Deutsche Umwelthilfe fordert: Die Ahr soll mehr Platz bekommen
Kreis Ahrweiler · Deutsche Umwelthilfe fordert Rückzug aus Überschwemmungsbereich
Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, spricht sich mit Blick auf die Hochwasserschäden im Ahrtal gegen einen Wiederaufbau „ein zu eins“ aus. Dieser sei nicht sinvoll. Man müsse schauen, dass man sich aus dem unmittelbaren Überschwemmungsbereich zurückzieht, sagte Müller-Kraenner dem General-Anzeiger. Die Flut habe gezeigt, wo sich der Bereich befindet. Der Ahr solle man mehr Platz lassen. Allerdings hänge ein Rückzug von der Situation ab. Denkmalgeschützte Gebäude ließen sich vielleicht höher setzen. Aber dort, wo Gebäude völlig zerstört sein, solle es keine Neubauten geben.
Die „Trichtersituation“ im Ahrtal sei der Grund, warum das Wasser so schnell die Hänge heruntergekommen sei. Künftig bedürfe es einer Landschaft, die das Wasser besser speichert, etwa mit Misch- statt Fichtenwäldern. Beim Weinanbau sollten die Winzer Kraenner zufolge auf Terrassenbau setzen anstelle von großen Flächen, die mit Maschinen besser zu bearbeiten sind. Denn die „volle Wucht“ komme dort. „Es ist natürlich so, diese Art von Hochwässern kriegt man nicht jedes Jahr, aber die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas wieder passiert, ist da. Das passiert künftig öfter als alle 100 Jahre“, sagt Kraenner.
Häuser so wiederaufzubauen, wie sie zuvor waren, berge die Gefahr, dass beim nächsten Hochwasser die Menschen abermals alles verlieren, heißt es in einer Mitteilung der Umwelthilfe. Es müssten neben einem entschlosseneren Kampf gegen die Erderhitzung beim Wiederaufbau und auch bei allen anderen Planungen in Deutschland der ökologische Hochwasserschutz und eine naturbasierte Anpassung an die Klimakrise an erster Stelle stehen.
Nach den Hochwasserereignissen von 1997 an der Oder und 2002 an der Elbe habe es von Seiten der Politik geheißen, man müsse den Flüssen mehr Raum geben. Wie der Auenzustandsbericht von 2021 jedoch zeige, erfolgte die praktische Umsetzung bisher „höchstens in homöopathischen Dosen“. Dabei lägen die Lösungen seit langem in den Schubladen. Naturnahe, widerstandsfähige Flussauen speicherten große Mengen an Kohlenstoff und könnten damit nicht nur zum Hochwasserrückhalt, sondern auch zum Klimaschutz beitragen.
Städte und Gemeinden sind für die Umwelthilfe zugleich Betroffene von Extremereignissen und Verantwortliche für die Anpassung an die Klimakrise und den Katastrophenschutz. Es gebe zahlreiche Beispiele und fundierte Ansätze, wie das Lebensumfeld in der Stadt verbessert werden kann. Offene, unversiegelte Flächen etwa böten Raum für mehr Wasseraufnahme und gleichzeitig mehr Grün, Biodiversität und Erholung. Dies müsse unbedingt beim Wiederaufbau, aber auch bei jedem Neubau, Berücksichtigung finden.
Und um die notwendigen Anpassungen an die Klimakrise zu gestalten, werde eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen benötigt. Dazu gehöre eine konsequente Ausrichtung der notwendigen Finanzierungsinstrumente an den Zielen der Klimaneutralität, des Hochwasserschutzes und des Naturschutzes.