Findelkinder in Heimersheim Natascha Schleiffer kümmert sich um hilflose Eichhörnchen

HEIMERSHEIM · Natascha Schleiffer betreibt in Heimersheim die einzige Eichhörnchen-Auffangstation im Kreis Ahrweiler. Seit die gebürtige Frankfurterin im Alter von 15 Jahren das erste Eichhörnchen aufgepäppelt hat, hat sie die Liebe zu den possierlichen Nagetieren nicht mehr losgelassen.

 Eichhörnchen "Bella" wird mit einer Spritze mit Spezialmilch gefüttert.

Eichhörnchen "Bella" wird mit einer Spritze mit Spezialmilch gefüttert.

Foto: Christoph Lüttgen

Es wird unruhig in der kleinen Transportbox. "Die haben schon wieder Hunger", sagt Natascha Schleiffer, während sie vorsichtig die Klappe öffnet, die Decke zur Seite fingert und nach einem winzigen Fellknäuel greift. Das Tierchen mit den großen dunklen Knopfaugen verschwindet fast vollständig in der zierlichen Hand seiner Pflegerin. Es ist "Bella", der jüngste Neuzugang von Natascha Schleiffer, deren Wohnung in Heimersheim als "Hörnchenhaus" dient – die einzige Eichhörnchen-Auffangstation im Kreis Ahrweiler.

"Bella" scheint es sich in der linken Hand seiner Ersatzmutter geradezu bequem gemacht zu haben. Mit der rechten Hand führt die 37-Jährige die dünne, mit spezieller aus den USA importierter Eichhörnchenmilch gefüllte Spritze an das noch fast zahnlose Mäulchen ihres fünf Wochen alten Schützlings. Reflexartig umfasst "Bella" mit den beiden Vorderpfoten den Gummisauger und beginnt gierig zu trinken. Es dauert nur ein paar Minuten, bis die Milch vollständig in dem kaum 100 Gramm schweren Eichhörnchenbaby verschwunden ist. Nach ein paar Streicheleinheiten legt Natascha Schleiffer das kleine Tier in die Box zurück. Als sie sich wieder aufrichtet, hat sie bereits "Max" in der Hand. Ihr zweites Flaschenkind ist mit vier Wochen das jüngste "Hörnchen", um das sich die Expertin derzeit kümmert.

Beide Tiere sind von Kindern gefunden worden, "Max" auf einem Spielplatz in Meckenheim, "Bella" in der Nähe einer Autobahnraststätte bei Saarbrücken. Die beiden Neuzugänge sind wohl vor Hunger aus dem Kobel gefallen, weil das Muttertier gestorben ist oder nicht ausreichend Nahrung gefunden hat. Denn die Hitze der letzten Wochen setzt auch den Tieren zu, sie sind häufig dehydriert und stark abgemagert. "Wenn die Kleinen bluten oder stark unterkühlt sind, holt sie die Mutter nicht mehr zurück", erklärt die 37-Jährige, die sich geradezu aufopferungsvoll um ihre Schützlinge kümmert.

Mit 15 Jahren das erste Eichhörnchen gefunden

Seit die gebürtige Frankfurterin im Alter von 15 Jahren das erste Eichhörnchen aufgepäppelt hat, hat sie die Liebe zu den "Hörnchen" nicht mehr losgelassen. Und seit zehn Jahren ist sie für den Verein "Eichhörnchen Notruf" nahezu täglich im Einsatz. Ihr Zuständigkeitsbereich reicht von Bonn bis Koblenz und Neuwied – und nicht selten auch weit darüber hinaus. Polizei, Feuerwehren und Tierheime rufen sie ebenso an wie Privatpersonen, die ein hilfloses Eichhörnchen gefunden haben. "Allein im vergangenen Jahr bin ich 30.000 Kilometer gefahren, um die Tiere abzuholen", klagt Schleiffer über die mangelnde Bereitschaft, ihr die Findlinge zu bringen. Die Kosten für Sprit und Nahrung belaufen sich auf bis zu 5000 Euro im Jahr – zu viel, als dass die Ausgaben von den Spenden gedeckt werden könnten. Angefangen hat sie mit 20 Tieren im Jahr, irgendwann waren es 60 und aktuell gehen gut 100 Tiere durch ihre Hände. "Die Belastungsgrenze ist längst erreicht, aber für jedes gerettete Leben hat es sich gelohnt", sagt die 37-Jährige.

In ihrer Wohnung hat sie ein eigenes Zimmer für die kleinen Waldbewohner eingerichtet. Denn es gilt den direkten Kontakt nach Möglichkeit zu vermeiden. "Sonst besteht die Gefahr, dass sie sich zu sehr auf den Menschen prägen und nicht mehr ausgewildert werden können", so die Tierretterin. Derzeit versorgt sie 18 Tiere, 48 hat sie in diesem Jahr schon ausgewildert. Dafür hat sie insgesamt vier Außenvolieren aufgebaut, meist am Waldrand. Die können die Eichhörnchen selbstständig verlassen, aber auch jederzeit wieder zurückkehren, wenn sie sich draußen noch nicht sicher genug fühlen. Eine dieser Volieren befindet sich seit diesem Jahr im Gehege der Tier- und Naturfreunde Schwanenteich in Bad Bodendorf. "Dafür bin ich sehr dankbar", freut sich Schleiffer über die Unterstützung.

Ihr Job ist allerdings nichts für Zartbesaitete: Nicht selten wurden die Tiere von Autos angefahren oder bei illegalen Baumfällaktionen schwer verletzt. Die Bandbreite reicht von gebrochenen Beinchen bis hin zur offenen Schädelfraktur. "Aber das ist kein Grund, sie einschläfern zu lassen. Die Tierchen sind unglaublich zäh, Brüche heilen innerhalb von zehn Tagen", weiß die Expertin. Bis zur 16. Lebenswoche versorgt sie ihre Schützlinge Zuhause. "Sobald sie keine Milch mehr trinken, bin ich raus. Ab der siebten, achten Woche nehme ich sie auch nicht mehr in die Hand. Dann können sie zubeißen und im Zweifel ernsthafte Wunden verursachen", so Natascha Schleiffer.

Weil der natürliche Lebensraum immer weniger wird, suchen Eichhörnchen immer häufiger die Nähe von Menschen. So bauen sie ihre Nester in Dachgiebeln, auf Balkonen oder in Blumenkübeln. Immer wieder hört man, dass Eichhörnchen Menschen hinterherlaufen und an ihnen hochklettern. "Dabei handelt es sich meist um Jungtiere, die sich in einer akuten Notsituation befinden", klärt die Heimersheimerin auf. Auch die Angst vor Tollwut sei völlig unbegründet. Seit 2008 gebe es in Deutschland keine klassische Tollwut mehr, lediglich Fledermäuse gelten als Überträger eines anderen Tollwutvirus.

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