Interview mit Bürgermeister Guido Orthen Noch zwei Jahre Bauarbeiten in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Interview | Bad Neuenahr-Ahrweiler · Guido Orthen sieht Bad Neuenahr-Ahrweiler auf gutem Weg. Der Bürgermeister weiß allerdings auch um die Schwachstellen seiner Stadt, die 2022 die Landesgartenschau ausrichtet. Überall wird gebaut, gebuddelt und gebaggert – nicht nur wegen der Laga.

 Das Inklusionshotel ist bereits im Bau. Im Hintergrund sind die Arbeiten am Bahnhofsgelände zu sehen.

Das Inklusionshotel ist bereits im Bau. Im Hintergrund sind die Arbeiten am Bahnhofsgelände zu sehen.

Foto: Martin Gausmann

Mit viel Zuversicht schaut der Bürgermeister der Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen, in die Zukunft. Die Stadt befindet sich im Umbruch und ist auf dem Weg zu einem modernen Mittelzentrum. Die Landesgartenschau 2022 ist da nur eine Zwischenetappe.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Stadt?

Guido Orthen: Die Corona-Krise ist für viele Menschen sehr herausfordernd: für Familien mit Blick auf die Kinderbetreuung, freiheitsliebende und selbige auslebende Jugendlichen oder ältere Menschen. Sie alle leiden unter der Situation. Die damit verbundenen Auswirkungen auf die Wirtschaft sowie die öffentlichen Haushalte sind zwar gravierend. Aber Weinerlichkeit und Verzagtheit haben noch nie geholfen. Wir werden diese Herausforderungen meistern, wenn wir nicht den Kopf in den Sand stecken. Ich bin davon überzeugt, dass die große Mehrzahl der Menschen in unserer Stadt das Beste aus dieser Zeit macht. Den Umständen entsprechend bin ich sehr zufrieden.

Die Bürger durchleben eine strapaziöse Zeit: Überall wird gebaut, gebuddelt und gebaggert. Und das nicht nur wegen der Landesgartenschau.

Orthen: Das stimmt. Derzeit laufen an vielen Stellen im Stadtgebiet bedeutende öffentliche und private Bauarbeiten, die oftmals mit Beeinträchtigungen einhergehen. Und wir dürfen uns darauf einstellen, dass dies in den nächsten zwei Jahren so bleibt. Doch die meisten Einwohner zeigen großes Verständnis dafür, dass dies alles geschieht, um die Stadt fit für die Zukunft zu machen.

Was ist derzeit alles in der Mache?

Orthen: Aktuell befinden sich nahezu 90 bauliche Infrastrukturprojekte in der Vorbereitung und Umsetzung. Der Lückenschluss der B 266 bei Bad Neuenahr ist geschafft, seit Mai fließt der Verkehr vom Vollanschluss über die neue Stadtzufahrt in Richtung Zentrum. Der schienengleiche Bahnübergang selbst ist bereits Geschichte, das Bahnhofquartier nimmt Form an. Dann das Projekt Aktive Stadtzentren in Bad Neuenahr und der Ausbau der Oberhutstraße in Ahrweiler und nicht zuletzt die bald beginnenden Maßnahmen in den Parkanlagen.

Wie sieht Bad Neuenahr in fünf Jahren aus?

Orthen: Sollte alles klappen, ist Bad Neuenahr-Ahrweiler in fünf Jahren eine attraktive Stadt, die neben den neuen Verkehrsbeziehungen und den dann fertiggestellten Hochbauprojekten auch über neue Kurparkliegenschaften und sanierte Parks verfügt. All dies sind wichtige Bestandteile einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Ich sehe die Stadt auf dem Weg zu einem modernen Mittelzentrum, das weithin als Tourismus- und Gesundheitsdestination anerkannt sein wird.

Liegen Sie mit der Umsetzung der Landesgartenschau-Planungen im Zeitplan?

Orthen: Es gibt viel im Vorfeld einer solchen Großveranstaltung zu tun. Und hier geht es nicht nur um die sechsmonatige Veranstaltung, sondern um das gesamte Stadterneuerungs- und Modernisierungsprojekt. Wir kommen bei vielen Einzelprojekten immer mehr in die Realisierungsphase. Ich bin beim gegenwärtigen Stand der Planungen guter Hoffnung, dass die Vorhaben, die auf der Agenda stehen, realisiert werden. Gut voran kommen neben all den städtischen Projekten auch die privaten Vorhaben. Ein Beispiel dafür ist das Inklusionshotel am Bahnhof Bad Neuenahr. Dort laufen die Arbeiten auf Hochtouren.

Gab es im Rathaus die Überlegung, die Laga wegen der Corona-Pandemie zu verschieben?

Orthen: Für die Stadtverwaltung war es bei all den Bekämpfungsverordnungen, die seit Beginn der Pandemie vom Land erlassen wurden, das oberste Gebot, diese Regelungen umzusetzen. All diesen Aufgaben, die auf die Kommunen zukamen – und dabei oftmals täglich wechselten –, mussten auch wir uns mit einem hohen Maß an Flexibilität immer wieder aufs Neue stellen. Wie für alle, die in diesen Zeiten Entscheidungen zu treffen haben, ist es immer noch schwierig, die Folgen der Pandemie einzuschätzen. Auch bei der Frage, ob und inwieweit in zwei Jahren eine Landesgartenschau durchführbar ist, galt es zunächst, die Ruhe zu bewahren. Das haben wir gemacht. Die Laga soll – Stand heute – wie geplant am 20. April 2022 ihre Pforten öffnen.

Die Gartenschau-Pläne stießen im Bewerbungsverfahren auf große Resonanz. Nicht umsonst hat die Stadt den Zuschlag bekommen. Zwischen Plan und Realität gibt es jedoch oftmals Unterschiede. Es müssen Abstriche gemacht werden....

Orthen: Ja. Aber wir sind weiterhin zuversichtlich, dass die meisten Projekte, angefangen vom Eingangsbereich im Osten beim Apollinarisstadion über all die Parks im Ahrbereich bis hin zum Ahrtor und den Ahrweiler Wallanlagen im Westen realisiert werden. Klar, wir haben auch feststellen müssen, dass nicht alles, was ursprünglich auf unserer Liste stand, verwirklicht werden kann.

Was wird denn gestrichen?

Orthen: So wird bekanntermaßen die Neubebauung der Kurparkliegenschaften erst nach der Laga beginnen. Wohl nicht mehr realisiert wird vor der Gartenschau das Entreegebäude am östlichen Stadteingang. Bisher haben sich keine Investoren mit akzeptablen Lösungen gefunden. Auch haben wir den Umbau des Rosengartens herausnehmen müssen. Ein anderes Beispiel ist das Westend-Areal, da uns die Bundeswehr doch länger erhalten bleibt. Bei der Erstellung unserer Laga-Bewerbung waren wir davon ausgegangen, dort eine Konversionsfläche vorzufinden, die wir zur wohnbaulichen Nutzung mit Einzelhandel umgestalten. Aber nichtsdestotrotz wird der Geist der Gartenschaubewerbung umgesetzt, der in der Stadt verankert bleibt.

Wenig erfreulich ist der Umstand, dass es zur Laga keine Konzerthalle geben wird. Statt einer Bebauung gibt es die gähnende Leere einer Freifläche am Kurgarten. Wie unglücklich sind Sie mit der Situation?

Orthen: Gerade in den Zeiten der Corona-Krise haben wir doch aufgezeigt bekommen, wie schnell sich die Dinge ändern können. Umdenken und Einstellen auf neue Gegebenheiten und somit Flexibilität ist auch beim planerischen Handeln im Kurpark gefragt. Gerne hätten wir hier zur Laga neue Liegenschaften präsentiert, in denen auch Veranstaltungen stattgefunden hätten. Aus den geänderten Voraussetzungen wollen wir trotzdem etwas Gutes machen. Die freigewordene Fläche im Kurpark wird während der Gartenschau als attraktiver Ausstellungsbereich genutzt. Von einer „gähnenden Leere“ wird dann keine Rede sein.

In der Hotellandschaft gibt es Veränderungen. Das Hotel „Goldener Anker“ hat nach 150 Jahren geschlossen. Angeblich sollte dort ein neues Hotel mit 200 Betten sowie angeschlossener Wohnbebauung errichtet werden. Davon merkt man nichts. Fehlen zur Landesgartenschau Bettenkapazitäten?

Orthen: Da uns kein Bauantrag für das Areal vorliegt, kann ich mich derzeit auch nicht dazu äußern, was dort bis zur Laga in punkto Hotel noch geschieht. Ganz anders gestaltet sich glücklicherweise die Situation am Bahnhof: Dort nutzt die Stadt die Chance, ein Inklusionshotel mit 72 Zimmern und 138 Betten anzusiedeln. Sollte das Haus wie geplant im Herbst 2021 fertig sein, könnte sich zur Landesgartenschau bereits ein eingespieltes Team um die Gäste kümmern.

Reicht denn dieses Plus an Bettenkapazität?

Orthen: Ein solches Plus an Bettenkapazitäten ist notwendig, nicht nur wegen der Gartenschau. Die Stadt braucht nicht nur ein neues Hotel. Uns ist daran gelegen, künftig weitere Kapazitäten zu schaffen. Das ist für die Entwicklung unserer touristischen Attraktivität von großer Bedeutung.

Auch in der unmittelbaren Innenstadt befindet sich eine Freifläche, die von städtebaulicher Bedeutung ist: das Vornberger Grundstück. Uns bestätigte ein Discounter, er wolle sich dort niederlassen, dann wird plötzlich eine Wohnbebauung ins Spiel gebracht, dann heißt es, der Investor sei pleite. Wie ist hier der Sachstand?

Orthen: Das ist – wie auch das Thema „Goldener Anker“ – ein Ärgernis. Und so langsam reißt auch mir bei diesen beiden Projekten der Geduldsfaden. Aber die Grundstücke gehören Privaten, daher ist unsere Einflusssphäre sehr gering.

Bemerkenswert ist das Vorhaben nahe der Piuswiese. Dort sollen unter besonderen ökologischen Gesichtspunkten Wohnhäuser gebaut werden. Wann geht es los?

Orthen: Der Startschuss für den Bau dieses innovativen Wohnquartiers soll in der zweiten Jahreshälfte erfolgen. Der Bauträger will an der Ahr auf einer Fläche von rund 5300 Quadratmetern sechs Einfamilienhäuser und zwei Mehrfamilienhäuser mit je acht Wohnungen in Holzbauweise errichten. Die Bauanträge für die beiden Mehrfamilienhäuser befinden sich in der abschließenden Bearbeitung. Die Anträge zum Bau der Einfamilienhäuser liegen vor. Bis zur Laga könnten die Häuser stehen.

An der Osteinfahrt, wie auch an vielen anderen Stellen, entstehen derzeit zahlreiche weitere Eigentumswohnungen. Hat der Mietwohnungsbau in dieser Stadt eigentlich gar keine Chance mehr?

Orthen: Grundsätzlich ist Mietwohnungsbau ein Problem in allen wachsenden Städten, das vor Ort nicht gelöst werden kann. Wir können als Kommune mit unserem Baulandmanagement aber dazu beitragen, relativ schnell neues Bauland zu entwickeln, wie wir das auch getan haben. Mit der Baulandmobilisierung für den Einfamilienhausbau verfolgen wir auch das Ziel, aus Mietern Eigentümer zu machen. Dies hat oftmals den Effekt, dass dann die neuen Bauherren meist eine Mietwohnung frei geben. Außerdem: Mit der Entwicklung des „Stadtquartiers Pius-Straße“ entsteht das wohl größte Mietwohnungsprojekt der vergangenen 30 Jahre in unserer Stadt. Wir wollen bezahlbaren Wohnraum für Menschen schaffen, die einen Bezug zur Kreisstadt haben, die also hier arbeiten oder bereits hier wohnen. Hier sollen mehrere Mehrparteienhäuser entstehen, die zusammen mit attraktiven Freiflächen ein neues Stadtquartier bilden. Die Wohnungen sollen zu 100 Prozent vermietet werden. Insgesamt könnte hier Wohnraum für etwa 250 Menschen geschaffen werden. Wir gehen davon aus, dass im nächsten Jahr auch mit dem Bau begonnen werden kann.

Der städtische Haushalt wird ziemlich in Mitleidenschaft gezogen: Hohe Investitionen stehen an, erhebliche Einnahmeausfälle sind als Corona-Folge zu verzeichnen. Was heißt das für die Landesgartenschau und die Stadtplanung?

Orthen: Die finanziellen Auswirkungen werden Nachwirkungen für die kommenden Jahre haben. Denn es bleibt mein politisches Ziel, den konsumtiven Haushalt so schnell wie möglich wieder ausgeglichen vorzulegen. Dass wir aktuell für die großen Investitionen auch investive Schulden machen, halte ich für vertretbar. Dabei helfen uns die niedrigen Kreditzinsen erheblich. Mit Blick auf die Laga sind wir froh, dass wir mit erheblichen Zuschüssen unterstützt werden. Grundsätzlich müssen aber in Zeiten einer schwierigen Haushaltslage sowohl konsumtive Ausgaben als auch Investitionsvorhaben überprüft werden.

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