Analyse zur Hochwasserkatastrophe veröffentlicht Autorenteam begibt sich auf Spurensuche im Flutgebiet

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Ein fünfköpfiges Autorenteam folgt den „Spuren der Flut“ im Ahrtal. Die chronologische Aufarbeitung der Ereignisse stützt sich auf historische Forschungsergebnisse, rekapituliert die Ursachen und thematisiert Defizite beim Wiederaufbau.

 Stellen im AhrWeinForum in Ahrweiler ihre Flutchronik vor: (v.l.) Winfried Sander, Thomas Roggenkamp, Jürgen Haffke, Wolfgang Büchs und Andreas Schmickler

Stellen im AhrWeinForum in Ahrweiler ihre Flutchronik vor: (v.l.) Winfried Sander, Thomas Roggenkamp, Jürgen Haffke, Wolfgang Büchs und Andreas Schmickler

Foto: ahr-foto

Was können wir aus der Flutkatastrophe vom Juli 2021 lernen – für den Wiederaufbau im Ahrtal, für die Wiederherstellung des Flussbetts der Ahr, für den Hochwasserschutz? Das sind die Hauptfragen, denen der ab sofort im Buchhandel erhältliche Band „Spuren der Flut im Ahrtal - Dokumentation, Analyse, Perspektiven“ nachgeht. Die fünf Autoren stellten ihn im vollbesetzten AhrWeinForum in Ahrweiler vor. „Ein Wiederaufbau als wäre nichts gewesen?“ Das dürfe auf keinen Fall die Antwort sein, so fasste es Co-Autor Winfried Sander, ehemaliger Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Ahrweiler, zusammen. Denn das nächste Hochwasser komme bestimmt, und die wichtigste Maxime beim Wiederaufbau müsse jetzt sein, Verluste und Schäden so weit wie möglich zu verringern.

Buch arbeitet die Flut chronologisch auf

Auch die übrigen Autoren sind langjährige Kenner des Ahrtals: der Biologe Wolfgang Büchs etwa, der sich jahrelang mit dem Langfigtal beschäftigt hat, der aus Bad Bodendorf stammende Historische Geograf Jürgen Haffke, der Geograf Thomas Roggenkamp sowie der Luftbildarchäologe und Grafiker Andreas Schmickler. Zusammen mit Haffke veröffentlichte der Kirchdauner bereits „Faszinierende Aussichten – Das Ahrtal von oben“. Wobei die nun vorgestellte Neuerscheinung fast wie eine Fortsetzung dieses 2015 erschienenen Bildbandes erscheint.

Das opulent bebilderte Buch beginnt mit einer von Haffke zusammengestellten Chronologie der Flut und der Tage zuvor unter dem Titel: „Von unterschätzen Warnungen bis zur Katastrophe“. Den weitaus größten Raum nimmt die darauffolgende „Schadensbilanz in Bild und Text“ ein, die Andreas Schmickler und Jürgen Haffke gemeinsam ziehen. Im Quellort Blankenheim beginnend, erstreckt sie sich über mehr als 220 Seiten an den Hotspots der Flut entlang bis zur Mündung in den Rhein unterhalb von Sinzig. Die Vielzahl von historischen und aktuellen Fotos, von Grafiken, Tabellen und Landkarten, die dieses Kapitel illustrieren, veranschaulichen dabei eindrucksvoll das ganze Ausmaß der Katastrophe.

Historische Hochwasserforschung liefert Erkenntnisse

Dann folgen Beiträge, die nach den Ursachen der Flut fragen und nach den Folgerungen, die aus ihr gezogen werden sollten. Wilfried Sander beschäftigt sich dazu mit der zwischen Dümpelfeld und Insul an der Ahr stehenden Hahnensteiner Mühle, die im Laufe der Jahrhunderte so manches Hochwasser erlebt hat, und mit der nur wenige Hundert Meter ahrabwärts, unterhalb von Dümpelfeld, liegenden Einmündung des Adenauer Bachs. Jürgen Haffke macht deutlich, dass historische. Hochwasserforschung nicht müßig ist, sondern wertvolle Erkenntnisse zur Erklärung der Juli-Flut und für den Wiederaufbau des Tales mit seinem “unglaublich dynamischen” und “erschreckend lebendigen” Flüsschen Ahr mit seinem “massiv wechselnden Flusslauf” liefern kann.

Unter dem Titel „Hochwasserrückhaltebecken, Gewinnung elektrischer Energie, Freizeitspaß“ stellt Wolfgang Büchs dann historische Pläne für den Hochwasserschutz an der Ahr vor. Wobei den meisten zu wünschen ist, dass sie niemals Wirklichkeit werden. Entwürfe für eine Talsperre im Trierbachtal zeigt dieses Kapitel ebenso wie Zeichnungen für die einst geplante Kreuzberg-Talsperre mit Staumauern am unteren Ende des Sahrbachtals, die den Betrachter erschauern lassen. Die Staubecken sollten 35 Millionen Kubikmeter Wasser im Sahrbachtal und weitere 15 Millionen Kubikmeter im Vischeltal fassen, wobei die Staumauern 50 Meter hoch und 225 Meter (Sahrbachtal) beziehungsweise 200 Meter (Vischeltal) breit werden sollten.

In einem weiteren Kapitel kritisiert Büchs die „sekundäre Zerstörung“, die das Flussbett bei den „Baggerorgien“ hinnehmen musste, die auf die Katastrophe folgten. Die ökologisch hochwertige und touristisch attraktive Flusslandschaft sei „mit Hilfe von Baggern, Planierraupen und Muldenkippern umgepflügt“ worden, heißt es denn auch im gemeinsamen Fazit der Autoren. Erdmassen wurden „verfrachtet, durchgerüttelt, gesiebt und nach im Bauwesen üblichen Standardmaßen verändert“. Erfahrungswissen und Sachkenntnis in Sachen Hochwasserschutz hingegen seien bei der Landschaftsgestaltung nach der Flut ebenso zu kurz gekommen wie ökologische Aspekte. Dabei habe die Ahr mit dem Hochwasser doch „deutlich gezeigt, wo und wie sie fließen will und welchen Raum sie benötigt“.

„Spuren der Flut im Ahrtal 2021 - Dokumentation, Analyse, Perspektiven“, Odenthal: Verlag Landschaft und Geschichte 2022, 352 Seiten, ISBN 978-3-00-073039-9

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