Tag der offenen Weinkeller Ahr-Winzer freuen sich über tollen Start ins Weinjahr 2023

Ahrtal · Nach fünf Jahren Pause luden die Winzer an der Ahr erstmals wieder zum Tag der offenen Weinkeller. 1600 Gäste kamen. Die erste derartige Veranstaltung nach der Flut war damit ausverkauft - sehr zur Freude der Winzer.

Beim Weingut Max Schell in Rech lassen sich die Gäste die edlen Tropfen schmecken.

Beim Weingut Max Schell in Rech lassen sich die Gäste die edlen Tropfen schmecken.

Foto: AHR-FOTO

Der Tag der offenen Weinkeller am Samstag war mit 1600 Teilnehmern ausverkauft. Tags zuvor war das Ahr-Wine-Tasting im Kurpark mit 350 Gästen ebenfalls ausverkauft. Besser hätte der Start in das Weinjahr 2023 für die Winzer an der Ahr kaum laufen können. Die konnten sich den ganzen Samstag nicht nur über volle Höfe und Keller freuen, sondern auch über ein entspanntes Publikum. „Viele Leute, nette Leute, junge Leute und wissbegierige Leute“ konnte der Hemmesser Winzer Peter Lingen begrüßen. Der musste sich am Samstagmittag erst einmal mitten in seinem im Wiederaufbau befindlichen Rohbau setzen und kräftig durchatmen. „Hier ist was los! Die Leute kommen vom Westerwald, aus dem Siegerland, aus ganz Nordrhein-Westfalen,“ hatte Lingen in vielen Gesprächen festgestellt.

Nicht wenige waren erstmals an der Ahr. So, wie Marie, Sabine und Sofia aus Bonn. Alle drei Mitte 20 wollten sie schon Freitag beim Ahr-Wine-Tasting sein, hatten aber kein Ticket mehr ergattern können. „Dann eben am Samstag“, wurde kurzfristig umdisponiert und sich brav für einen Schluck Rotwein direkt aus dem Fass beim Winzer angestellt. „Eigentlich trinke ich lieber Blanc de Noir, aber heute hatten wir bislang irgendwie nur Rotwein“, stellte Marie fest. „Der Blanc wird ja auch aus roten Trauben gemacht,“ entgegnete Lingen und freute sich über die vielen Menschen in seinem bunt illuminierten Weinkeller.

Auch der Hof war voll, vom Grill dufteten Steaks und Würstchen. Alle 17 Minuten hielt in der Nähe einer der sieben Shuttlebusse und brachte neue Weinfreunde in das kleine Weingut, in dem angesichts des Rohbauzustands auch noch viel über die Flut und ihre Folgen gesprochen wurde. „Zwei Meter 80 über dem Keller, und das Wasser kam 250 Meter weg von der Ahr von allen Seiten?“, konnte es ein Besucher aus Köln gar nicht glauben. „Ja, hier war der Fluss in der Spitzenzeit 1,2 Kilometer breit, rief Lingen erstaunte und erschrockene Gesichter hervor.

Tag der Offenen Weinkeller: Thema „Wein“ statt Thema „Flut“

Dass jedoch insgesamt die Gespräche über die Flut weniger und das Thema „Wein“ wieder in Vordergrund gerückt wird, freute den Recher Winzer Wolfgang Schulze-Icking vom Weingut Max Schell. „Wenn wir auf die Katastrophe angesprochen werden, zeigen wir den Gästen Fotoalben mit den Bildern.“ Aber das passiere nicht mehr so oft wie noch bei den Besuchen im Winter.

Auch Schulze-Icking hatte am Samstag alle Hände voll zu tun. „Ich schätze, dass locker schon 600 Leute hier waren und es ist gerade erste 15.30 Uhr“, freute sich der Winzer am Nachmittag und hoffte auf eine nachhaltige Veranstaltung. „Ich denke, viele der Besucher kommen wieder“, glaubte er an kommende Umsätze durch den Tag der offenen Weinkeller. Die Veranstaltung habe es ja fünf Jahre lang nicht gegeben. Dass viele der Besucher neue Gäste im Tal waren, freute Schulze-Icking ganz besonders. „Die wollten alles wissen, warum der Frühburgunder so heißt oder was ein Barrique-Fass ist. Es wurde alles erklärt und erläutert. Jeder Gast durfte bei jedem der teilnehmenden zwölf Betriebe zwischen Bad Neuenahr und Mayschoß drei Gläser Wein testen. Bei Max Schell gab es, anders als bei anderen Teilnehmern, keine Eingrenzung auf bestimmte Weine. „Alle Weine sind zum Testen da und die Gäste wissen das zu schätzen“, hatte der Winzer festgestellt.

Auch bei den „Jungwinzern next generation“ war es brechend voll. Felix Brüggert bemerkte, dass die Gäste nicht nur zum Verkosten da sind: „Die Menschen wollen etwas sehen, sie sind froh, wenn sich in den Betrieben irgendwas bewegt.“ Beim Winzernachwuchs gab es nicht nur „Revoluzzer Weine“ zu probieren, sondern auch Sekt und natürlich klassische Rot-, Weiß- oder Roséweine.

Die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr wurde förmlich überlaufen. „Wir haben schon vor elf Uhr die Tore aufgemacht“, berichtete Kellermeisterin Astrid Rickert, die eine vierstellige Besucherzahl vermutete. „Der Besucherstrom reißt nicht ab“, berichtete sie am Nachmittag. Die Menschen schauten sich die riesigen Tanks an und nahmen einen Schnupperkurs in der Aromabar.

Fragen zur Flutkatastrophe beantwortet

Nebenan konnten sie beim Abpacken des Weins zuschauen und immer wieder Fragen stellen. Dass die Neubaupläne aushingen, entging den meisten. Dafür sorgte wohl auch der Blick auf Abrisshäuser gleich neben der Shuttlebus-Haltestelle, die den Gästen die Flutkatastrophe noch einmal vor Augen führten. „Wir haben ja im Augenblick keine Empfangsräume, aber die Menschen sind vom Blick hinter die Kulissen begeistert,“ so Rickert. Ins Glas ließe man sich in erster Linie „unkomplizierte Weine“ gießen. „Der Sommer kommt, da ist Easy Drinking angesagt, so die Kellermeisterin.

Kein Wunder, dass der Vorsitzende des Ahrwein e.V., Peter Kriechel, am Ende hochzufrieden war. In seinem Walporzheimer Weingut überwog in der Gästestruktur die Altersklasse ab 35. Auch bei ihm sieht man im Keller noch die Flutschäden, in eben diesem Keller wurden explizit Fragen über die Katastrophe, die Folgen oder die Auszahlungen aus dem Hilfsfond beantwortet. Ein Stockwerk höher hatten Kriechels Mitarbeiter derweil aus Paletten eine kleine Bühne zusammengezimmert, von der aus am Abend erst Paul Radau und dann Christian Morgenschweiß für die musikalische Unterhaltung sorgten. Mittendrin tanzten dazu jede Menge Weinköniginnen und von der Ahr.

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