200 Jahre Kreis Ahrweiler Von Winzern und Künstlern

KREIS AHRWEILER · Die Winzergenossenschaft Mayschoß ist die älteste Weinproduktionsgemeinschaft weltweit. Auch die Kunst hat ihren festen Platz.

 Auf 150 Hektar bauen die Winzer der Winzergenossenschaft Mayschoß ihre Weine an.

Auf 150 Hektar bauen die Winzer der Winzergenossenschaft Mayschoß ihre Weine an.

Foto: Martin Gausmann

Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein, heißt es. Doch mindestens zwei Vereinigungen im Kreis Ahrweiler sind zu Recht stolz auf ihre langjährige Existenz.

Im 19. Jahrhundert herrschte an der Ahr bittere Not. Kinder bettelten. Die Menschen hatten Wein, aber kein Brot. Missernten und Steuern, die Konkurrenz von Kunst- und billigen Einfuhrweinen drückten die Winzer ebenso wie die Abhängigkeit vom Weinhandel. Aber den Erzeugern in Mayschoß gelang es aus eigener Kraft und ungeahnt erfolgreich die große Notlage zu überwinden.

Am 20. Dezember 1868 gründeten 18 Winzer den Mayschosser Winzerverein mit Nikolaus Näkel als Präsident, um den Wein gemeinsam auszubauen und zu vermarkten. 1869 stand diese weltweit älteste Einrichtung ihrer Art als „Winzer Verein zu Mayschoß – Eingetragene Genossenschaft“ im Handels- und Genossenschaftsregister in Koblenz. 1881 zählte sie schon 141 Mitglieder. Die Gründer errichteten 1873 den ersten Kellergang ihrer eigenen Kellerei und 1888/1889 den zweiten und größten Kellergang zur Fasslagerung sowie den ersten Stock des heutigen Bürogebäudes. Während 1893 das 25-jährige Bestehen gefeiert wurde, ging man das 50-Jahr-Jubiläum 1918 verhalten an, da die Gemeinde im 1. Weltkrieg viele Opfer zu beklagen hatte.

1968 aber konnte ein auf 240 Mitglieder angewachsener Verein seinen 100. Geburtstag freudig begehen. Die Zeichen standen weiter auf Wachstum, so dass man 1982 die Fusion mit der Winzergenossenschaft Altenahr zur Winzergenossenschaft Mayschoß/Altenahr beschloss. Zu dem Zeitpunkt bewirtschaften 330 Mitglieder eine 123-Hektar-Rebfläche mit einer Jahresproduktion von etwa 1.000.000 Litern. Im September 2009 schloss sich die Winzergenossenschaft Walporzheim an, die seitdem „Weinmanufaktur Walporzheim“ heißt. Zusammen besitzt die Genossenschaft eine Anbaufläche von 150 Hektar und beherbergt 420 Winzerinnen und Winzer als Mitglieder.

2015 erzielte sie einen Umsatzrekord von 7,9 Millionen Euro, Geld, das für umfangreiche Investitionen in Kellerei und Tanklager benötigt wird. 55 Prozent der Weine werden in den Vinotheken in Mayschoß oder Walporzheim vertrieben. Doch auch das Online-Geschäft floriert, so Matthias Baltes, Geschäftsführer der Traditionsgenossenschaft, die weiter auf Expansion aus ist.

Künstler sind ein streitbares Völkchen, weshalb viele Kreise rasch auseinandergehen. Nicht so die 75-jährige Are-Künstlergilde. Mitte Februar 1941 wurde sie im Ahrweiler Ratskeller gegründet von Studienrat Dr. Heinz Graef, Musikdirektor Bruno Kortemeier, Organist Dr. G. Paffrat, Bildhauer Hanns Matschulla, Komponist Johannes Müller, Schriftleiter Alex Plachner, Schriftsteller Ernst Karl Plachner, Schriftleiter Otto Sostmann und Bürgermeister Dr. Dr. Ottendorff-Simrock. Bald stießen hinzu: Archäologe Karl Maria Funk, Dirigent Josef Keip, Malerin und Musiklehrerin Marga Plachner-Nückel, die Maler Erika von Roques, Christel Lückers, Alfons Schädel und Franz Steinborn.

Bereits im Gründungsjahr las Ernst Plachner in Heidelberg, stellte Franz Steinborn in Sinzig aus und gab es im Gartensaal des Kurhauses Bad Neuenahr eine große Bilderausstellung, die nach Niederbreisig, Ahrweiler und Sinzig wanderte. Für 1942 in Düren, Frankfurt und Wiesbaden geplante Schauen untersagte die NS-Aufsichtsbehörde. Doch stellte man wieder im Kurhaus aus. Auch 1943 und 1944 kam es trotz des Krieges noch zu Ausstellungen.

Nach dem Krieg forcierten 1947 Matschulla, Ernst Kley, Josef Krahforst und die Galeristin F. Honig (anderswo: Hoving), Geschäftsführerin des 1939 gegründeten Kunstkreises Ahrweiler, einen Wiederbeginn. Die 1949 neu gründete Are-Künstlergilde wählte Sanitätsrat Dr. med. Josef Niessen als Vorsitzenden. In den 1980ern war wiederholt Maria Laach Ausstellungsort. Und seit über 30 Jahren präsentiert sich die Gilde auch in der Bibliothek der Kreisstadt. Außerhalb des Landkreises stellte sie in Hildesheim, Bonn, Köln, Koblenz und Mainz aus sowie in Brasschaat, St. Pieters Leeuw (Belgien) und auf Malta.

1979 wurde aus der Vereinigung ein eingetragener Verein. Er erhielt 1987 die Ehrenplakette des Kreises Ahrweiler und überstand bis heute Spaltungstendenzen, Austritte und den Tod engagierter Mitglieder. Der langjährige Gilde-Präsident Professor Bernhard Kreutzberg hat es bis zu seinem Tod 2006 verstanden, die Individualisten innerhalb der Gruppe zu einen und zu motivieren. Ihm folgte kommissarisch Edith Kögl, dann Manfred Storn als Vorsitzender, den wiederum Eva-Maria Kreuter 2012 ablöste.

Seit einigen Jahren fanden, wie zur Gründungszeit, musikalisch und schriftstellerisch arbeitende Künstler zur Gruppe, ergänzt durch Fotografen und Filmer. Prägende verstorbene Mitglieder waren neben bereits genannten etwa Johannes Friedrich Luxem, Gerd Lehnen, Franz Ulrich und Inge Gießmann-Smolkowski. Als verdiente Künstler zählen auch Marliese Wagner, Otto Kley und Werner Mertens. Im Jubiläumsjahr 2016 stellte die Gilde bereits bei den Ahrweiler „Freiheitswochen“ aus. Eine Präsentation mit dem „Jubiläumspartner“ Volksbank (150 Jahre) wird es in der Bank in Bad Neuenahr ab 14. September geben. Zudem plant die Jubilarin verschiedene Einzelausstellungen. Auch zukünftig will sie zugleich künstlerisch anspruchsvoll und tolerant sein, die Kultur in der Region bereichern und ein Podium für die Jugend sein.

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