Historisches Die bewegte Geschichte der Bahn in Oberwinter

OBERWINTER. · „Bitte einsteigen“: Hans Atzler greift mit einer neuen Publikation das Thema Oberwinter und die Eisenbahn auf.

 Vor 100 Jahren: Beim Jahrhunderthochwasser 1920 kam der Rhein ganz nah an die Schienen.

Vor 100 Jahren: Beim Jahrhunderthochwasser 1920 kam der Rhein ganz nah an die Schienen.

Foto: Hans Atzer

„Bitte einsteigen“, lädt Hans Atzler munter zur Lektüre seiner gleichnamigen neuen Veröffentlichung ein. Für Heft 11 der Schriftenreihe des Rathausvereins hat er wieder über seinen Wohnort geforscht. Diesmal stehen Oberwinter und die Eisenbahn im Fokus.

Regionalgeschichtlich Interessierte finden auf jeder Seite informatives und oft vergnügliches Lesefutter, obgleich der Buchanlass, die aktuelle Entwicklung des Oberwinterer Bahnhofs mit Rückbauten und Nutzungseinschränkungen, alles andere als erfreulich ist.

Zu den Anfängen: 1841 baute die Kölner Rheinische Eisenbahngesellschaft die Bahnlinie von Köln über Aachen und Lüttich nach Antwerpen. Die Strecke wurde 1844 von Köln nach Bonn verlängert. Man konnte 1855 bis Rolandswerth fahren, 1856 bis Rolandseck, womit auch die Oberwinterer „ihren“ ersten Bahnhof hatten.

Hans Metternich beschreibt den einst glamourösen mit Festsaal ausgestatteten Bahnhof Rolandseck, der Treffpunkt der prominenten Gesellschaft und Schauplatz kultureller Ereignisse war. Peter Schonauer hatte dort von 1926 bis 1952 den Posten des Bahnhofsvorstehers inne. Es dürfte aber nicht seine aufregendste Tätigkeit gewesen sein. Denn von 1905 bis 1912 im Dienst der kaiserlichen Kriegsmarine erlebte er als Obervermessungsgast auf dem Vermessungsschiff S.M.S. Planet eine Forschungsreise in der Südsee, in China und Australien.

Pro Tag 30 Waggons entladen

Wichtig für die ansässige Wirtschaft: Der Bahnhof besaß ein „Freiladegleis“ zum Umschlag von Massengütern und einen Güterschuppen. „Zeitweise wurden bis zu 30 Waggons an einem Tag entladen. So gelangten noch bis 1958 Kohlen, Koks und auch Holz für die Möbelfabrik nach Oberwinter.“

Heute staunt man über die Reisekultur gehobener Fahrgäste. Dem Kölner Kaufmann Konsul Franz Damian Leiden etwa, der Ende der 1850er Jahre den „Rolandshof“ in Rolandseck besaß, stand für die Fahrt nach Köln ein eigener Salonwagen der Bahn zur Verfügung. Mehr noch, er hatte einen Privatperron, einen eigenen Bahnsteig am Südende des „Rolandshof“-Grundstücks. Wollte Leiden nach Köln, ließ er eine Fahne hissen, damit die Eisenbahn den Salonwagen ankoppelte. Dagegen nutzten Architekt H. Maertens aus Bonn und Familie für Aufenthalte in ihrer Rolandsecker „Villa Pauline“ die Kutsche. Das Hauspersonal aber nahm den Zug, eventuell um Vorbereitungen für die später eintreffenden Herrschaften zu treffen.

Zunächst desinteressiert, erkämpfte sich Oberwinter schließlich unter finanziellen Opfern einen eigenen Bahnhof. Der „Inselbahnhof“ zwischen den beiden Bahngleisen wurde am 1. Oktober 1899 feierlich eröffnet. Im Jahr darauf stand der Güterschuppen. Mit dem Bau der Eisenbahntrasse erfolgte zeitgleich der Aufbau eines bahneigenen Telegraphennetzes, aus dem sich örtliche Telefonnetze entwickelten. In Rolandseck ab 1898. Der Bahnhof hatte die Nummer 1, das Hotel Victoria die 2 und das Hotel Bellvue die Nummer 3. Da die Nutzung zunahm, baute man 1913 ein neues größeres Stationsgebäude mit Fahrkartenverkauf, zwei Wartesälen, Dienstwohnung des Dienststellenleiters direkt an der Provinzialstraße, heute Hauptstraße 27, und einen geräumigen Stückgutschuppen. Zwei Stellwerke zur Handbedienung der Weichen und Signale kamen hinzu.

Die reich bebilderte Schrift zeigt, dass etwa jeder zehnte Arbeitsplatz in Oberwinter „bahnabhängig“ war. Von Rottenarbeitern, Schrankenwärtern, Streckenläufern und den vielen Arbeitern im Bahnhofsgebäude wird berichtet.

Atzler blickt auf die schwere Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als die Bahn von französischen Soldaten betrieben wurde. Deutsche  „Bahner“, die einem Aufruf der deutschen Reichsregierung im Januar 1923 folgend streikten, wurden mit ihren Familien aus Oberwinter ausgewiesen.

Von Touristen und „Hamsterern“

Wer nutzte nicht alles den Zug? Dazu gehörten auch die Touristen der  nationalsozialistischen Gemeinschaft Kraft durch Freude, die den Fremdenverkehr Oberwinters ankurbelten, und die „Hamsterer“ nach dem Zweiten Weltkrieg.

Große Veränderungen setzten bei der Bahn ein. 1958 wurden die Züge zwischen Remagen und Köln vom Dampf- auf Elektrobetrieb umgestellt. Später fielen Bahnübergänge in Oberwinter weg, ebenso die Blockwerke in Rolandseck und an der Arsbrücke. Vom  modernen Zentralstellwerk Remagen konnten ab 1982 die Stellwerke Oberwinter und Sinzig ferngesteuert und überwacht werden, ein Wandel, der insgesamt zu enormem Arbeitsplatzabbau führte. Zuletzt äußert das lesenswerte Büchlein die hoffnung, „dass letztlich eine sinnvolle und zweckmäßige Neugestaltung des Bahnhofs gelingen wird, ist doch eine gute und regelmäßige Zugverbindung für die vielen Oberwinterer Pendler von größter Wichtigkeit.“

Das Heft, 116 Seiten, Preis 6,50 Euro, gibt es beim Rathausverein Oberwinter, www.rathausverein-oberwinter.de, Lenes Café, Oberwinter sowie Hauffes Buchsalon in Remagen.

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