Ausschuss zur Flut an der Ahr Mitarbeiter bezeichnet Ex-Landrat Pföhler als „ungewöhnlich fahrig“

Mainz/Bad Neuenahr-Ahrweiler · Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe an der Ahr hat jetzt den einst engsten Mitarbeiter von Ex-Landrat Jürgen Pföhler befragt. In der Flutkatastrophe habe er Pföhler „nicht wiedererkannt“, sagte der Mann. Der Landrat sei „ungewöhnlich fahrig“ gewesen.

 „Ich habe den Mann nicht wiedererkannt“, sagte jetzt ein ehemaliger Mitarbeiter von Jürgen Pföhler im Untersuchungsausschuss zur Flut über den Ex-Landrat. Pföhler selbst muss am 8. Juli in den Ausschuss.

„Ich habe den Mann nicht wiedererkannt“, sagte jetzt ein ehemaliger Mitarbeiter von Jürgen Pföhler im Untersuchungsausschuss zur Flut über den Ex-Landrat. Pföhler selbst muss am 8. Juli in den Ausschuss.

Foto: dpa/Thomas Frey

Landrätin Cornelia Weigand hat vor wenigen Wochen vor dem Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe an der Ahr davon gesprochen, dass Erich Seul „der innere Arm“ ihres Vorgängers Jürgen Pföhler in der Ahrweiler Kreisverwaltung gewesen sei. Um 15.45 Uhr an diesem Freitagnachmittag nimmt eben jener Erich Seul, 56 Jahre alt und Leiter des Fachbereichs 1 des Kreises, auf dem Zeugenstuhl im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags Platz. Er soll berichten, wie die Kommunikation mit Pföhler abgelaufen ist, der bekanntlich die Führung der Technischen Einsatzleitung (TEL) an den Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) Michael Zimmermann abgegeben hatte und in der Flutnacht dort kaum zugegen war. Gegen beide ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen.

Seul spricht von einem „sehr intensiven Arbeitsverhältnis“ mit Pföhler und beschreibt ihn als „normalerweise sehr präzisen Mann“. Stets habe er schnell und stringent Entscheidungen getroffen. In der Corona-Krise sei er bei den Maskenbestellungen vorne dran gewesen und habe vor vielen anderen Kreisen ein Impfzentrum eingerichtet. Von dieser Entscheidungsfreude sei am 14. Juli hingegen nichts mehr zu spüren gewesen. „Ich habe den Mann nicht wiedererkannt.“

„Warum war Pföhler denn nicht im Kreishaus?“

Er sei ungewöhnlich fahrig gewesen, kurz nach Telefonaten habe er schon wieder angerufen und erneut etwas gefragt. „Das kannte ich von ihm nicht.“ Seul erzählt davon, dass Pföhler von seinem Haus gesprochen habe, das direkt an der Ahr liege. „Er war sehr betroffen.“ 17 Telefonate oder Anrufversuche sind bei den Telefonanbietern zwischen Seul und Pföhler vom späten Mittag bis nach Mitternacht registriert worden.

Der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD) stellt die Frage, die im Raum steht: „Warum war Pföhler denn nicht im Kreishaus?“ Das wisse er nicht, sagt Seul. Offenbar war der Landrat an dem Abend nur gegen 19.30 Uhr, als Innenminister Roger Lewentz (SPD) die TEL besuchte, kurz im Kreishaus. Überhaupt gibt sich Pföhlers engster Mitarbeiter im Ausschuss ziemlich wortkarg. Wer denn die Einrichtung der TEL veranlasst habe, der Landrat oder Zimmermann, wird er gefragt. Das wisse er nicht. Ob Pföhler von den hohen Pegelprognosen gewusst habe? Keine Ahnung. Wer denn am späten Abend entschieden habe, den Katastrophenfall auszurufen, wisse er ebenfalls nicht.

Verbindungsmann in der Flutkatastrophe

Seul war zuweilen so etwas wie ein Verbindungsmann zwischen Zimmermann und Pföhler. So berichtet er, dass der Landrat auf seinem Handy angerufen habe, wenn er den BKI sprechen wollte. Denn in der Einsatzzentrale neben der Tiefgarage des Kreishauses habe es ja kaum Mobilfunkempfang gegeben. Dann sei er von seinem Büro nach unten gegangen und habe Zimmermann das Handy weitergereicht, der dann aus der TEL rausgegangen sei, um mit Pföhler zu telefonieren. Aber am Abend habe doch noch das Festnetz funktioniert, wirft ein Mitglied des Untersuchungsausschusses ein. Warum Pföhler denn dann nicht direkt bei Zimmermann in der TEL angerufen habe. Das wisse er nicht, so der 56-Jährige.

Ob er denn an dem Abend das Gefühl gehabt habe, es sei besser, wenn der Landrat da wäre? „Wir haben eine sehr kompetente TEL“, meint Seul und fügt hinzu, jeder müsse für sich beurteilen, was er mache. „Ich habe mich entschieden, dazubleiben.“ Und er berichtet von Entscheidungen am späten Abend und in der Nacht, die Schulen am nächsten Tag geschlossen zu halten und die Mitarbeiter in der Verwaltung zu bitten, im Homeoffice zu bleiben. Seinen für das Personal zuständigen Mitarbeiter habe er gegen 3 oder 4 Uhr am frühen Morgen aufgefordert, zur Kreisverwaltung zu kommen, damit er selbst nach Hause fahren könne. Das Ausmaß der Katastrophe mit 134 Toten und Hunderten Verletzten sei ihm an dem Abend nicht klar gewesen. „Aber es war allen klar, dass es etwas sehr Großes ist, was da passiert.“

Seul widerspricht Weigand

Seul widerspricht aber auch der Aussage der ehemaligen Altenahrer Verbandsgemeindebürgermeisterin Weigand vehement, die vor vier Wochen im Ausschuss erklärt hat, sie habe angesichts der Hochwasserprognose von mehr als fünf Metern Pföhler über Seul schon um 16.20 Uhr aufgefordert, den Katastrophenfall auszurufen. „Der Tenor des Gesprächs war ein anderer“, sagt der Fachbereichsleiter.

Er könne zwar nicht ausschließen, dass Frau Weigand das Wort Katastrophenalarm gesagt habe. Aber in dem Telefonat habe sie explizit gefordert, dass der Kreis die Einsatzleitung von den Gemeinden übernehmen solle. Das sei dann ja auch gegen 17.40 Uhr geschehen. Zwischen Pföhler und Weigand habe es „wegen fachlicher Diskussionen über bestimmte Themen“ Spannungen gegeben. Weigand selbst bezeichnete sich in ihrer Vernehmung vor vier Wochen „sicher nicht als Lieblings-Bürgermeisterin des Landrats“.

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