Beschädigte Bauten nach der Flut Verein kämpft für Erhalt von Fachwerkhäusern an der Ahr

Walporzheim · Der Verein Historisches Ahrtal will sich darum kümmern, dass nach der Flut 2021 möglichst viele Fachwerkhäuser wieder fachgerecht aufgebaut werden. Nun hat die Wiederaufbaubeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz sich ein Bild von der Arbeit des Vereins gemacht. Den Verantwortlichen sagte sie Unterstützung zu.

 Staatssekretärin Nicole Steingaß, Wiederaufbaubeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, hat sich in Walporzheim über die Arbeit des Vereins Historisches Ahrtal informiert.

Staatssekretärin Nicole Steingaß, Wiederaufbaubeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, hat sich in Walporzheim über die Arbeit des Vereins Historisches Ahrtal informiert.

Foto: Martin Gausmann

Wie viele der rund 9.000 bei der Flut 2021 im Ahrtal zerstörten oder beschädigten Häuser waren eigentlich Fachwerkbauten? So genau weiß das auch mehr als ein Jahr nach der Flutkatastrophe niemand zu sagen. Auf alle Fälle ist der im Ahrtal weitverbreitete Baustil nicht nur absolut erhaltenswert, Fachwerkbauten tragen auch maßgeblich zum Flair des Ahrtals bei. Und deshalb kümmert sich der nach der Katastrophe entstandene Verein Historisches Ahrtal auch nicht nur darum, dass möglichst viele der Fachwerkhäuser fachgerecht wieder aufgebaut werden. Man ist auch bemüht, solche oftmals viele hundert Jahre alten Gemäuer vor der Abrissbirne zu bewahren, wenn sich Eigentümer eigentlich zum Abbruch entschieden haben. Manchmal gelingt das dem Team um den Architekten Fritz Vennemann, der dem Verein vorsteht. Oft genug gelingt es nicht. „Damit geht ein Stück Kulturgut im Ahrtal verloren“, sagt Vennemann, machten doch die kleinen Häuschen in den verwinkelten Gassen die Weinorte an der Ahr aus.

Am Donnerstag wollte sich die Wiederaufbaubeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Innenstaatssekretärin Nicole Steingaß, in Bad Neuenahr-Ahrweiler über die Tätigkeit des Vereins Historisches Ahrtal informieren. Man traf sich im Stadtteil Walporzheim. In der Pützgasse steht nah an der Ecke zur Ahruferstraße das Haus der Familie Beu. Die Ahr ist hier gerade einmal 50 Meter entfernt. In der Flutnacht zum 15. Juli 2021 schoss das Wasser in einer Höhe von vier bis fünf Metern erst um das Haus, zerstörte dann Türen und Fenster und riss die Fachwerkwände auf, um Erdgeschoss und erstes Obergeschoss zu überfluten. Es war die dritte große Flut nach 1804 und 1910, die das Haus getroffen hat. Am Nachbarhaus zeugen Hochwassermarken von den Höchstständen früherer schwerer Hochwasserereignisse. Auch dieses Mal hielt die Statik, aber das Innenleben des Hauses war komplett zerstört.

Verein bietet Online-Sprechstunden und Ortsbesichtigungen an

Der Verein Historisches Ahrtal nahm sich dem Fachwerkhaus an. Fritz Vennemann, sein Vertreter Stefan Dietrich und Schriftführerin Ulrike Scheel erläuterten der Staatssekretärin, wie das Konglomerat aus Fachleuten für biologisches Bauen und Fachwerkhäuser mit vielen Lehmbauern, Zimmerleuten, Malern und Baubiologen tätig wurde. Dabei wird angepackt, aber auch angelernt. Einiges kann man beim Aufbau selbst machen, wenn man es denn richtig macht. Alle zwei Wochen bietet der Vereine eine Online-Sprechstunde an, die Hilfestellung bietet. Lehrgänge zu Fachwerkfassadenbau, Innendämmung und anderen Themen runden das Angebot ab. „Meistens endet die Hilfestellung online dann doch in einer Ortsbesichtigung, um Dinge besser beurteilen zu können“, so Vennemann.

Das Haus in der Pützgasse 24 in Walporzheim ist eines der Projekthäuser des Vereins. Man habe beim Ortstermin sehr schnell festgestellt, dass die Familie komplett mit dem Aufbau überfordert sei. „Die Kinder sind alle selbst betroffen, die Eltern hätten das mit ihren über 80 Jahren nicht mehr geschafft“, sagt Fritz Vennemann. Das Haus musste komplett entkernt werden, um die Schäden kartieren zu können. Das geschah mithilfe von Zimmerleuten. Der Bereich zur Pützgasse hin wurde historisch wieder ergänzt, und zwar mit einer historischen und denkmalgerechten Technik. Wo es nötig war, haben Zimmerleute und Restauratoren sogar das Fachwerk ergänzt. Es mussten Teile ausgetauscht werden, weil ein vorheriger Putz nicht sichtbare Schäden verursacht hatten. Ulrike Scheel ergänzte: „Wir hatten eine Meisterklasse aus Freiburg hier, die an drei Objekten im Ahrtal praktische Teile ihres Meisterkurses gemacht haben. Den Abriss machten wir mit den Dachzeltnomaden, denen wir gleich in einem Kurs Fachwerkbau erklärt haben. Und in den letzten drei Wochen war der Fachkraft-Lehm-Kurs der Handwerkskammer Bad Kreuznach hier. Die Handwerker aus Baugewerken haben ihre Kursstunden hier anstatt in irgendeiner Halle an Schulungsobjekten gemacht.“

Viele Bauhandwerker sind nicht als Restauratoren geeignet

So versuche man, immer wieder Helfer ins Ahrtal zu bekommen, die Arbeiten übernehmen. Aktuell sind wieder drei Zimmerergesellen auf der Walz vor Ort. Sie dürfen sich maximal drei Monate an einem Ort aufhalten und werden beim Aufschlagen temporäre Vereinsmitglieder. Immer wieder nutzen auch Handwerksmeister oder -gesellen ihren Urlaub, um im Ahrtal anzupacken.

Staatssekretärin Steingaß empfahl dem Vereinsvorstand, bei der Suche nach Handwerkern auch die Handwerkskammer mit ins Boot zu nehmen. Vor allem die Seite handwerk-baut-auf.de biete doch eine Fülle von Angeboten verschiedenster Baugewerke, die man nutzen könne. Hier warf Fritz Vennemann jedoch ein, dass viele Bauhandwerker nicht als Restauratoren geeignet seien. Und genau diese brauche man für den Wiederaufbau alter Bausubstanz. Die Staatssekretärin zeigte sich von dem Engagement des Vereins Historisches Ahrtal sehr angetan und sagte diesem jedwede Unterstützung zu.

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