Invasive Art Nutrias im Kreis Ahrweiler bereiten Jagdbehörde Sorgen

Kreis Ahrweiler · Die Biberratten machen sich im Kreis Ahrweiler breit. Während ein Tierschutzverein kein Problem sieht, ist man bei der Jagdbehörde skeptisch. Die Art vermehre sich „explosiv“.

 Ein Nutria am Schwanenteich in Bad Bodendorf.

Ein Nutria am Schwanenteich in Bad Bodendorf.

Foto: Martin Gausmann

Am Weg längs der Ahr auf der Grenze zwischen Bad Bodendorf und Sinzig entfaltet der Schwanenteich Magnetwirkung. Besonders Kinder werden nicht müde, immer wieder das Gelände zu besuchen, auf dem „mehr als 150 Tiere aus etwa 25 verschiedenen Arten harmonisch zusammenleben“, so Christina Bliss. Die Geschäftsführerin und Tierwartin des verantwortlichen Vereins Tier- und Naturfreunde Schwanenteich erläutert: „Fast alle Tiere sind Abgabetiere, die in ihrem alten Zuhause aus den verschiedensten Gründen nicht mehr bleiben konnten.“

So auch Kugli und Litti, zwei Nutrias, die eine Tierfreundin aufzog, nachdem sie von ihrer Mutter getrennt wurden. Sie durften nicht wieder ausgewildert werden und das Umweltamt untersagte der Frau die Haltung. So wandte sie sich an den Verein. „Der Schwanenteich hat in seiner Funktion als Tierpark zwar vielen Pflichten nachzukommen, aber dafür auch manche Rechte, die eine Privatperson nicht hat“, erklärt Bliss. Der Verein erwirkte unter strengen Auflagen  – beide Tiere mussten etwa gechipt und kastriert werden – eine Haltungsgenehmigung. Da das ausbruchssichere Gehege derzeit renoviert wird, bilden Kugli und Litti solange in der großen Voliere „eine wunderbare Gemeinschaft“ mit den Waschbären Bonnie und Leia. „Beide Tierarten teilen die Leidenschaft für Wasser und benutzen daher gerne das Wasserbecken.“

Drei Nutria-Würfe pro Jahr bei warmem Klima möglich

Ganz anders die Lage der Nutrias direkt am Teich. Bliss kennt sie seit 1999. Die Biberratten, Gattung Myocastor, mit den orangefarbenen Zähnen stammen aus Südamerika. Seit den 1930ern gibt es in Deutschland verwilderte Populationen, die auf Tiere aus Pelzfarmen zurückgehen. Sie leben am Wasser. Bei warmem Klima sind drei Würfe im Jahr möglich. Die Großfamilie am Schwanenteich indes ziehe ein- bis zweimal Jungtiere groß, so Bliss. „Manchmal wird ein Nutria vom Fuchs geholt, manche sterben auf andere Art und Weise. Ältere Tiere wandern ab und siedeln sich an anderen Orten an. Wir greifen vom Verein in die Natur der Wildtiere nicht ein.“

Gefüttert werde nicht, auch die Besucher bitte man, es nicht zu tun. Die Tierwartin: „Sie stören weder uns noch die Schwanenteichtiere und wir konnten bislang keine Schäden durch die Tiere ausmachen, obwohl wir den Uferbereich des großen Sees gut im Blick haben.“ Den an den Nutrias sehr interessierten Besuchern, die sie oft für Ratten halten, erklären die Vereinsmitglieder vor Ort viel. Daraus ergeben sich anregende Gespräche über die Tiere, die Natur und den Umweltschutz.

Nutrias stehen zunächst nicht auf der Jagdliste

Aus Vereinssicht ist das biologische Gleichgewicht gewahrt: „Die Tiere vermehren und dezimieren sich selbst, durch ihren natürlichen Lebensraum und die Chancen und Gefahren, die dort für sie bereitstehen.“ Die Art genießt nach dem Bundesnaturschutzgesetz wie alle wild lebenden Arten allgemeinem Artenschutz. Andrea Brinkhoff, Kreisvorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), verweist aber auch auf gesetzliche Maßnahmen, mit denen verbreitete invasive Arten eingedämmt werden sollen, sofern Ökosysteme, heimische Arten oder Biotope gefährdet sind. Schäden verursachen Nutrias durch das Graben von tiefen Gängen, ihre Verbreitung an vielen Gewässern in Deutschland und ihren Appetit.

Nutrias stehen nicht auf der Jagdliste, aber Ausnahmegenehmigungen können bei der Oberen Naturschutzbehörde beantragt werden. „Wir haben gewarnt“, sagt der Grafschafter Ralf Schmidt, Kreisgruppenvorsitzender im Landesjagdverband Rheinland-Pfalz. „Explosiv“ vermehre sich die Art. „Der Bauer hat das Problem von Ernteeinbußen in Randzonen. Pferde- und Kuhbesitzer rufen an, die Tiere brechen ein.“

Ohne Jagd werde man das Problem mit den Nutrias nicht in den Griff kriegen, ist Schmidt überzeugt. Doch könne er sich nicht vorstellen, dass etwa der Jagdpächter auf dem an den Schwanenteich angrenzendem Feld, selbst, wenn der Bauer das wünsche, mit Sondergenehmigung Nutrias schießen wolle. Denn dies sei zu gefährlich wegen der Besucher.

Bernd Hanke von der Unteren Jagdbehörde beim Kreis Ahrweiler sieht die Ausbreitung der Nutrias im Kreisgebiet mit Sorge. Er weiß auch von erteilten Sondergenehmigungen zur Bejagung der Tiere in Holzweiler und Eckendorf. Von den Sondergenehmigungen sind üblicherweise umfriedete Bereiche ausgeschlossen. Hanke teilt mit, dass in der Grafschaft das Regenrückhaltebecken bei der Haribo-Ansiedlung davon ausgenommen ist. „Da ist wirklich ein Problem. Sie unterhöhlen das Becken“, erläutert Hanke. Deswegen gebe es dort eine Schießerlaubnis. Abschusszahlen von Nutrias im Kreisgebiet liegen Hanke nicht vor. „Da sie eigentlich nicht zum jagdbaren Wild gehören, erscheinen sie nicht in der Statistik“, erklärt er.

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