Geplantes Güllebecken 500 Besucher machen in Grafschaft ihrem Ärger Luft

GRAFSCHAFT · Reinhold Hermann, der Vorsitzende der "Bürgerinitiative gegen industrielles Güllelager und Massentierhaltung in Wohnortnähe" (BI), war verblüfft am Donnerstagabend. "Ich bin selbst überrascht, dass dieses Thema so viele Leute auf der Grafschaft bewegt.

Ich hätte niemals mit einem so großen Zuspruch gerechnet." Rund 500 Bürger waren seiner Einladung gefolgt zu einer Bürgerversammlung, die nur ein Thema hatte: das geplante Güllebecken, das ein Gelsdorfer Landwirt auf einem Acker in der Nähe des Höhenhofes zwischen Gelsdorf und Vettelhoven bauen will.

Es gab viele Fragen an diesem Abend - doch nur wenige relevante Antworten. Denn der Antragsteller, Landwirt Theo Münch aus Gelsdorf, blieb der Veranstaltung fern, ebenso die eingeladenen Vertreter von Kreis und Gemeindeverwaltung. Nur Hans Boes, der Vorsitzende des Kreisbauern- und Winzerverbandes, traute sich in die "Höhle des Löwen", wie er angesichts der anwesenden Menschenmenge mutmaßte.

Dabei waren nicht alle Anwesenden grundsätzlich gegen das geplante Güllebecken, viele wollten sich einfach einmal über den Stand der Dinge informieren und sich eine Meinung bilden. Es wurde sogar davor gewarnt, den Landwirt öffentlich "ans Kreuz zu nageln", und dazu geraten, lieber das Gespräch mit ihm zu suchen, um vielleicht eine Kompromisslösung zu finden, mit der alle leben könnten. Doch die Mehrzahl derjenigen, die zu Wort kamen, machten aus ihrer Abneigung gegen das Projekt keinen Hehl: "Das stinkt uns, wir wollen das nicht!"

So ähnlich drückte es auch Hermann aus, der es mit einer unaufgeregten Veranstaltungsleitung schaffte, trotz aller spürbaren Ängste und Emotionen eine relativ sachliche Atmosphäre bis zum Schluss durchzuhalten. "Wir wollen kein kleineres Becken und wir wollen auch kein abgedecktes Becken - wir wollen einfach gar keinen Güllesee auf der Grafschaft", machte der BI-Sprecher deutlich. Dabei gehe es in erster Linie nicht um den befürchteten Gestank, der von der "Fäkaliengrube" ausgehe, sondern um die umweltschädlichen und gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffen der Jauche, die dort gelagert werden soll.

Holger Bäsel von der BI hatte sich über diese eingehend informiert und berichtete dem staunenden Publikum über seine Erkenntnisse. "Wir sind nicht landwirtschaftsfeindlich, aber wir wollen wissen, welche Gefahren von einem offenen Güllelager ausgehen", begründete er die Skepsis der BI. Herausgekommen sei, dass der "Ozonkiller" Methangas ebenso austrete wie Lachgas oder Schwefelwasserstoff, der nicht nur nach faulen Eiern rieche, sondern zudem sehr giftig und dazu noch leicht entzündlich sei.

Ehec-Erreger, Botulismus-Erreger und Nitrat gehörten ebenfalls dazu. Nicht zuletzt werde auch Ammoniak freigesetzt, das zu den giftigen und gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffen zähle. "Allerdings will ich auch keine Ängste schüren, denn wir wissen noch nicht, wie schnell sich das verflüchtigt und in welchem Umkreis das gefährlich bleibt", ergänzte er. Der BI-Vorsitzende machte aber auch klar, dass das Gülleproblem weitaus größer sei als die landläufige Geruchsbelastung, "da steckt ein viel größeres Gefahrenpotenzial dahinter".

Das bestätigte der Anästhesist Dr. Gregor Rehatschek aus Vettelhoven, der in der Intensivstation der Bonner Uniklinik arbeitet und sich täglich mit "Problemkeimen" beschäftige. "Die Gülle von vor 40 Jahren ist nicht mehr die Gülle von heute", berichtete er. Sie werde ganz anders erzeugt, und er habe täglich mit Patienten zu tun, die todkrank seien aufgrund von diversen Problemkeimen.

Es werde zwar vehement ein Zusammenhang mit der Gülle bestritten, die heute ausgebracht werde, und es sei auch nichts bewiesen. Doch es sei in jüngster Zeit immer wieder der Verdacht aufgekommen, dass diese Problemkeime mit der Herstellung von Gülle zusammenhingen. Es sei also nicht auszuschließen, dass die Problemkeime aus Güllelagern stammten. Er könne es deshalb nicht verantworten, diesem Projekt zuzustimmen.

Gemutmaßt wurde auch von mehreren Bürgern, dass Landwirt Münch die 5000 Kubikmeter Gülle nicht nur für sein eigenes Land benötige, sondern darüber hinaus die 35 mal 40 Meter große "Güllelagune" als industrielles Güllelager nutzen und die stinkende Jauche an die Landwirte in der Umgebung weiterverkaufen wolle. "Wir haben nichts dagegen, dass jemand Geld verdienen will - aber nicht zulasten aller anderen Bürger", so Heilpraktiker Rolf Löltgen aus Eckendorf. Das ganze Projekt mit seinen fünf Millionen Litern Fassungsvermögen sei ohnehin "eine Nummer zu groß" und wirke sich negativ auf die Lebensqualität und auch auf die Immobilienpreise auf der Grafschaft aus.

Marion Hertel aus Gelsdorf und andere fragten sich allerdings auch, warum niemand vorab das Gespräch mit Landwirt Münch gesucht habe, um vielleicht nach einer Kompromisslösung zu suchen. "Ich bin hingegangen und habe mit seiner Tochter geredet", berichtete sie. Demnach sei die Familie Münch wohl bereit, die "Güllelagune" auch abzudecken, was die Belastungen erheblich verringere.

Weiter merkte Ingrid Meumerzheim an, dass Münch bei der Ortsbeiratssitzung zwei Tage zuvor die Sache öffentlich vorgestellt habe, leider vor wenig Publikum. Dabei habe er auch das "Geruchsgutachten" vorgelesen, das er für sein Vorhaben erstellen lassen musste. Demnach gehe von dem Güllelager keine relevante Geruchsbelästigung aus, zumal der Abstand zur Wohnbebauung von Gelsdorf, Eckendorf und Vettelhoven mit 850 bis 1000 Metern doch recht groß sei und der "Duft" bis dahin "verfliege".

Während der Veranstaltung legte die BI eine Unterschriftenliste aus, auf der sich alle eintragen konnten, die gegen das Projekt sind. Diese Unterschriftenliste will die BI der Kreisverwaltung überreichen mit der dringenden Bitte, das Projekt nicht zu genehmigen, so Hermann. "Wir wissen aber, dass es rechtlich wahrscheinlich gar nicht möglich ist, das zu verhindern."

Auch über das Erstellen eines Gegengutachtens werde nachgedacht. Hermann betonte aber auch, dass man nicht auf Landwirt Theo Münch persönlich "einprügeln" wolle, sondern sich lediglich gegen das Projekt als solches wende. "Denn wenn das hier genehmigt wird, kann das möglicherweise auch in Bölingen, Esch oder Eckendorf Nachahmer finden", befürchtet er.

Mehr Informationen unter: www.gülle-see-grafschaft.de

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