Flut-Untersuchungsausschuss in Ahrweiler Im Einsatzkeller hatte der Krisenstab kaum Handyempfang

Kreis Ahrweiler · Der Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags zur Flutkatastrophe macht sich ein Bild, von wo der Krisenstab des Kreises Ahrweiler vom 14. bis zum 16. Juli vorigen Jahres gearbeitet hat. Er findet einen fensterlosen Kellerraum der Kreisverwaltung vor.

 Medienvertreter stehen kurz nach der Sitzung des Untersuchungsausschuss im ehemaligen Raum der Technischen Einsatzleitung.

Medienvertreter stehen kurz nach der Sitzung des Untersuchungsausschuss im ehemaligen Raum der Technischen Einsatzleitung.

Foto: Martin Gausmann

Die Szenerie wirkt ein wenig museal. Mitten in dem rund 50-Quadratmeter-Raum stehen ein paar Tische zusammen, acht Bildschirme sind zu erkennen, dazu Telefone, entlang der Wände weitere Tische und Stühle – insgesamt 17 Arbeitsplätze. Schilder weisen darauf hin, wer dort seinen Platz hatte: Vertreter von Polizei, Bundeswehr, THW, DRK, der Technischen Einsatzleitung (TEL) und viele weitere. Zwei Smartboards sind zu sehen, dazu ein Beamer, Anschlussmöglichkeiten für Laptops. Im Nachbarraum stehen Plätze für Funker.

Skurril wird es, wenn der Blick auf die beiden weißen Tafeln am Rande der Stirnseite fällt. In schwarzer, roter oder blauer Schrift sind dort immer noch Zahlen und Daten zur Katastrophe zu lesen. Für Sinzig zum Beispiel; „Ausfall Umspannwerk 3 - 4 Wochen, L 82 nicht befahrbar, 17 Personen eingeschlossen, Öl auf Wasser, Schreckenstein (eine Wohnanlage in Bad Bodendorf, d.Red.) 150 Personen vermutlich eingeschlossen.“

Für Bad Neuenahr steht dort: „22 Einsatzkräfte, 1000 laufende Einsätze.“ Für Einzelheiten zu den Einsätzen hätte man vermutlich mehrere weitere Wände gebraucht. Wer genau hinschaut, kann sich erschließen, dass es sich um den Stand von Freitag, 16. Juli, um 6.30 Uhr handelt. An dem Tag verließ die TEL die Räume unterhalb der Kreisverwaltung. Später übernahm die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) des Landes die Einsatzleitung.

„Warum wird der Raum nicht mehr genutzt?“, fragt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Martin Haller (SPD), den einzigen Zeugen an diesem Freitag, den stellvertretenden Katastrophenschutzinspekteur des Kreises, Sascha Cremer. Der spricht von einer „emotionalen Bindung“ an den Raum. Von hier mussten Rettungseinsätze organisiert werden, wo oft kaum noch etwas zu retten war. Und hier mussten die Mitglieder des Krisenstabs Todesmeldungen entgegennehmen. An der Wand findet sich die Information „Tote: 54“, die offenbar bis zum frühen Freitagmorgen bekannt war. Am Ende sind es 134 geworden.

 Ausschussvorsitzender Martin Haller (rechts) wendet sich vor der Sitzung an die versammelte Presse.

Ausschussvorsitzender Martin Haller (rechts) wendet sich vor der Sitzung an die versammelte Presse.

Foto: Martin Gausmann

Schwierigkeiten beim Handyempfang

Cremer erzählt, dass er am Fluttag bis 17 Uhr in der TEL war und wieder ab 1 Uhr in der Nacht. Ja, der Handyempfang sei „definitiv schwierig“, bei manchen Netzen wohl „sehr schwierig“. Probleme habe es auch mit dem Funk gegeben. Worin die bestanden hätten, könne er nicht sagen. Die Festnetzleitungen hätten aber funktioniert. In der vorigen Woche hatte die Feuerwehrchefin aus Antweiler an der oberen Ahr berichtet, dass ihre Region ab etwa 18 Uhr keinen Kontakt zur Außenwelt mehr hatte. Strom, Festnetz und Digitalfunk seien bis dahin ausgefallen. „Waren die Probleme mit dem Handynetz bekannt?“, will Michael Frisch (AfD) wissen. Cremers Antwort: „Ja.“ Es sei vorgekommen, dass TEL-Mitglieder den Raum verlassen hätten, um mit dem Handy telefonieren zu können.

Er wird nach der Schautafel zur Sitzordnung in Corona-Zeiten gefragt, die viel Raum zwischen den Arbeitsplätzen zeigt. „Die galt nur in der Theorie und für Friedenszeiten“, sagt Cremer und fügt hinzu, „da wir aber Krieg hatten, war jeder Platz besetzt.“ CDU-Obmann Dirk Herber sagt nach der Sitzung: „Während die Bediensteten des Landesamtes für Umwelt (LfU) im Homeoffice waren, hat man hier auf Corona keine Rücksicht genommen. Man war sich bewusst, dass es darum ging, eine Katastrophe zu managen.“ Von einem räumlich beschränkten Raum spricht Herber noch, der aber „technisch sehr gut ausgestattet“ gewesen sei.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass man hier adäquat arbeiten kann“, meint hingegen Freie-Wähler-Obmann Stephan Wefelscheid. „Suboptimal“ nennt er die frühere Einsatzzentrale. Schlechter Handyempfang, womöglich viel Telefongeklingel auf engem Raum, außerdem seien die Einsatzfahrzeuge nicht in der benachbarten Tiefgarage, sondern weit weg in den Kommunen untergebracht gewesen. Sein SPD-Kollege Nico Steinbach sieht das ähnlich: Wer über Stunden absolute Höchstleistung bringen müsse, für den seien die Arbeitsbedingungen „sicher nicht optimal gewesen“. Er spricht von einer „Betonatmosphäre“ und einer „Bunkerumgebung“. Er habe seine Zweifel, ob der Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler einen hohen Stellenwert gehabt habe. Das wolle er jedenfalls im Untersuchungsausschuss demnächst zum Thema machen.

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