Ohne Ernte droht Bauern der Ruin Landwirtschaft im Kreis Ahrweiler in der Krise

KREIS AHRWEILER · Die Landwirte im Kreis Ahrweiler schlagen wegen des Mangels von Erntehelfern aufgrund der Corona-Krise Alarm. Könne man nicht ernten, führe das zum Ruin der Betriebe und zu Versorgungsengpässen. Der Bauern- und Winzerverband organisiert jetzt eine Jobbörse.

Franz-Josef Schäfer ist Vorsitzender der Bauern und Winzer.

Franz-Josef Schäfer ist Vorsitzender der Bauern und Winzer.

Foto: Martin Gausmann

„Wenn ich an die derzeitigen Reisebeschränkungen denke und daran, dass wir schon jetzt Mitarbeiter brauchen, weiß ich nicht, wie es gehen soll.“ Franz-Josef Schäfer, der das sagt, ist Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes im Kreis Ahrweiler. Er sitzt auf seinem Trecker, bearbeitet Felder in der Nähe von Eckendorf. Am Dorfrand stehen auch seine Erdbeeranlagen, alles unter Folie und auf Hochbeeten zur Vereinfachung der Ernte.

„Ich muss hoffen, dass Erntehelfer kommen. Wenn die Anlagen nicht abgeerntet werden, sind die Kulturen kaputt“, sagt Schäfer. Mit der Familie allein könne die Ernte nicht geschafft werden, da seien schon für seinen Betrieb 40 bis 50 Leute erforderlich. Schäfer bedauert, dass bislang nicht feststehe, ob Erntehelfer etwa aus Polen oder Bulgarien überhaupt nach Deutschland kommen können.

Die eingespielte Praxis sieht so aus: Aus ihrer Heimat werden die Helfer mit kleinen Bussen nach Deutschland gefahren. Wenn die Busfahrer zurückkehrten, müssten sie womöglich für zwei Wochen in Quarantäne. Darum sei der Transport von Erntehelfern praktisch zum Erliegen gekommen. Und noch ein zweiter Punkt: „Wir müssen den Mitarbeitern auch die Angst nehmen, zu uns zu kommen“, sagt Schäfer.

Ohne die ausländischen Helfer wäre hier der Schaden groß, führt der Vorsitzende an. Wenn etwa die Spargelernte ausfalle, gingen die Kulturen kaputt. Die Bauern hätten sich Geld für neues Pflanzgut geliehen, könnten es ohne Ernte aber nicht zurückzahlen. „Wenn die Bauern nicht ernten können, kann das zum Ruin der Betriebe führen“, sagt Schäfer. Das gelte für alle Sonderkulturen, für Äpfel, Beeren und auch für Gemüse. „Wir stehen vor einer großen Herausforderung, das Schlimmste ist die Unsicherheit. Obst und Gemüse werden gebraucht, wir können uns nicht aufs Ausland verlassen“, stellt Schäfer fest. Schon jetzt komme kein Gemüse mehr aus Nord-Italien. Ohne Erntehelfer sei die künftige Versorgung ein Problem.

„Absolut kontraproduktiv“ findet Schäfer den Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, arbeitslose Angestellte aus der Gastronomie in die Ernte zu schicken. Das gehe an der Realität vorbei. „Meine große Sorge ist, dass wir Mitte Mai keine Leute haben“, sagt er. Derzeit beschäftige er Helfer aus Polen für Pflanzarbeiten, die wollten aber zurück. Anfang Juni sollten Bulgaren kommen. „Ich weiß aber nicht, wie wir das organisieren sollen“, sucht er Rat.

Angesichts der schwierigen Lage im ganzen Land fordert Schäfer grundsätzlich, dass drei relevante Bereiche nicht kaputt gespart oder ins Ausland verlagert werden dürften, etwa die Medizin und die Medikamentenversorgung. Auf den Gebieten Landwirtschaft und Ernährung sollte Deutschland ebenfalls zu einem gewissen Teil autark sein, fordert er. Auch die Konsumenten dürften nicht auf ein paar Cent mehr oder weniger schielen. Im eigenen Lande gesichert werden müsse die Energieversorgung.

„Eine Woche ohne Strom, das ist schlimmer als Corona“, sagt Schäfer und führt als Beispiele Probleme bei der Kühlung und die Wasserversorgung an.

Schäfers Kollege Bruno Müller, Vorsitzender des Arbeitskreises Obstbau im Kreis Ahrweiler, hat sich auf den Anbau von Himbeeren und Äpfeln spezialisiert. „Derzeit gibt es noch was zu essen, wie es im Sommer aussieht, wissen wir nicht“, sagt Müller. Auch er fürchtet die Probleme rund um die Einreise der Erntehelfer aus Rumänien. Sozialversicherungsfrei könnten sie für drei Monate kommen, wenn sie länger blieben, müssten sie versichert werden. In seinem Betrieb seien Rumänen gerade damit beschäftigt, Himbeeren zu pflanzen.

„Wer sie pflückt, weiß derzeit keiner“, sagt Müller. Irgendwer müsse sie aber pflücken, vielleicht kämen Deutsche, die durch Corona ihre Arbeit verloren hätten, lieber zum Pflücken, „statt Kohldampf zu schieben“. „Wenn keiner pflückt, sind wir alle pleite wie auch die Restaurants und die Handwerker, die nicht mehr arbeiten können“, formuliert der Landwirt drastisch. „Wir können es uns nicht leisten, länger als sechs Wochen in einer Kultur nicht zu arbeiten.“

Müller denkt darüber nach, selbst mit einem Bus Erntehelfer aus Rumänien abzuholen. Denn die Menschen dort hätten kaum Erwerbsquellen, führt Müller an. „Sie sagen, wenn ich zu Hause sitze, verdiene ich nichts“, berichtet er. „Sie kommen ja nicht, weil es ihnen hier so gut gefällt.“ So sei die derzeitige Situation auch für die Menschen in Rumänien hart. Und wenn nicht geerntet werde, herrsche in Deutschland im Sommer Hunger, benennt er den Zusammenhang. Müller hofft, dass Einheimische sich bereiterklären, bei der Ernte zu helfen. „Vielleicht bekommen sie dann auch Respekt vor den Lebensmitteln“, denkt er. Als „ernst, bedrohlich und sehr beängstigend“ betrachtet Müller die Situation für alle. Die Mitarbeiter aus Rumänien wollten hier ihr tägliches Brot verdienen, die Menschen in Deutschland wollten essen. Eine Lage wie jetzt sei noch nicht dagewesen. „Wenn die Ernten nicht eingebracht werden können, gibt es Hunger.“

Ratlos ist Landwirt Heinrich Fuchs aus Eckendorf. Spargel, einer der Hauptpfeiler seines Betriebs, sollte als Erstes geerntet werden. „Ich habe die gesamte Arbeit nach hinten geschoben, will alles so spät wie möglich ernten, weil ich hoffe, dass sich die Situation vielleicht bis Mitte April entspannt“, sagt er. „Wenn nicht, weiß ich nicht, was werden soll.“

Bei den Erntehelfern aus Polen sei nicht klar, ob sie kommen dürften oder überhaupt wollten. Für seinen Betrieb brauche er zehn Helfer, genug Platz sei auf dem Hof, und auf dem Feld hätten sie keinen Kontakt zu andern. Ohne die Helfer müsse er überlegen, was mit den Pflanzen geschehen solle, wenn der Spargel schießt.

Vielleicht müsse man die Stangen mechanisch kappen, dann seien sie verloren, vielleicht könne man wenigstens einen kleinen Teil an „Selbststecher“, analog zum Selbstpflücken bei den Erdbeeren, verkaufen. Für Fuchs stellt sich einerseits die Frage, ob die Helfer kommen, andererseits die Frage, ob er als Direktvermarkter den Hof zur Zeit der Spargel- und Erdbeerernte öffnen könne.

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