Caritas Werkstätten in Sinzig Hier bekommt Gebrauchtes ein zweites Leben

In den Caritas Werkstätten in Sinzig werden nicht nur alte Lampen und Stoffe durch Upcycling für neue Produkte verwendet. Auch für die Auszubildenden bedeutet die Aufgabe eine neue Chance für den Arbeitsmarkt.

 Doris Hein und Kerstin Schönenbach im Upcycling-Werkraum: Hier entstehen Taschen aus alten Jeans oder Feuerwehrschläuchen.

Doris Hein und Kerstin Schönenbach im Upcycling-Werkraum: Hier entstehen Taschen aus alten Jeans oder Feuerwehrschläuchen.

Foto: Martin Gausmann

 Das Werk III im Caritas Zentrum St. Raphael ist an diesem Tag verwaist. Nur etwa zehn Personen verlieren sich in den großen Hallen am Grünen Weg in Sinzig. Im sogenannten Entlastungsbereich puzzeln zwei Lernende aus der Beruflichen Bildung, zwei weitere sortieren Karten mit Zahlen und Buchstaben in kleine Kisten. Fast genauso viele Caritas-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten die Auszubildenden mit Behinderung oder Beeinträchtigung bei ihren Aufgaben.

„Werkstatt III widmet sich ganz der Beruflichen Bildung“, sagt Doris Hein, die Abteilungsleiterin. Hier kämen meist junge Menschen hin, um die 20, die „einen holprigen Start ins Leben hatten und bei vielen anderen Institutionen durchgerutscht sind“.

Bei dem Programm der Caritas versuchen die Angestellten in etwa drei Monaten herauszufinden, ob und wo die betreuten Personen künftig beruflich eingesetzt werden könnten.

Dabei ginge es natürlich nicht nur um ihre individuellen Fähigkeiten, Vorkenntnisse und Belastungslevels, sondern auch um ihre persönlichen Interessen. Manchmal, so sagt Hein, passe das aber leider nicht: „Wir hatten jemand in der beruflichen Ausbildung, der wollte unbedingt in die Schreinerei. Leider hatte er zwei linke Hände.“

Herausfinden wer was kann

Ziel ist es, die Menschen, die nicht für das normale Arbeitsleben geeignet sind, in einem der vielen Caritas-Betriebe unterzubringen, oder durchaus auch extern eine Arbeitsstelle für sie zu finden. Im St. Raphael Werk selbst arbeiten derzeit knapp 230 Menschen mit Beeinträchtigung in einem der 15 Betriebe wie Montage, Wäscherei oder Gartenbau. Nach dem Berufseignungstest und etwa drei Monaten in der Ausbildung, wird versucht, für jeden ein Praktikum zu finden und schließlich, irgendwann, einen Arbeitgeber – intern oder extern.

Der Berufseignungstest besteht aus einfachen Aufgaben wie verpacken oder sortieren. Seit Mitte März versucht man auch, die Fertigkeiten der Teilnehmer im Projekt „Upcycling“ zu testen. Die beiden Fachkräfte für Berufliche Bildung, Birgit Ott und Kerstin Schönenbach betreuen federführend.

Sie sitzen, abgetrennt durch Stellwände, an großen Arbeitstischen mit Nähmaschinen, Scheren, Stoffen und allerhand mehr. Das kommt vorwiegend aus dem Sozialkaufhaus „Lisa“ in Remagen. Die gebrauchten Stoffe, Tassen, Jeans, Lampenschirme oder Bestecke werden in der Werkstatt zu neuem Leben erweckt, ja veredelt.

„Wir machen hier Öllampen aus besonders schönen alten Flaschen oder Etageren aus einzelnen Service-Stücken“, so Birgit Ott. „Aus einer Jeans kann man beispielsweise alles nähen. Ganz beliebt sind bei uns die Gartentaschen und -schürzen“, ergänzt Schönenbach als weitere Beispiele. „Wir haben schon unsere Kolleginnen aufgefordert, Ihre aussortierten Jeans bei uns abzugeben.“

Beliebt heißt in diesem Fall nicht nur, dass die Auszubildenden aus der Beruflichen Bildung diese Produkte ganz besonders gerne herstellen, sondern auch, dass sie sich gut verkaufen lassen. Die ersten Designstücke des recht jungen Projekts wurden in einem kleinen Sonderbereich im Caritas-eigenen Geschäft „Radicula“ ausgestellt und teilweise auch verkauft.

Hühnchen waren der Kassenschlager

Der Kassenschlager der ersten Wochen waren die sogenannten Hühnchen, Stofffiguren zu Ostern, die man an einen Strauß binden oder einfach als Tischdekoration aufstellen kann. Welche Upcycling-Projekte (Wiederverwertung) angegangen werden, entscheiden Ott und Schönenberger. Ideen holen sie sich aus dem Internet, von Pinterest oder aus dem eigenen Kopf. „Manchmal gibt auch das Material her, was aus einem Stück werden könne“, so Ott. So war es zum Beispiel bei den Etageren aus alten Porzellan-Einzelstücken. Die hätten sie bei „der Lisa“ gesehen und sofort die Idee dazu im Kopf gehabt.

Wichtig ist auch, dass in der Werkstatt neben Nähen auch andere Fertigkeiten auf der Tagesordnung stehen, denn es ginge ja besonders darum, herauszufinden, was die Auszubildenden gerne und gut machten. „Ein Naturtalent hatten wir hier: Der hat uns in ein paar Tagen sechs Tür-Stopper genäht und konnte jeden Schritt von Zuschnitt bis Bedrucken“, so Ott weiter. Das sei nicht bei allen 45 Teilnehmern der beruflichen Bildung im Kreis Ahrweiler so.

Nach knapp zwei Monaten ist das Fazit zum Test-Projekt erstmal positiv. Die Betreuer hätten das Gefühl, dass es den Teilnehmern Spaß macht. Jedenfalls käme oft die Rückmeldung, „dass sie die Arbeit sehr vermissten“, da während Corona die jungen Leute nur alle zwei Wochen vor Ort teilnehmen können. In den nächsten Tagen sitzen dann vielleicht wieder Auszubildende um die Tische und können Schürzen oder, ganz neu, Ofenhandschuhe, nähen.

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