Schuld nach der Flutkatastrophe Ein Neuanfang für den Ortskern der Ahrtal-Gemeinde

Schuld · In Schuld beginnt der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe. Dennoch müssen zwei traditionsreiche Bauwerke im Ort abgerissen werden. Bürgermeister Helmut Lussi hat außerdem Gestaltungsvorschläge für die zerstörte Dorfmitte.

 Die Flutkatstrophe hat die Gemeinde Schuld verwüstet. Bürgermeister Helmut Lussi plant eine grüne Oase für den brachliegenden Ortskern.

Die Flutkatstrophe hat die Gemeinde Schuld verwüstet. Bürgermeister Helmut Lussi plant eine grüne Oase für den brachliegenden Ortskern.

Foto: Stephan Stegmann

In der beschaulichen Ortsgemeinde Schuld stehen nach der Flutkatastrophe alle Zeichen auf Neuanfang. Doch dafür müssen unter anderem noch die Domhofbrücke sowie die alte Mühle im Mühlenweg weichen. Beide Bauwerke zierten bisher den Ortskern und zahlreiche Postkarten, haben mit letzter Kraft den meterhohen Fluten der Ahr widerstanden. „Das ist nun vorbei. Das ist seit der jüngsten Expertenbegehung klar“, sagt Ortsbürgermeister Helmut Lussi.

Alternativen habe es nicht gegeben, statisch und hochwasserschutzkonform sei da nichts mehr zu machen. In Absprache mit der Oberen Wasserbehörde soll am Domhof nun eine Spannbogenbrücke errichtet werden. „Über die architektonischen Feinheiten werden wir noch sprechen“, sagt Lussi, für den feststeht: „Auch wenn es an manchen Orten wehtut, werden wir neu aufbauen und den Blick in die Zukunft richten müssen. Und das wollen wir tun.“

Gemeinde will Grundstücke erwerben

Mit seinen gut 650 Einwohnern ist das einstige Idyll eine der kleineren Gemeinden, die dem Hochwasser zum Opfer fielen. Dafür schlugen die Fluten ihre Breschen dort mit besonderer Brutalität und brachten so das komplette Dorf zum Erliegen. „Durch unseren Ort windet sich die Ahr, fließt zudem unter zwei Brücken hindurch“, sagt der 65-Jährige, der das Geschehen am Unglückstag bis zum nächsten Morgen mit ansah. „Die Brücken waren total verklaust. Also sah ich die Ahr steigen, Meter um Meter. Im Jahr 2016 war sie hier gut vier Meter hoch, diesmal fast acht.“ Container, Gastanks, Baumstämme und sogar ein Lastwagen versperrten die Flussrichtung. Das Wasser breitete sich entlang des Bahndamms von der Hauptstraße in die Ortsmitte und die dortigen Wohngebiete aus, riss das Gemeindehaus mit und schloss nahezu den gesamten Ortskern ein. „Es war unmöglich, etwas dagegen zu tun. Auch die Einsatzkräfte konnten nichts machen, sondern hätten sich in Anbetracht dieser Wassermassen nur unsinnig in Lebensgefahr begeben“, sagt Lussi.

Schuld hat gelitten. Rund 50 Prozent der Gebäude im Ort sind vom Hochwasser betroffen. Der Abriss von sieben Häusern ist bereits erfolgt. Drei Familien werden wegziehen. „Aber es kommen auch wieder Menschen zu uns, denn neue Eigentümer haben sich bereits gefunden“, sagt der Bürgermeister, in dessen Auftrag bereits Planungsbüros für den Wiederaufbau engagiert wurden. „Auf der Fläche, auf der nicht mehr gebaut werden darf, würden wir gerne eine grüne Oase mit einem Dorfbrunnen und Bäumen errichten. Auch der Kinderspielplatz soll wieder dorthin“, sagt Lussi. Einziger Haken: Zuerst müsste die Gemeinde die entsprechenden Grundstücke besitzen, die teils noch in Privathand sind. „Sollten wir diese Flächen erwerben können, mangelt es uns nicht an tollen Ideen dafür, was wir darauf machen können.“

Ungewisse Rückkehr nach Hause

An Fantasie darf es auch Jan Rott nicht mangeln, denn er baut mit seiner Familie aktuell sein sehenswertes Fachwerkhaus direkt an der Domhofbrücke wieder auf. „Es ist eines von zwei denkmalgeschützten Häusern in Schuld“, sagt er. Über das, was davon nach der Flut noch übrig war, konnte sich Rott arbeitsbedingt erst am darauffolgenden Morgen ein Bild machen. Was er vorfand, war nicht mehr das historische Gebäude, in dem er sich seit elf Jahren so wohlgefühlt hatte. Im Keller war Schlamm, im Erdgeschoss stand das Wasser 1,5 Meter hoch. „Das konnte ich erst nicht glauben, denn ich hatte bereits die Flut 2016 erlebt. Mit einem solchen Ausmaß rechnet einfach niemand“, sagt der 53-Jährige, der sich kurz darauf rares Arbeitsequipment organisierte, um schleunigst mit den Aufräumarbeiten beginnen zu können.

Vier Monate danach steht Rott auf seiner Baustelle. Im Erdgeschoss muss der Betonboden entfernt werden, dabei packt er selbst mit an. Alle Fachwerkwände sind zudem von Putz befreit. „Es geht voran. Wie in ganz Schuld ist der Fortschritt erkennbar“, sagt Rott, der an einer Sache keinen Zweifel lässt: „Ich werde wieder aufbauen. Wenn die Wiederaufbauhilfe zügig ausgezahlt wird, möchte ich im Mai damit fertig sein.“ Wie es sich anfühlen wird, nach der Flut zurückzukehren, weiß der 53-Jährige nicht genau. „Aber sicherlich gibt es ein Leben davor, und eines danach. Wie das für mich und meine Familie hier aussehen wird, kann ich noch nicht sagen“, sagt Rott. „Es ist schon ein Neuanfang, nur in unserem alten Haus.“

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