Kommunale Finanzen in der Corona-Krise Grafschaft am Rande der Zahlungsunfähigkeit

Grafschaft · Die Gemeinde Grafschaft steht nach massiven Einnahmeausfällen infolge der Corona-Krise vor großen Finanzierungsproblemen. „Wir stehen am Rande der Zahlungsunfähigkeit“, sagt Bürgermeister Achim Juchem.

 Mit großem Abstand und mit Masken ausstaffiert sitzen die Mitglieder des Grafschafter Rates in der Ringener Turnhalle.Die Sitzung fand unter besonderen Vorkehrungen statt.

Mit großem Abstand und mit Masken ausstaffiert sitzen die Mitglieder des Grafschafter Rates in der Ringener Turnhalle.Die Sitzung fand unter besonderen Vorkehrungen statt.

Foto: Martin Gausmann

Land unter bei den Kommunalfinanzen in der Gemeinde Grafschaft. „Wir stehen am Rande der Zahlungsunfähigkeit“, sagte Bürgermeister Achim Juchem. Dramatische Steuerausfälle sorgen nun dafür, dass die Liquidität nicht mehr gesichert ist. Nicht nur das. Man wird sich wohl auch von wichtigen geplanten Projekten verabschieden müssen, weil sie nicht mehr finanzierbar sein werden. Ein Arbeitskreis soll den Haushalt jetzt nach Einsparmöglichkeiten durchforsten. Völlig offen bleibt derzeit allerdings, wie hoch das angestrebte und erforderliche Einsparvolumen sein soll.

15 Millionen Euro braucht die Gemeinde, um über die Runden zu kommen, um Gehälter, Tilgungen, Zinsen und Umlagen bezahlen zu können. Da die Einnahmen völlig zusammengebrochen sind, wird dies nur über sogenannte Kassenkredite möglich sein. Also mit Hilfe von Konsumkrediten, oder einfacher ausgedrückt: mit einer kräftigen Überziehung des Kontos.

240 Unternehmen zahlen Gewerbesteuern

Rund 240 Unternehmen gibt es in der Grafschaft, die regelmäßig Gewerbesteuern zahlen. Fast 17 Millionen Euro hat die 11.000-Einwohner-Gemeinde („Haribo-City“) in 2019 aus diesem Steuertopf vereinnahmt. Dann kam Corona. Umsatz- und Gewinnrückgänge und Kurzarbeit in den Betrieben: Schon jetzt steht fest, dass die Gemeinde zu hoch berechnete Vorauszahlungen für 2020, die auf den Werten der Gewinne von 2019 basierten, zurückzahlen muss – derzeit rund 6.5 Millionen Euro. Zahlreiche Nullfestsetzungen zeigen auf, dass in diesem Jahr von den Gewerbebetrieben zudem auch kein Cent mehr erwartet werden kann.

Heftig ins Kontor schlagen auch die verminderten Zahlungseingänge bei dem der Kommune zustehenden Anteil an der Einkommensteuer oder der Umsatzsteuer. In wenigen Tagen wird die Steuerschätzung für Mai erwartet. Und die wird angesichts der gestiegenen Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen wenig erfreulich ausfallen. Und all das bei steigenden Ausgaben, vor allem im Sozialsektor. Auch Umlagen – beispielsweise an den Kreis – drohen in Folgejahren drastisch zu steigen.

Kredit wurde einstimmig erteilt

Im Gemeinderat, der unter besonderen Vorkehrungen in der Turnhalle Ringen tagte, beschäftigte man sich nun mit dem Dilemma. „Wir müssen handlungsfähig bleiben“, sagte CDU-Fraktionssprecher Klaus Huse im Einklang mit allen Ratskollegen. Die Ermächtigung, bis zu 15 Millionen Euro an Kassenkrediten aufzunehmen, wurde einstimmig erteilt.

„Wir müssen den Folgen der Corona-Krise Rechnung tragen“, meinte auch Hubert Münch für die SPD. Er forderte Einsparungen „da, wo es eben möglich ist“. Die Kassenkredite seien für die Verwaltung kein Freibrief, Geld einfach so ausgeben zu können: „Wir sitzen hier heute Abend vielmehr zusammen, weil uns das Geld auszugehen droht“, sagte Münch.

Ob die bewilligten 15 Millionen Euro überhaupt ausreichen werden, um die Liquidität der Grafschaft bis zum Jahresende zu sichern, ist fraglich. „Um den laufenden Etat abzusichern, wird ein größerer Betrag erforderlich sein“, stellte Juchem klar.

Daher soll ein Arbeitskreis den Rotstift kreisen lassen. Für Udo Klein, Vorsitzender der SPD, zeichnet sich längst ab: „Wir werden uns von liebgewordenen Projekten verabschieden müssen.“ Und ergänzte: „Allerdings wird nicht alles mit der SPD machbar sein.“

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