Internationalen Holocaust-Gedenktag in der Ahrweiler Synagoge Bilder und Töne von „schmerzender Schönheit“

AHRWEILER · Nicht nur Bundes- und Landtag gedachten zum Internationalen Gedenktag der Opfer des Nationalsozialsozialismus. Auch in der Ahrweiler Synagoge kamen Menschen zusammen, um bei Konzert und Ausstellung den 71. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zu begehen.

 Konstantin Gockel und Liudmila Givoina musizierten zum Gedenktag in der Synagoge.

Konstantin Gockel und Liudmila Givoina musizierten zum Gedenktag in der Synagoge.

Foto: Martin Gausmann

Nicht aus Auschwitz, sondern aus dem KZ Sachsenhausen stammten indes die Fundstücke, die die Zusammenkunft „umrahmten“. Ingrid Gahl, stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins Bad Godesberg, erklärte, sie habe die Funde kurz nach deren Ausgrabung in Arrangements fotografiert und diese dann 2015 für eine Serie von Ölbildern verwendet, die wachrütteln sollen.

„Warum? Ungeheuer ist vieles, doch nichts ungeheurer als der Mensch“ steht auf einem der neun Ölbilder, die in Ahrweiler erstmals und nur für einen Tag ausgestellt waren. Daneben der erst auf den zweiten Blick erkennbare Verweis auf Sophokles’ „Antigone“, aus der sie das Zitat und zugleich den Titel der Reihe abgeleitet hat.

„Mit diesen Bildern möchte ich den Bogen schlagen von der Antike bis heute“, sagt die Malerin. Der Bezug zur Antike wurde auch im jüngsten Werk der Reihe deutlich, das neben einem Stapel Stahlhelmen das untere Teil einer antiken Büste und das Wort „Nein“ abbildete. Die anderen Werke zeigten keine Schriftzüge sondern reine Arrangements aus Flaschen, Scherben, Tassen sowie verwitterte Metallgegenstände und etwa Reste zweier Gasmasken vor zum Kreuz aufgetürmten Ziegelsteinen.

Nicht bedrohlich, sondern harmonisch in der Farbgebung, hat Gahl die Funde vor abstrakten, oft auch geometrisch angelegten Hintergründen in Szene gesetzt. Sie malt nach eigenen Angaben nie mit dem Pinsel, sondern vor allem mit den Händen und schreibt dieser Bilderserie eine „schmerzende Schönheit“ zu. Mit diesen Worten waren auch viele der Klänge zu beschreiben, die Konstantin Gockel und Liudmila Givoina Violine und Klavier entlockten.

Mit einem Stück von lyrischer Schönheit setzten sie an: Felix Mendelssohns „Auf den Flügeln des Gesangs“ mit einem von gleichförmigen Klavier-Arpeggien umrauschten zauberhaften Violinenspiel. Bilder von all den Juden, die der Unternehmer Oskar Schindler im Zweiten Weltkrieg vor dem Tod rettete oder auch nicht, zogen sicher vor dem geistigen Auge vieler der andächtig lauschenden Zuhörer bei der Interpretation von John Williams' „Theme from Schindler’s list“ vorbei.

Weniger bekannt, aber nicht weniger packend die weiteren Interpretationen des Abends, vor allem Ernest Blochs „Nigun aus Baal Shem“, aber auch die Komposition „Lilith II“ vom ausführenden Gockel selbst. Einmal schraubte sich die Violinlinie nach tiefen, fast drohend vibrierenden Klavierakkorden bis in höchste Höhen. Dann wurden die Violinsaiten energisch und spannungsgeladen gerieben, während die Klaviersaiten zuweilen dröhnten und grollten.

Ostinate Klavierakkorde und zarte, ebenso wie raue Violinakkorde, nur kurze sanfte Zwischenspiele oder kurze Pausen vor plötzlichem temperamentvollem Aufbegehren, ja geradezu in Noten gefassten Schreien, entbehrten nicht der Dramatik und des schmerzlichen Elements im schönen Spiel. Besänftigender, ja sogar tänzerisch, mit Klezmermusik aus New York endete das Konzert, für das das Publikum viel Beifall hatte.

Die musikalischen Akteure des Abends hatten einen Schwerpunkt auf Werke jüdisch stämmiger Komponisten, die vielfach später in die USA auswanderten, gelegt. Darauf, dass im Dritten Reich längst nicht nur Juden, sondern unter anderem auch Behinderte, Kranke, Homosexuelle und sogar nicht-angepasste Jugendliche verfolgt und vernichtet wurden, hatte der Vorsitzende des gastgebenden Bürgervereins Synagoge, Klaus Liewald, eingangs erinnert: „Es hat nicht viel dazu gehört, vom Nationalsozialismus angefeindet und verfolgt zu werden.“

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