Sinziger Klärwerk zerstört An der Ahr droht ein Umweltdesaster

Bonn · Im Katastrophengebiet an der Ahr wächst aufgrund von Schäden an der Sinziger Kläranlage die Sorge vor einem Umweltdesaster. Der Leiter des Krisenstabs an der Ahr spricht mit Blick auf Krankheiten von einer angespannten Situation.

 Das Sinziger Klärwerk (links oberhalb der Brücke) ist bei dem gigantischen Hochwasser zerstört worden. Nun fließen die Abwässer aus dem Katastrophengebiet ungeklärt in die Ahr und wenig später in den Rhein.

Das Sinziger Klärwerk (links oberhalb der Brücke) ist bei dem gigantischen Hochwasser zerstört worden. Nun fließen die Abwässer aus dem Katastrophengebiet ungeklärt in die Ahr und wenig später in den Rhein.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Versorgung der Bevölkerung im Katastrophengebiet an der Ahr habe sich stabilisiert, sagte Krisenstab-Leiter Thomas Linnertz am Freitagnachmittag. Auch die medizinische Versorgung gehe voran, weil mehrere Arztpraxen wieder öffnen konnten. Der Mainzer Digitalminister Alexander Schweitzer erklärte zudem, dass für rund 90 Prozent der ausgefallenen Mobilfunkkommunikation der Handyempfang wieder funktioniert. Derweil rücken andere Probleme in den Vordergrund – und die haben es in sich.

Das warme Wetter in den vergangenen Tagen hat die Befürchtung laut werden lassen, dass vermehrt Menschen an Magen-Darm-Problemen erkranken. Sinzigs Bürgermeister Andreas Geron äußerte zum Beispiel diese Sorge. Denn das Wasser der Ahr ist durch ein Gemisch aus Müll, immer mehr Fäkalien sowie Öl und Diesel nicht nur verunreinigt, sondern regelrecht verseucht. Und nicht nur dort: Auch in zahlreichen Häusern im Katastrophengebiet sind Keller- und Wohnräume mit einer übel riechenden und womöglich gesundheitsgefährdenden Schlammschicht überzogen.

Duschcontainer werden aufgestellt

Krisenstabs-Leiter Linnertz erklärte, die Einsatzkräfte gingen jedem Anzeichen nach, „wo sich etwas andeutet“. Sie erhielten derzeit des Öfteren Meldungen von großen Ausbrüchen von Brechdurchfall. Darunter seien aber auch „viele Falschmeldungen“. Wenn die Einsatzkräfte vor Ort seien, bewahrheiteten sich diese Nachrichten teilweise nicht mehr, aber Linnertz fügte hinzu: „Die Situation in der Richtung ist schon angespannt.“

Man sei dabei, die hygienische Situation zu verbessern, zum Beispiel Duschcontainer aufzustellen. „Das läuft so weit an“, meinte Linnertz. Die Seuchenprävention sei neben der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten sowie der Sicherstellung der Ersten Hilfe einer der Schwerpunkte der Arbeit der Einsatzkräfte.

Der Zweckverband Eifel-Ahr forderte am Freitagmittag jene Bürger, die mit Schlamm und Überschwemmungswasser in Berührung gekommen sind, auf, die betroffenen Stellen zu reinigen, um Infektionen und Hautausschläge oder auch Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes zu vermeiden.

Die Stadt Hagen berichtete am frühen Abend, dass dort bereits Magen-Darm-Erkrankungen und Wundinfektionen im Zusammenhang mit den Reinigungsarbeiten aufgetreten seien. Helfer und Anwohner sollten stets wasserabweisende Schutzkleidung und Handschuhe tragen – und auch ihren Tetanus-Schutz überprüfen und gegebenenfalls auffrischen.

Kein genauer Überblick über die Schäden an der Kläranlage

Außerdem wächst im Katastrophengebiet die Sorge vor einem Umweltdesaster. Sinzigs Bürgermeister Geron hatte schon am Donnerstag bei einem Besuch in Mainz erklärt, nach dem Ausfall des Klärwerks in seiner Stadt, eines der größten in Rheinland-Pfalz, fließe das Abwasser Zehntausender Haushalte nun ungeklärt in die Ahr und von dort in den Rhein. Wie lange dieser Zustand noch anhalte, könne er nicht sagen, so Geron: „Ein Notbetrieb ist angedacht.“

Doch bisher gebe es noch nicht einmal einen genauen Überblick über das Ausmaß der Schäden an der Kläranlage. Auch die Kanäle seien verstopft, verschmutzt und teilweise gebrochen. Das Abwasserwerk in Bad Neuenahr-Ahrweiler ist nach Angaben der Stadt ebenfalls stark beschädigt.

Auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel äußerte ihre Sorge über ölbelastete Böden und die Schäden für die Umwelt. Sie wies bei einem Besuch in Sinzig aber auch darauf hin, dass die „allerhöchste Priorität“ der Landesregierung derzeit darauf liege, „die Infrastruktur für die Menschen hier vor Ort wiederherzustellen“.

Dazu beitragen soll auch ein Sonderförderprogramm für die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung im Katastrophengebiet. Denn Leitungen seien „von der immensen Kraft der Wassermassen weggerissen, Kläranlagen überflutet und zerstört“ worden, meinte Spiegel. Mit dem Programm könnten Kommunen nun in den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Regionen sofort mit dem Wiederaufbau beginnen, erklärte die Ministerin. Kosten entsprechender Investitionen können vom Land übernommen werden, das dafür 20 Millionen Euro bereitstellt.

Derweil hat das Technische Hilfswerk in den vergangenen Tagen die Trinkwasserversorgung für Zehntausende Menschen aufgebaut. So wurden zum Beispiel in Schuld und Bad Neuenahr-Ahrweiler Trinkwasseraufbereitungsanlagen eingerichtet.

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