„Jammern füllt keine Kammern“ Bauern und Winzer in der Grafschaft üben Selbstkritik

GRAFSCHAFT · Die Generalversammlung des Bauern- und Winzerverbandes am Dreikönigstag in Dernau bot auch die Gelegenheit zur selbstkritischen Betrachtung.

 Elke Pelz-Thaller

Elke Pelz-Thaller

Foto: Martin Gausmann

Mit strahlenden Gesichtern und einer rundum positiven Grundeinstellung verließen die rund 150 Teilnehmer die Generalversammlung des Kreis-Bauern- und Winzerverbandes am Dreikönigstag. Dafür hatte die bayerische Bäuerin und Persönlichkeitstrainerin Elke Pelz-Thaller gesorgt, die als Festrednerin im „Culinarium“ der Weinmanufaktur Dagernova in Dernau mit ihrem Vortrag: „Als Landwirt mutig den zukünftigen gesellschaftlichen Anforderungen begegnen“ die Seelen der heimischen Landwirte und Winzer massierte.

Ihr Credo: „Jammern füllt keine Kammern“, deshalb müsse die Landwirtschaft die Opferrolle ebenso wie die aggressive Rolle ablegen und stattdessen mit einer positiven Selbstvermarktung wieder die Wertschätzung der Gesellschaft gewinnen.

Landwirtschaft nicht ganz unschuldig

Doch leider sei die Landwirtschaft selbst nicht ganz unschuldig an der Entwicklung, weil man vor lauter Produzieren vergessen habe zu Kommunizieren. Das sei früher noch einfacher gewesen, als die Landwirte noch im wahrsten Sinne des Wortes in der Mitte der Gesellschaft, nämlich mitten in den Dörfern und Städten, lebten und arbeiteten. Damals hätten auch Außenstehende dem Berufsstand noch eine hohe Wertschätzung entgegengebracht, weil jeder mit eigenen Augen habe sehen können, was und wie viel der Landwirt leistet.

Mit dem Trend zum Aussiedlerhof habe sich das jedoch dramatisch geändert, denn damit sei die Landwirtschaft nicht nur aus der Ortsmitte, sondern auch aus der Mitte der Gesellschaft herausgetreten. „Die heutige Gesellschaft weiß überhaupt nicht mehr, was der Landwirt überhaupt tut“, schüttelte die „Mentalbäuerin“ den Kopf.

Ziel müsse es sein, beispielsweise für das Naturprodukt Milch den gleichen Preis zu erzielen wie für einen künstlich hergestellten Energydrink, der nur wegen seines „coolen Images“ gekauft werde. Die bisher geübte Bescheidenheit und Zurückhaltung der Landwirte sei in der jetzigen Situation nicht mehr angebracht, vielmehr müsse man sich mit knallharten Erfolgsstrategien und zielgerichteter Kommunikationspsychologie beschäftigen, um so das Blatt zu wenden. Pelz-Thallers Rat: Um eine positive Verknüpfung mit seinem Produkt zu erreichen, müsse man überall dort, wo etwas los sei und die Menschen etwas Schönes erlebten, präsent sein.

Menschen nicht nur als Verbraucher ansehen

Zu einer positiven Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gehöre es aber auch, den Menschen nicht mehr nur als Verbraucher, sondern als Kunden anzusehen. Wenn man selbst wertgeschätzt werden wolle, müsse man zuerst sein Gegenüber wertschätzen.

Zuvor hatte der Kreisvorsitzende Franz-Josef Schäfer den neuen Kreisgeschäftsführer Knut Schubert vorgestellt. Die Afrikanische Schweinepest könne noch zu einem enormen Problem für die heimischen Schweinehalter werden, befürchtete Michael Horper, der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau.

Die Frage sei nicht mehr, ob diese schwere Krankheit nach Deutschland komme, sondern nur noch, wann. Angesichts der Wetterturbulenzen im vergangenen Jahr wünschte er sich jedenfalls für die Landwirtschaft „ein stinknormales Jahr von der Witterung her.“

„Wir Bauern sind der Hit in der Medienwelt und omnipräsent, aber leider nicht im positiven Sinne“, bedauerte der Kreisvorsitzende. Deshalb könne auch er es nur begrüßen, wenn man neue Strategien entwickle, die den Berufsstand wieder in ein besseres Licht rückten und allen Kollegen eine wirtschaftliche Perspektive böten. Wenn es so weitergehe, werde die bäuerliche Kultur in 15 Jahren ganz verschwunden sein, und niemand werde den Verfall aufhalten, weil der landwirtschaftliche Familienbetrieb niemandem etwas wert sei. Dadurch würde der Trend zu immer größeren und effizienteren Betrieben weiter beschleunigt mit unvorhersehbaren Kollateralschäden. Und die habe dann die ganze Gesellschaft auszubaden.

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