastrophenschäden werde nicht gestört. Man bitte um Verständnis: Die Maßnahme sei lange geplant gewesen, das eingesetzte Bohrpfahlgerät sei nur jetzt verfügbar, weiter steigende Baupreise oder Baustillstandkosten wolle man vermeiden. In vier bis sechs Wochen könnten die Spezialisten wieder abrücken. Man kann es verstehen und nachvollziehen. Im Viertel legt sich die Aufregung.

Derweil wurde der Versorgungsstand der Unterstraße, an dem täglich in der Mittagszeit mehr als 200 warme Mahlzeiten ausgegeben werden, in den benachbarten Nelkenweg verlegt. Kommt es bald zu einer flächendeckenden Versorgung mit Strom, kann dieser Stützpunkt seine Arbeit einstellen, da dann wieder die heimischen Herde und Kühlschränke arbeiten.

Der Autor: Victor Francke war bis Ende vergangenen Jahres Redakteur in der Ahr-Redaktion des General-Anzeigers. Er wohnt seit einigen Jahren an der Unterstraße in Bad Neuenahr.

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