Rock am Ring 2022 Furioses Comeback mit frühen Höhepunkten

Update | Nürburgring · Rock am Ring 2022 ist am Sonntagabend zu Ende gegangen. Das Comeback nach der Corona-Pause ist gelungen. Höhepunkte gab es schon früh.

 Das Publikum bei Rock am Ring sieht in der Nacht von Freitag auf Samstag beim Auftritt von Green Day den Höhepunkt des Festivals.

Das Publikum bei Rock am Ring sieht in der Nacht von Freitag auf Samstag beim Auftritt von Green Day den Höhepunkt des Festivals.

Foto: Benjamin Westhoff

Feuerwerk steigt in die Luft, Konfetti regnet zu Boden. Beides zusammen bildet bei Rock am Ring den krönenden Abschluss des Auftritts einer großen Band: Green Day. Dabei hätten die Punkrock-Urgesteine aus Kalifornien die spektakuläre Show gar nicht nötig gehabt. Ihre Musik spricht für sich.

Die Tausenden Menschen vor der Hauptbühne, insgesamt sind etwa 90.000 beim Festival, können gefühlt jedes Lied mitsingen. Sänger Billie Joe Armstrong gibt gleichzeitig den Dirigenten, der bei den Gesängen aus dem Publikum per Handzeichen den Takt vorgibt. Einen jungen Mann aus der Menge holt er sogar für ein Duett auf die Bühne, genauso wie später eine junge Frau zum gemeinsamen Gitarrespielen. Das ihr dafür ausgehändigte Instrument darf sie sogar behalten.

Ein großer Teil der Stücke, die Green Day spielt, stammt von ihrem 2004 erschienenen, mit einem Grammy ausgezeichneten Rockoper-Album „American Idiot“. Mit dem gleichnamigen, äußert mit Tempo geladenen Song, beginnen die Amerikaner nicht nur das Album, sondern auch ihren Auftritt bei Rock am Ring. An dessen Ende, kurz vor Feuerwerk und Konfetti, gehört die Bühne allein Armstrong und seiner Akustikgitarre, mit der er „Good Riddance“ spielt. Darin heißt es, wiederum zum Schluss: „I hope you had the time of your life.“ Gänsehaut.

Das phänomenale Green-Day-Konzert ist der Höhepunkt von Rock am Ring 2022. Allerdings kommt dieser damit schon in der Nacht von Freitag auf Samstag und damit ziemlich zu Beginn des Festivals.

Ein weiterer Höhepunkt, dicht dahinter anzusiedeln, ist das Eröffnungskonzert der Ibbenbürener Punkband Donots am Freitagnachmittag. Das liegt zum einen daran, dass damit die zweijährige, pandemiebedingte Festivalpause am Nürburgring beendet wird und Corona kaum noch eine Rolle spielt. Zum anderen sind da die inzwischen 40-jährigen Toten Hosen, die als Überraschungsgast mit auf der Bühne stehen. Noch dazu spielen Donots und Hosen mit der Gegen-Rechts-Hymne „Schrei nach Liebe“ ausgerechnet auch einen Song von Die Ärzte, der Berliner Dauer-Konkurrenz. Mehr deutsche Musikgeschichte in einem Auftritt geht nicht.

Rock am Ring 2022 - Fotos von Sonntag
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Foto: Andreas Dyck

Große Namen gibt es auch am Samstag. Allerdings können nicht alle auf ganzer Linie überzeugen. Die Londoner Alternative-Rockband Placebo hält es vor allem während der ersten Konzerthälfte kaum für nötig ihre Hits auszupacken. Später kommt mit Stücken wie „The Bitter End“ dann zwar tatsächlich etwas Tempo rein und Stimmung auf, aber das Ende mit dem Kate-Bush-Cover „Running up that Hill“, momentan durch die Netflix-Serie „Stranger Things“ wieder präsent, gerät dann wieder recht ruhig und wenig mitreißend. Anschließend bestechen die ebenfalls britischen Progressive-Rocker von Muse mit technisch anspruchsvollen Klängen, die sie virtuos ihren Instrumenten entlocken. Wie Green Day zeigen sie eine Show mit Pyrotechnik und Konfetti. Und wie Green Day haben sie das Spektakel eigentlich nicht nötig.

Flut-Folgen: Duschen müssen nachts aus bleiben

Versöhnlich endet der Abend dann auf einer der beiden Nebenbühnen mit dem Auftritt von Casper, seines Zeichens Deutschrapper mit US-Wurzeln, viel Gefühl in seiner Musik und Blumenmeer als Bühnenkulisse. Viele junge Fans stehen von den Songs sichtlich ergriffen in den ersten Reihen, springen bei „Sirenen“ kollektiv auf und ab und haben bei „Ganz schön okay“, das ohne Co-Interpret Kraftklub auskommen muss, einfach eine gute Zeit. Statt Kraftklub steht zwischenzeitlich Sänger Drangsal mit auf der Bühne, der am Sonntag auch einen eigenen Auftritt bei Rock am Ring hat.

Sonntag spielt er neben Bands wie Korn, Volbeat, Billy Talent und den Beatsteaks aus Berlin. Vor allem letztere setzen noch mal ein Ausrufezeichen. Sänger Arnim Teutoburg-Weiß ist sichtlich gerührt, dass Auftritte vor großem Publikum wieder uneingeschränkt möglich sind. Wie als Zeichen der Dankbarkeit für die Darbietung gehen die Besucher während des Auftritts geschlossen in die Knie, nur um im nächsten aufzuspringen und das Gelände zum Beben zu bringen. „I don`t care as long as you sing“, heißt ausgerechnet der letzte Song – wo man sich doch wünschen würde, dass sie nie aufhören. Gut also, dass die Beatsteaks Ende Juli beim Green Juice Festival in Beuel schon wieder zu sehen sind.

Bei Rock am Ring ist Sonntag auch der Tag, an dem es den für das Festival in der Eifel offenbar obligatorischen Regen gibt. Der Boden wird mitunter matschig. Der Stimmung tut das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Möglicherweise in der Erwartung, dass es sich mit Wasser füllt, bringt ein Besucher ein Planschbecken vor die Bühne. Ein anderer Besucher sagt: „Ohne Schlamm würde ich sogar mein Geld zurück wollen“.

Kritik kommt während des Festivals allerdings vom Zeltplatz. Besucherinnen dort beschweren sich über lange Schlangen vor den Sanitäranlagen, ein Punkt, bei dem die Berliner Konzertagentur Dreamhaus, in diesem Jahr erstmals Veranstalter von Rock am Ring, in Zukunft nachbessern könnte.

Für eine andere Einschränkung können die Veranstalter hingegen nichts: Aufgrund der Flutkatastrophe, bei der vergangenen Juli im nahegelegenen Ahrtal 134 Menschen starben, sind die Trinkwasser-Reserven vor Ort noch immer begrenzt, sodass nachts die Duschen auf den Campingplätzen abgestellt werden mussten.

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