Nach der Flutkatastrophe „Wandern für den Wiederaufbau“ lockt zahlreiche Besucher ins Ahrtal

Ahrtal · Am Samstag hat die Aktion "Wandern für den Wiederaufbau" an der Ahr begonnen. Ungezählte Wanderer begeben sich zum Start auf die 15 Kilometer lange Wanderstrecke durch die Weinberge des Ahrtals, wo zahlreiche Gastronomie- und Getränkestände warten.

Wandern für den Wiederaufbau im Ahrtal: Fotos von der Ahr
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„Wandern für den Wiederaufbau“ 2022 im Ahrtal

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Sie ließen sich nicht lange bitten: Bei schönstem Wanderwetter kamen am Samstag Naturfreunde und Weinliebhaber scharenweise ins von der Flut so schmerzhaft geschundene Ahrtal. Einmal, um die frühlingshafte Landschaft und die Sonne zu genießen, andererseits, um den Orten entlang des Rotweinwanderwegs wieder auf die Beine zu helfen. Mit dabei die Deutsche Weinkönigin Sina Erdrich (Baden), ihre Prinzessinnen Saskia Teucke (Pfalz) und Linda Trarbach (Ahr, Dernau) sowie ein großes Gefolge von Majestäten aus dem Ahrtal.

„Wandern für den Wiederaufbau“: Kein Gedränge auf Wanderwegen

Trotz der hervorragenden Resonanz auf die Einladung zum Wandern gab es kein Gedränge auf der 15 Kilometer langen Strecke von Marienthal bis Altenahr. Shuttle-Busse brachten die Ausflügler in dichtem Takt von Grafschaft-Gelsdorf, dem Bahnhof Sinzig und der Ahrtalbahn an ihren gewünschten Startpunkt für die Tour. Von dem aus machten sie sich individuell auf den Weg. Zwar sind die Dörfer weitgehend aufgeräumt, aber immer noch erheblich zerstört; dagegen blieb der Rotweinwanderweg unversehrt. Er ist nahezu das einzige Kapital, aus dem die Fremdenregion derzeit schöpfen kann. Zu beobachten sind aber auch wieder etwa in Rech und Altenahr erste Ansätze einer Außengastronomie vor noch nicht wieder intakten Gaststätten und Winzerhöfen. Wieder geöffnet sind einige Restaurants in Höhenlage. Sie hatten die Flut heil überstanden, aber Strom- und Wasseranschluss waren auch dort defekt.

Unterwegs musste keiner hungern oder dursten. An 20 Ständen boten Gastronomen und Winzer Speisen und Getränke an. An Tischen und auf rustikalen Bänken ließen es sich die Besucher gut gehen, um sich später auf den Weg zur nächsten oder übernächsten Jause zu machen. Alles kein Problem, denn die Busse brachten sie auch wieder zurück nach Gelsdorf beziehungsweise zu den Bahnstationen. Mit dem Erwerb von Armbändchen und Weingläsern trugen die Wanderer einen direkten Obolus zum Wiederaufbau der Orte bei.

„Wir lieben diese Gegend und kommen öfter“, berichtet ein paar aus Zülpich. „Es ist unser Wandergebiet Nummer 1, jetzt wollen wir die Region unterstützen. Es wird lange dauern, bis alles wieder aufgebaut ist.“ Sie hatten den Aufruf zur Wanderaktion im Internet gefunden. Ein Paar aus Frankfurt zeigt seine Erschütterung: „Man könnte nur weinen, wir waren im Mai des vergangenen Jahres noch hier. Wir sind sprach- und fassungslos. Wenn man jetzt das Brachland entlang des Flusses sieht, ist man erschüttert. Erschütternd ist auch, dass so viele Menschen zu Schaden gekommen sind.“

Wanderer zeigen sich solidarisch mit Flutopfern an der Ahr

Nicht so weit war die Anreise für eine Gruppe aus der Grafschaft. Sie wollten sich solidarisch zeigen mit den Menschen an der Ahr und hofften, unterwegs auch Freunde und Bekannte zu treffen. Ein Freundeskreis aus Bad Honnef hatte sich vor ein paar Jahren beim Dernauer Weinfrühling kennengelernt. Seitdem kommen sie jedes Jahr am letzten Wochenende im April ins Weindorf. Auch nach der Katastrophe.

Als „Ahrschwärmer“ gibt sich ein älteres Paar aus Köln zu erkennen, das das Tal „seit 50 Jahren automatisch“ besucht. „Es sieht noch immer schlimm aus, viele Häuser fehlen, auch unser Lieblingslokal, das Jägerstübchen in Mayschoß-Laach“, berichten sie. Das Jägerstübchen gibt es nicht mehr.

„Wenn man durch Dernau geht, bekommt man eine Gänsehaut“, stellt ein Paar aus Rheinbach fest. Bei dem schönen Wetter waren sie spontan aufgebrochen. „Wir wollen dem Ahrtal bewusst helfen“, begründen sie ihren Entschluss. Mit dem Bus nach Altenahr, dann hoch zur Burg Are und weiter zu Fuß Richtung Mayschoß, vielleicht auch bis Rech. Das haben sich die Rheinbacher vorgenommen. Sie berichten von vielen Bekannten, die als Helfer im Ahrtal waren. „Es ist schön zu sehen, dass es weitergeht“, sind sie sich einig.

Einen offiziellen Start für die Wanderaktion gab‘s auch. Der war am Weingut Deutzerhof in Mayschoß mit Begrüßung der Ehrengäste durch Rudolf Mies, den Vorsitzenden des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Mayschoß. Mit dabei war Staatssekretärin Nicole Steingaß aus dem Mainzer Innenministerium und Landesbeauftragte für den Wiederaufbau. Sie dankte den Verantwortlichen aus den örtlichen Verkehrsvereinen. Die Wanderaktion zeige, dass das Ahrtal mehr sei als eine Katastrophenregion. „Es ist ein gutes Zeichen dafür, dass wieder Leben im Ahrtal ist“, lobte Steingaß.

Als frisch installierte Landrätin war die frühere Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, gekommen. „Diese Region strahlt viel Lebensfreude, Gastfreundschaft und Genuss aus, viele Menschen sind mit uns auf dem Weg und können jetzt mit uns genießen.“ Als erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Altenahr dankte Georg Knieps den Initiatoren der Wanderveranstaltung. „Gerade in Zeiten des Wiederaufbaus sind wir dringend auf unsere Gäste angewiesen“, sagte er. Die Aktion bezeichnete er als „klares Zeichen für die Zukunft“. Die Gäste bezeugten Verbundenheit und unterstützten die Betriebe, die Gastronomie und die Winzer. „Der Besuch im Ahrtal ist gelebte Solidarität“, sagte Knieps.

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