Kaufkraft in Sinzig Grüne diskutieren über den Einzelhandel

SINZIG · Über die Entwicklung des Einzelhandels und über "intelligente Stadtentwicklung" wollten die Grünen im Sinziger Schloss informieren.

 Wolfgang Schlagwein trug im Sinziger Schloss vor.

Wolfgang Schlagwein trug im Sinziger Schloss vor.

Foto: Martin Gausmann

Geladen hatten sie hierzu die Landtagsabgeordnete Pia Schellhammer, die jedoch kurzfristig absagen musste. Stattdessen übernahm ihr Fraktionskollege Wolfgang Schlagwein aus Bad Neuenahr ihren Part.

Mit verblüffenden Ergebnissen. Ein kleiner Faktencheck. Die Kaufkraft in Sinziger liege bei hundert Prozent, führte der Landtagsabgeordnete aus der Kreisstadt aus. Nach Mitteilung der Industrie- und Handelskammer liegt sie jedoch bei für ein Mittelzentrum schwachen 96,2 Prozent (Remagen 100,9, Bad Neuenahr-Ahrweiler 106,3).

Die realen Zentralitätswerte als aussagekräftige Indikatoren für die Einkaufsattraktivität einer Stadt - gemessen am Kaufkraftzu- und -abfluss - liegt in Sinzig dank der Ansiedlung von "Kaufland" bei 106,8, in Bad Neuenahr bei 171,8 und in Remagen bei 67,6.

Weitere Mitteilung des grünen Abgeordneten: Die einzelhandelsrelevanten Ausgaben würden stagnieren. "Der Kuchen bleibt gleich groß, wird aber neu verteilt", so Schlagwein. Auch dies deckt sich nicht mit den tatsächlichen Werten: Die Wirtschaft wächst, die Deutschen geben generationenübergreifend gern ihr Geld aus. Zur Freude der Einzelhändler, die ihren Umsatz alleine im Februar erneut kräftig gesteigert haben.

Er kletterte real um 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im Januar hatte es gar ein reales Plus von fünf Prozent gegeben. Steigende Löhne und die Rekordbeschäftigung sorgen für anhaltend gute Kauflaune.

Senioren als die Zielgruppe der Zukunft

Schlagwein sprach auch die demografische Entwicklung an. Formel: weniger Leute, weniger Kaufkraft. Auch hier dürfte der Grünen-Politiker zumindest vorerst daneben liegen. Senioren gelten nämlich als die Zielgruppe der Zukunft.

Sie haben Geld, sie haben Zeit, sie leben immer länger und sie werden immer mehr: Schon heute bestreitet die als "Generation Silber" bezeichnete Altersgruppe ab 60 ein Drittel der Ausgaben für den privaten Konsum. Im Jahr 2050 wird dieser Anteil bei rund 41 Prozent liegen.

Losgelöst davon: Noch nie verfügten Deutsche - egal welcher Generation - über eine so hohe Kaufkraft wie derzeit.

2050 wird die Hälfte der Bevölkerung über 55 Jahre alt sein, aktuell ist es ein Drittel. Tatsache ist, dass Rentner heute länger gesund bleiben und sich jünger fühlen als sie sind. "Dies schlägt sich", so die Bundesregierung in einem Situationsbericht, "im Konsumverhalten nieder".

Hinzu komme, dass ältere Menschen heute genussorientierter lebten als früher: "Sie sparen weniger und geben mehr Geld für gute Lebensqualität aus."

Schlagwein widmete sich auch den Leerständen in den Innenstädten. So mancher Hauseigentümer wolle "einfach nur seine Ruhe haben" und sich nicht mit neuen Ladenmietern herumschlagen. Wahrscheinlicher dürften es allerdings die Mietpreisforderungen und die Kleinflächigkeit der Ladenlokale sein, die für den aktuellen Leerstand sorgen.

Schlussendlich meinte ein Diskutant, das Angebot der Einzelhandels-Vollsortimenter sei viel zu groß, nachdem Wolfgang Schlagwein angemerkt hatte, im südfranzösischen Marseille gebe es ja noch kleine Tante-Emma-Läden, in denen man auf Vielfalt verzichte und es nur "zwei Joghurtmarken" gebe. Das Fazit einer Versammlungsteilnehmerin: "Man ist ja mit der Auswahl völlig überfordert. Vollsortimenter braucht man überhaupt nicht."

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