250 Schüler treten in Sankt Pius auf Auf "Wutausbruch" folgt ein Schlaflied

KREISSTADT · Abschlusskonzert des Projektes „Sing Bach“ packt Eltern und Kinder gleichermaßen.

 250 Grundschüler aus der Kreisstadt beim Abschlusskonzert des Projektes „Sing Bach“ in der Pius-Kirche.

250 Grundschüler aus der Kreisstadt beim Abschlusskonzert des Projektes „Sing Bach“ in der Pius-Kirche.

Foto: Matin Gausmann

Manche hatten eine Woche vorher noch nichts von Johann Sebastian Bach gewusst, geschweige denn eine seiner Kompositionen gekannt. Umso erstaunlicher, wie leicht den 250 Grundschülern beim Abschlusskonzert des von der Elisabeth-Lindner-Stiftung initiierten Projekts „Sing Bach“ (der GA berichtete) seine Werke über die Lippen gingen. Und selbst die Eltern waren erstaunt, welch zumeist auf Fingerzeig folgende Akteure die Tübinger Gesangspädagogin Friedhilde Trüün binnen fünf Tagen aus ihrem Nachwuchs gemacht hatte.

Bachs Chöre aus der Johannes-Passion und aus der Matthäus-Passion gehörten als zentrale Werke im Programmverlauf zu den Höhepunkten. Echoartig fragten die Stimmen der Dritt- und Viertklässler der Grundschulen Heimersheim und Bad Neuenahr „Bist du nicht seiner Jünger einer?“. Vollen Körpereinsatz zeigten sie bei „Nicht diesen, diesen nicht“. Noch eins drauf legten sie gemeinsam mit den Instrumentalisten beim zweistimmigen Chor „Sind Blitze, sind Donner in Wolken verschwunden“, nachdem bebende, grollende, quietschende, schlagende, fahrige und drohende Klänge sowie ein kollektives Zischen aus den Mündern der Kinder die volle Ahrweiler Pius-Kirche erfüllt hatten und ihr anfängliches Flüstern sich dramatisch steigerte. Was sollte auf diesen „komponierten Wutausbruch“ noch folgen? Ein Schlaflied! Und zwar eins zur Melodie von Bachs berühmten „Air“ mit einem Text von Frank Schlichter, der bei dieser Aufführung selbst am Klavier saß und auch für die Arrangements von „Sing Bach“ verantwortlich zeichnet.

Zum Frank-Schlichter-Ensemble gehörten außerdem die weiteren Profi-Musiker Volker Kaulartz an Saxofon und Klarinette, Sebastian Schuster am Kontrabass und Felix Kuthe am Schlagzeug. Und als Moderatoren leiteten die Grundschüler Azra Caliskan, Emely Gäb, Oskar Kefferpütz und David Lorca Schmitz mit launigen und oft gereimten Zwischentexten von einem zum nächsten Stück über. Dabei ging es bei weniger um den religiösen Kontext als etwa um Bachs Leben und Werk, wie er etwa in Zeiten ohne Kopiergerät seine Kinder zum Abschreiben der Noten heranzog: „Schon wieder“ stöhnten die im Text nach einem Marsch aus dem „Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“. Bei einer Goldberg–Variation sangen auch die Zuhörer, getrennt nach Männern und Frauen, im Kanon mit den Kindern „Kraut und Rüben“. Dann hieß es „Sing mal wieder“, und als Zugabe folgte „Dona nobis pacem“, das Lieblingsstück ganz vieler der Grundschüler.

Ganz schön hibbelig waren diese zum Teil vor Konzertbeginn gewesen, und das Publikum sah sich umringt von den jungen Akteure, die teilweise aufgeregt ihren Angehörigen zuwinkten, die sie in den Zuhörerreihen ausmachten und die nicht weniger nervös waren. „Du musst klatschen“, sagte ein Dreikäsehoch im Publikum zu seiner Mutter, die schon zu ergriffen dazu wirkte, als ihre Tochter mit den anderen auf die Bühne lief. Zur Beruhigung aller setzte Trüün dann erst mal ein kollektives „Fotoshooting“ an, bei dem die jungen Sänger ihren in den Tagen zuvor eingeübten liebsten “Zauberblick“ aufsetzten. Der bedeutete auch Konzentration. In ein zuckersüßes Lächeln mit brav gefalteten Händen, charmant schief gelegtem Kopf sowie einem Blick, der nicht nur die Elternherzen erweichte, verfiel auf das Stichwort auch noch nach dem Konzert die neunjährige Karla Krause aus Bad Neuenahr. Deren Mutter Silke hätte am Liebsten auch gleich mitgemacht. Und auch Vater Alexander war angetan, dass die Stücke, die einem so bekannt seien, etwa in jazzigem Gewand noch mal so anders zur Geltung gekommen waren. Erwachsene und Kinder gleichermaßen waren ergriffen von dem Projekt. „Bei Bach sind Schmerzen immer irgendwie auch schön, und Freude ist immer irgendwie auch traurig“, hatte Kantorin Andrea Stenzel als Vorstandsvorsitzende der Stiftung und Korrepetitorin während der Einstudierungsphase eingangs gesagt. Und eine Großmutter aus Gimmigen berichtete am Ende, dass ihre Enkel jeden Tag begeistert von den Proben heimgekommen wären, und sie fügte mit einem Augenzwinkern an: „Das erste Konzert, das sie im Leben singen, und dann gleich Bach: Das hat doch was?!“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort