Wirtschaft im Kreis Ahrweiler Professor Stefan Sell spricht bei der Mittelstandsunion

Kreis Ahrweiler · Denkanstöße gab Sozialwissenschaftler Stefan Sell beim Empfang der Mittelstands- und Wirtschaftsunion des Kreises Ahrweiler. Thema der Zukunft werde statt Vereinbarkeit von Beruf und Familie die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sein, so der Professor am Remagener Rhein-Ahr-Campus.

 Empfang der Mittelstands- und Wirtschaftsunion im Kloster Marienthal: Josef Niethen (3.v.l.) versorgt den Vorstand sowie die Gastreder Gereon Haumann (2.v.r. und Stefan Sell (3.v.r.) mit Losen der Benefiz-Tombola.

Empfang der Mittelstands- und Wirtschaftsunion im Kloster Marienthal: Josef Niethen (3.v.l.) versorgt den Vorstand sowie die Gastreder Gereon Haumann (2.v.r. und Stefan Sell (3.v.r.) mit Losen der Benefiz-Tombola.

Foto: Martin Gausmann

Wenn Professor Stefan Sell etwas sagt, dann meint er es auch so. Und so regte sein Konter auf die Aussage von Gereon Haumann, Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU, beim Empfang von deren Kreisgruppe im Kloster Marienthal am Donnerstagabend zum Nachdenken an. Denn Haumann hatte die Christdemokraten zum „Bekämpfen von Grünen und AfD“ aufgerufen.

Davon hielt Sozialwissenschaftler Sell gar nichts. Sein Tipp mit Blick auf die Bundestagswahl 2021: „Bekämpfen sie die Grünen nicht, sondern bereiten sie sich auf eine gemeinsame Regierung vor.“ Sell war Hauptredner des Empfangs der MIT-Kreisgruppe um Elmar Lersch und widmete sich der Bedeutung der gesellschaftspolitischen Entwicklung für den Mittelstand. Und machte als Mitglied der Babyboomer-Generation gleich auf einen Paradigmenwechsel aufmerksam: „Seit Ende der 90er Jahre dreht sich alles um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“ Thema der Zukunft werde jedoch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sein. Im Klartext: „Die Generation Babyboomer geht in zehn bis 15 Jahren in den Ruhestand, es gibt aber zu wenig junge Leute.“ 30.000 Kinder seien 2019 in Rheinland-Pfalz geboren worden, 1965 waren es noch 64.000.

Zahlen, die sich auch auf die Unternehmen auswirken. Der Nachwuchsmangel bei Handwerkern und Facharbeitern habe seine Ursache darin, dass aktuell mehr als 60 Prozent eines Jahrgangs nach der Schule die Universitäten und Hochschulen stürmten. „Ich sehe das jeden Tag in Remagen“, so Sell, der nur einen Ausweg aus der Misere sieht: Die Berufsausbildung müsse attraktiver gemacht werden, es müsse sich finanziell in der Lehre und später auch im Job lohnen, sich nicht für ein Studium entschieden zu haben.

Die Diskussion um die Erhöhung des Mindestlohns im unteren Euro-Bereich nannte Sell in Richtung der versammelten Unternehmer ganz deutlich „Pillepalle“, denn „wenn sich beim Lohn nichts tut, wird sich das Problem der Berufswahl bei jungen Leuten nicht lösen“. Und daher gab er den Wirtschaftsvertretern schon mal vorsorglich den Rat: „Stellen sie sich gut mit ihrem Handwerker, in der Hoffnung, dass der mit 70 bei Ihnen noch mit dem Rollator vorbeikommt, um zu reparieren.“

Sell bezeichnete Themen wie Pflegenotstand und Ärztemangel auf dem Land ebenso als gesellschaftspolitische Herausforderungen wie die Preisgestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Themen, wo’s nicht rund läuft.

Rund läuft es zumindest im Kreis Ahrweiler, fand Lersch: „Laut Bericht der Industrie- und Handelskammer zählt unser Kreis mit seinen mehr als 7000 Unternehmen zu den wirtschaftlich stärksten in Rheinland-Pfalz.“ In Richtung der AW-Unternehmen anerkannte er, dass diese „bei Innovationen ihre Mitarbeiter mitnehmen, weil sie wissen, dass die Zukunft der Betriebe und deren Modernisierung ganz entscheidend von den Mitarbeitern abhängt“.

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