Ministerpräsidentin Dreyer besucht Flutgebiet Radiologie-Praxis eröffnet im früheren Bad Neuenahrer Casino

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Landeswirtschaftsministerin Daniela Schmitt haben Bad Neuenahr und Walporzheim besucht und sich über Fortschritte beim Aufbau nach der Flut informiert.

Im Badehaus-Foyer: Cornelia Weigand (2.v.l.), Hans-Joachim Brogsitter (3.v.l.), Malu Dreyer und Gerd Bungarten (5.v.l.) informieren sich über den Baufortschritt.

Im Badehaus-Foyer: Cornelia Weigand (2.v.l.), Hans-Joachim Brogsitter (3.v.l.), Malu Dreyer und Gerd Bungarten (5.v.l.) informieren sich über den Baufortschritt.

Foto: ahr-foto

„Ich bin wirklich sehr beeindruckt“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und ließ ihren Blick über die neugestalteten Räume in der früheren Spielbank von Bad Neuenahr schweifen. Dort, wo vor der Flut bunte Jetons auf Zahlen und Felder gesetzt, am Pokertisch Royal Flushs und Full Houses gelegt wurden, stehen nun Gerätschaften für Magnetresonanztomographie, Gelenk- oder Schmerztherapie, medizinische Diagnostik und Nuklearmedizin. Im ehemaligen Spielcasino hat eine Radiologie Einzug gehalten, die Räume haben nach der verheerenden Flutwelle eine neue Verwendung gefunden, nachdem die Casinobetreiber erklärt hatten, den Spielbetrieb nicht wieder am alten Standort aufzunehmen.

Dreyer besuchte in der Kreisstadt die Liegenschaften von Unternehmer Hans-Joachim Brogsitter, zu denen die Spielbank ebenso gehört wie das Kurhaus, das Steigenberger Hotel, das Thermalbadehaus und das benachbarte Parkhaus. Alle Gebäude wurden zerstört und befinden sich im Wiederaufbau.

Gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) und Landrätin Cornelia Weigand (parteilos) verschaffte sich Dreyer im Kurviertel einen Überblick. Dann zog der Tross weiter nach Walporzheim, wo Brogsitter das traditionsreiche Restaurant Sanct Peter in unmittelbarer Ahr-Nähe betreibt. Auch dieses historische Gebäude musste kernsaniert und in Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden restauriert werden. „Von 1246 bis 1805 war das heutige Nobel-Restaurant Hof- und Weingut des Kölner Domstifts, genannt ‘Perle des Domschatzes’, da die Domherren zu Köln vorzüglichen Wein aus den berühmten Lagen des Gutes so sehr schätzten“, heißt es in der Chronik des Hauses. Heute besitzt die seit über 400 Jahren in Deutschland Weinbau betreibende Winzerfamilie Brogsitter das Weingut und das vielfach ausgezeichnete und mit Sternen versehene Gasthaus, das zu den 100 besten Restaurants Deutschlands zählt. Das mit riesigem Aufwand wiederhergestellte Haus mit seinem reibungslos funktionierenden Qualitätsbetrieb und seinem stilvollen Interieur hinterließ Eindruck beim Besuch aus Mainz.

Malu Dreyer besucht den Helfer-Stab und unterhät slch mit Missy Motown (r.). Mit dabei: Landrätin Cornelia Weigand (M.).

Malu Dreyer besucht den Helfer-Stab und unterhät slch mit Missy Motown (r.). Mit dabei: Landrätin Cornelia Weigand (M.).

Foto: ahr-foto

Doch die Besucherinnen hatten zunächst – ohne Öffentlichkeit – in einem Container an der Bad Neuenahrer Kurgartenstraße das Gespräch mit Missy Motown (bürgerlich: Nicole Schober) vom Helferstab gesucht. Agnes Wirz war eine der ersten, die Dreyer im Kurviertel begrüßte. „Jetzt muss ich doch mal Guten Tag sagen“, meinte die 92-Jährige, die am Dienstag Geburtstag feiert. 5000 Kindern hat die ehemalige Hebamme zum ersten Blick auf das Licht der Welt verholfen. Auch wenn Wirz – selbst von der Flut massiv betroffen – nur vorübereilende Passantin war: Das kurze Gespräch mit Dreyer war schon etwas Besonderes für sie.

Heppingens Ortsvorsteher Klaus Kniel wies darauf hin, dass es an zahlreichen Stellen beim Wiederaufbau noch viele Haken und Ösen gebe. Auch sei die psychische Belastung der Menschen im Ahrtal nach wie vor groß. Das konnte der aus Dernau angereiste Bürgermeister Alfred Sebastian nur unterschreiben: In Dernau wurden von rund 640 Gebäuden 580 zerstört oder stark beschädigt. Gemeinsam mit Hans-Joachim und Iris Brogsitter sowie Architekt Gerd Bungarten ging es durch das Thermal-Badehaus mit seinen inzwischen abgerissenen Seitenflügeln zur großen Baustellen-Besichtigung. Im Visier hatte die Gruppe jene Gebäude, die das Kurviertel prägen: das Steigenberger Hotel und das Kurhaus mit seinem ehemaligen Spielcasino-Flügel und dem früheren Gartensaal mit dem angeschlossenen ehemaligen Pelz- und Juwelengeschäft des schillernden Alfredo Pauly. In allen Bereichen der Brogsitter-Gebäude wird fieberhaft gearbeitet. Das Kurhaus hofft man im nächsten Jahr wieder eröffnen zu können, das Steigenberger Hotel, dessen Parterre aktuell mehr einem Rohbau gleicht, soll zum Jahresende 2023 wieder seinen Betrieb aufnehmen (der GA berichtete).

„Toll, wie Sie hier alles wieder aufgebaut haben“, schwärmten Dreyer und Schmitt im Casino übereinstimmend, als man sie in der neuen radiologischen Praxis begrüßte. „Die Fertigstellung Ihrer Bauten im Kurviertel wird ein Meilenstein beim Wiederaufbau der Region sein“, sagte Dreyer an Hans-Joachim Brogsitter gewandt.

Wie sehr er sich offenkundig dieser Verantwortung verpflichtet fühlt, zeigt eindrucksvoll die Wiederherstellung der Ex-Spielbank: Das völlig zerstörte Innenleben des denkmalgeschützten Hauses ist nach neuestem Standard neu aufgebaut worden. „Leider haben wir das Casino verloren, doch wir haben diese Radiologie gewonnen“, sagte Brogsitter mit Blick auf die moderne Einrichtung und den medizinischen High-Tech-Gerätepark. Dreyer abschließend: „Ich bin zuversichtlich und sicher, dass hier alles gelingt und gut wird.“

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