Interview mit Deutsch-Britin Cheryl Jungmann aus Lantershofen spricht über den Brexit

Lantershofen · Cheryl Jungmann ist Deutsch-Britin und wohnt in Lantershofen. Sie blickt kritisch auf den am 31. Januar bevorstehenden Brexit und die Entwicklung in ihrem Heimatland.

 Cheryl Jungmann im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Die Deutsch-Britin lebt in Lantershofen.

Cheryl Jungmann im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Die Deutsch-Britin lebt in Lantershofen.

Foto: Martin Gausmann

Der 31. Januar 2020 rückt näher. An diesem Tag will sich Großbritannien aus der Europäischen Union verabschieden. Zu diesem „Brexit“ gibt es nur zwei Meinungen: Ablehnung oder Befürwortung. Das meint die Deutsch-Britin Cheryl Jungmann aus Lantershofen, die zu den Ablehnern gehört.

Wie sehen Ihre aktuellen Kontakte in die alte Heimat aus? Sind Sie regelmäßig dort, um Freunde, Verwandte zu besuchen?

Cheryl Jungmann: Ja, ich bin zwei Mal im Jahr in England, um meine Eltern zu besuchen. Auch besuche ich regelmäßig Freunde. Demnächst fahre ich wieder. Zudem sind meine Eltern zwei Mal im Jahr bei uns in Deutschland.

Das Land scheint gespalten in Brexit-Befürworter und Brexit-Gegner. Gibt es auch eine Haltung dazwischen oder nur „Ja oder Nein“?

Jungmann: Ich habe auch das Gefühl, dass es nur zwei Meinungen gibt. Meine Eltern sind beide über 80, sie glauben immer noch an die stolze britische Geschichte. Sie denken, es wird eine vorübergehende Phase geben, wo es ihnen schlechter geht, und dann geht es wieder bergauf. Aber die jüngeren Leute möchten lieber in der EU bleiben. Das gilt auch für mich.

Wie ist die Meinung in Ihrem Bekanntenkreis, sowohl in der alten Heimat als auch in Deutschland, wo Sie Kontakte zu Briten pflegen?

Jungmann: Bis auf einen waren alle meine Bekannten und Freunde in England und in Deutschland entsetzt und konnten es überhaupt nicht glauben, dass Großbritannien sich zu diesem Schritt entschieden hat. Das gilt auch für mich. Die Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin, haben eine ähnliche Einstellung wie ich. Engländer oder Briten, mit denen ich jetzt zu tun habe und die in Deutschland leben, die leben hier, weil sie die EU mögen oder lieben.

Welche großen Veränderungen wird der Brexit Ihrer Meinung nach zum einen für das Land Großbritannien wie auch für seine Menschen mit sich bringen? Was wird sich verschlechtern, was verbessern?

Jungmann: Das ist eine schwierige Frage. Man sieht es oft pessimistisch und dann ist es meist nicht so schlimm. Aber es kommen zum Beispiel viele Lebensmittel aus ganz Europa. Kommen die nicht mehr oder werden teurer, werden sich die Leute beschweren. Ob etwas besser wird? Gerade die Älteren glauben, wenn sie selbst und nicht die EU über ihre Steuergelder verfügen, würde vieles besser. Zumindest die Aussage von Premierminister Johnson, man werde mit den eingesparten Milliardenzahlungen an die EU das Gesundheitssystem umkrempeln, betrachte ich aber eher als Lüge. Das wird nicht kommen.

Nach dem knappen Referendum kam vor allem von jungen Menschen, von denen viele nicht mit abgestimmt haben, die Forderung nach einem zweiten Referendum. War die Wahl im Dezember ein Ersatz für ein solches zweites Referendum?

Jungmann: Ich glaube schon. Da hab ich wirklich gestaunt. Ich habe es nicht geglaubt, obwohl viele junge Leute endlich wach geworden sind und wählen gegangen sind, dass dann ein solches Ergebnis rauskommt. Ich hatte in die andere Richtung getippt.

Haben sich die Briten mit der klaren Mehrheit für Boris Johnson auch deutlich für den Brexit entschieden oder war es eher eine Personenwahl, die eine Ablehnung von Jeremy Corbyn dokumentierte?

Jungmann: Ja, das sagten mir auch Familie und Freunde. Corbyn komme überhaupt nicht infrage. Wenn man nur zwischen zwei Kandidaten entscheiden kann, sind einem mehr oder weniger die Hände gebunden.

Aktuell wird das Thema von den Vorgängen im Königshaus überlagert, Stichwort „Megxit“. Was bedeutet das? Sind die Briten die Bre­xit-Diskussion leid, haben sie überhaupt noch ein Interesse daran oder wollen die Medien vielleicht die politische Diskussion überlagern?

Jungmann: Die Royals sind weiterhin sehr beliebt. Wenn dann jemand außergewöhnlich ist, wie seinerzeit Diana, stehen sie noch mehr im Mittelpunkt. Wobei ich Meghan weniger mit Diana vergleiche als Kate. Das Königshaus ist den Briten wichtig, der Durchschnittsbrite interessiert sich dagegen eher weniger für Politik, als das in Deutschland der Fall ist. Das ist sicher geschichtsbedingt. Die Briten haben eine Geschichte, auf die sie stolz sind.

Was bedeutet der Brexit für Sie persönlich?

Jungmann: Ich habe jetzt einen deutschen Pass beantragt und besitze nun die doppelte Staatsbürgerschaft. Wenn meine Eltern noch weiterhin nach Deutschland kommen, werden sie hier im schlimmsten Fall nicht krankenversichert sein, in ihrem Alter erhalten sie keine Reisekrankenversicherung mehr. Es ist also nicht ratsam, dass sie uns hier besuchen.

Was glauben Sie, ist der Brexit der Anfang vom Ende der EU, werden weitere Staaten dem Beispiel Großbritanniens folgen oder werden die Briten den Schritt irgendwann bereuen und das auch eingestehen?

Jungmann: Ich dachte mir schon vor zwei Jahren, dass es für die EU schwierig werden kann, es muss einfach viel mehr Bewegung in den EU-Regierungsapparat kommen. Es kann aber auch sein, dass die Briten diesen Schritt bereuen. Wie sollen sie in der globalen Welt alleine klarkommen, da muss man zusammenarbeiten.

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