Auch Künstler von Flut hart getroffen „Diese Werke sind nicht nur von mir, sie sind auch durch die Flut entstanden“

Bad Bodendorf · Die Flut hat aus den Werken der Bad Bodendorfer Künstlerin Margarete Gebauer eine neue Serie entstehen lassen. Ihre aktuellen Flutbilder und -skulpturen stellt sie aktuell im Bonner Frauenmuseum aus.

 Die Künstlerin Margarete Gebauer mit aus der Flut geretteten Werken. Manche haben durch Schlamm und Wasser eine neue Form, eine neue Aussage bekommen.

Die Künstlerin Margarete Gebauer mit aus der Flut geretteten Werken. Manche haben durch Schlamm und Wasser eine neue Form, eine neue Aussage bekommen.

Foto: Andrea Simons

Der „Gefühlsdschungel“ hat eine graubraune Patina und die Oberfläche ist stellenweise aufgeplatzt. Braune Wischspuren und Flecken finden sich auf „Der Schwangeren“. Schlamm auf „Acryl auf Leinwand“. Genauso auf der Skulptur „Hilflose Kehllaute“: Eigentlich rein weiß, jetzt mit deutlichen Sprenkeln auf dem Ton und abgebrochenen Stellen an den beiden eigentlich passgenau gefertigten Teilen. Es sind drei der Kunstwerke, die Margarete Gebauer nach der Flutkatastrophe aus dem Keller ihres Bad Bodendorfer Hauses gerettet hat: „Da war mein Lager, mein Lebenswerk, das Ergebnis von 45 Jahren künstlerischer Tätigkeit“.

Die Flut hat das Lager der Künstlerin schwer getroffen

Wo die Winzer im Ahrtal mit dem Verkauf von „Flutwein“ wenigstens ein bisschen Schadensbegrenzung versuchen, haben von der Flut betroffene Kunstschaffende wie Margarete Gebauer, wenn sie Glück haben, noch einige Werke bergen können – wenn auch von der Flut gezeichnet. Flutkunst. Einige Stücke sind aktuell auch im Bonner Frauenmuseum zu sehen. Noch bis Ende Oktober läuft die Ausstellung „Die Flut. Künstlerinnen im Katastrophengebiet“. Neben Gebauer stellen mit Janna Borgböhmer eine weitere Künstlerin aus dem Kreis Ahrweiler sowie sechs weitere Kolleginnen aus Nordrhein-Westfalen aus. Einige haben alles verloren, einige zeigen Kunst zum Thema Flut, andere zeigen Arbeiten, die danach entstanden sind, und sie berichten von der Schreckensnacht.

Dazu formuliert auch Margarete Gebauer: „In der Nacht erlischt das Licht. Taschenlampen zappeln durch die Dunkelheit und dazwischen Autoscheinwerfer. Mein Herz spricht, irgendetwas stimmt nicht, es fängt an zu rasen. Mein Ohr lauscht die Treppe nach unten zum Souterrain, vernimmt unheimliches Gluckern, Sprudeln und Plätschern von sehr viel Wasser“. Öl hat sie gerochen, Angst und Ohnmacht empfunden und am nächsten Tag mit ihrem Mann zusammen kaum die Tür zu ihrem Lager aufbekommen, weil die umgerissenen Kunstwerke, das meterhohe Wasser und die Schlammmassen auf dem Boden dagegenhielten. Wie das alles durch die geschlossenen Fenster und Rollläden eindringen konnte, ist für die Künstlerin immer noch unverständlich.

Das Thema Flut ist unterschiedlich in die Ausstellungsstücke eingeflossen

18 Kunstwerke, mit denen Gebauer etwa in der aktuellen Ausstellung im Frauenmuseum vertreten ist, hat sie aus dem Schlamm geborgen. Eine Kollegin sei auf einmal dagewesen und hat ihr dann zusammen mit anderen geholfen beim Aus- und Aufräumen, Waschen und Schrubben, als sie selbst noch „kopflos“ und nicht entscheidungsfähig gewesen sei. Heute stehen die Türen und Fenster des gereinigten Souterrains weit offen, damit die Wände trocknen können. Gerettete Skulpturen stehen im Garten.

Viele Werke hat sie wegschmeißen müssen, „sonst wären wir nie fertig geworden“, viele andere sind von der Flut für immer gezeichnet. Die Farbe trägt Gebauer gemeinhin nie mit dem Pinsel sondern mit dem Spachtel auf, in mehreren Schichten, die durch Schraffuren durchscheinen. Nun hat sich der Schlamm in die feinen Linien und Risse gesetzt, bildet eine weitere Schicht, harmoniert auf eigenartige Weise mit den oft erdigen pastelligen Acrylfarben oder gibt Materialbildern wie „Gefühlsdschungel“ eine neues Aussehen, weil Metallteile durch den Kontakt mit dem Wasser korrodierten.

Zu den Serien von Skulpturen oder Bildern, in denen die Künstlerin, oft Gedanken, Träume oder wahre Geschichten geradezu „abarbeitet“, ist unbeabsichtigt eine neue Serie hinzugekommen: eine Serie von der Flut versehrter Stücke. So wie ihr „Phoenix aus der Asche“. Seine Schwingen erhebt er jetzt auch aus Flut-Schlamm, der auf der Leinwand des großformatigen Werkes Gebauers zurückgeblieben ist. Die Bad Bodendorferin blickt darauf und erklärt: „Diese Werke sind nicht nur von mir, sie sind auch durch die Flut entstanden. Sie haben durch Wasser und Schlamm eine neue Kraft und Dynamik erhalten. Die Aussage hat sich verändert. Der leichte Überzug bringt eine andere, neue Sicht hervor.“ All das stehe symbolisch auch für das Leben.

Gebauer lässt ihre Werke gerne für sich sprechen und bei der Betrachtung viele Deutungen zu. Sie regt zum Rätseln und Nachdenken an und wünscht den Menschen in der Kommunikation mit ihren Werken auch „positive Gedanken“. Trotzdem hat sie einem Materialbild in der Ausstellung im Frauenmuseum einen Pfeil hinzugefügt: Auf der Uhr des Werks „Fünf vor Zwölf“ zum Thema Klimawandel aus dem Jahr 1996 zeigt dieser nun auf „Fünf nach Zwölf“. Neben den „Flutbildern“ im Museum hat sie bewusst zwei Skulpturen aus der Reihe „Menschen unter Glas“ platziert, in der auch eingerollte bemalte Leinwände in den Glaszylindern auszumachen sind: „Gelebtes Leben, das man nicht sieht. Denn das Meiste, was der Mensch erlebt hat, ist an der Oberfläche nicht sichtbar.“

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