Ein Jahr nach der Flut Betrieben an der Ahr fehlen Flächen zum Wiederaufbau

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Ein Jahr nach der Flutkatastrophe ist die Wirtschaft im Ahrtal noch immer mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Die 800 betroffenen Betriebe stehen vor großen Herausforderungen: Es mangelt unter anderem an Geld und an Flächen.

  Jörg Schäfer, Vizepräsident der IHK Koblenz, und Anne Glück, IHK-Regionalberaterin, informierten über den Wiederaufbau der Wirtschaft im Ahrtal.

Jörg Schäfer, Vizepräsident der IHK Koblenz, und Anne Glück, IHK-Regionalberaterin, informierten über den Wiederaufbau der Wirtschaft im Ahrtal.

Foto: Marie Schneider

Eigentlich sollte die Pressekonferenz der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz in der Regionalgeschäftsstelle in Bad Neuenahr-Ahrweiler stattfinden. Doch die Flutkatastrophe des Sommers 2021 hinterlässt auch knapp ein Jahr später noch ihre Spuren im Ahrtal. Das Gebäude der IHK ist aufgrund einer Baustelle noch nicht wieder zu betreten. Ähnlich geht es zahlreichen Unternehmen im Ahrtal. Die etwa 800 von der Flut betroffenen Betriebe stehen auch ein Jahr nach der Flut noch vor großen Herausforderungen.

„Die Situation gestaltet sich für die Betriebe schwierig“, sagt Jörg Schäfer, Vizepräsident der IHK Koblenz. Die Infrastruktur sei für die Geschäfte des Einzelhandels sowie für die Industriebetriebe von großer Bedeutung. „Wenn man von 100 Prozent Schaden bei der Infrastruktur ausgeht, haben wir vielleicht 30 Prozent bisher wieder aufgebaut. Da liegt noch ein weiter Weg vor uns.“ Die Unternehmen seien auf reparierte Straßen und Brücken sowie einen funktionierenden Breitbandanschluss und intakte Kläranlagen angewiesen. „Die Fahrradwege und selbst die Fußwege sind noch nicht wieder so hergestellt, dass die Touristen, die wir erwarten, vernünftige Wanderwege gehen können“, sagt Schäfer.

Auch der Handel leide unter der beschädigten Infrastruktur. „Wenn ich gerade meinen Laden neu eröffnet habe und dann die Straße vor meiner Haustür wieder aufgerissen wird, ist das eine Katastrophe. Da kommt keine Laufkundschaft“, sagt Anne Glück, IHK-Regionalberaterin für die Landkreise Ahrweiler und Mayen-Koblenz. Die IHK sei mit der Stadt im Gespräch, um solche Situationen zu verhindern.

Wie viele Unternehmen mittlerweile bereits wiedereröffnet haben, könne die IHK nicht sagen. Doch habe sie vor Kurzem ein Register erstellt, in das sich die Unternehmen eintragen können. So will sie besseren Überblick darüber gewinnen, welches Unternehmen wieder aktiv ist.

Große überregionale Solidarität

Von den 800 betroffenen Unternehmen haben laut IHK erst 265 einen Antrag auf Wiederaufbauhilfe bei der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) beantragt. „Das ist viel zu wenig“, sagt IHK-Koblenz-Vizepräsident Schäfer. Die Frist zur Antragsstellung ende am 30. Juni 2023. „So ein Jahr vergeht wie im Flug, Unternehmen sollten nicht unterschätzen, wie lang allein die Erstellung des Gutachtens dauern kann“, appelliert Schäfer.

Es gebe verschiedene Gründe für diese niedrige Zahl: So hätten viele Industriebetriebe noch keine Ausweichflächen zur Verfügung gestellt bekommen: „Die wissen gar nicht, wo sie im Moment aufbauen sollen.“ Für die Industrie fehlen laut Glück zudem Industriegebiete, die an Hochwasser angepasst sind. Lieferschwierigkeiten bei den Maschinen kämen ebenfalls dazu. Allerdings gebe es viel überregionale Solidarität: „Andere Betriebe helfen zum Beispiel mit Lagerflächen oder Maschinen aus.“

Problematisch sei die Bürokratie: „Vor allem im Baurecht sind wir wieder bei den gewohnten bürokratischen Genehmigungsprozessen. Das geht einfach nicht, es müssen schnelle Entscheidungen getroffen werden.“ Hinzu komme, dass Unterstützungszahlungen nicht verlängert würden. Das Kurzarbeitergeld ende nach zwölf Monaten, die Einkommenseinbußen würden schon nach sechs Monaten nicht mehr gezahlt. „Es ist unrealistisch, in so kurzer Zeit Mitarbeiter zu halten und den Betrieb wieder aufzubauen“, sagt Glück.

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