Blick in die Geschichte Der Kampf ums Are-Gymnasium Bad Neuenahr

BAD NEUENAHR · Gerüchte hatte es schon vorher gegeben. Doch der Schock saß tief. Am 8. Februar 1989 erließ die damals noch bestehende Bezirksregierung Koblenz eine "Organisationsverfügung", in der das Are-Gymnasium Bad Neuenahr mit Ablauf des Schuljahres 1988/89 aufgehoben werden sollte.

 Die Bildung am Galgen: Vor 25 Jahren demonstrierten die Are-Schüler für ihre Penne.

Die Bildung am Galgen: Vor 25 Jahren demonstrierten die Are-Schüler für ihre Penne.

Foto: Martin Gausmann

"Die Schüler des Are Gymnasiums werden - unbeschadet der Möglichkeit einer Anmeldung zu anderen Gymnasien - ab dem Schuljahr 1989/90 dem Staatlichen Peter-Joerres-Gymnasium in Ahrweiler zugeordnet", hieß es lapidar in der Verfügung, die Lehrer, Eltern, Schüler und die damalige Schulleitung unter Oberstudiendirektor Dieter Valnion gleichermaßen vor den Kopf schlug.

Das Are-Gymnasium, das nur zwei Jahre zuvor mit großem Tamtam sein 40-jähriges Bestehen gefeiert hatte, sollte Geschichte sein, die Erinnerungen ganzer Abiturientenjahrgänge sich in Luft auflösen. Kollegen, die damals noch nicht verbeamtet waren, bangten um ihre Stelle, andere fürchteten ihre Versetzung in entlegene Regionen, Eigenheim, Familie und soziale Kontakte hin oder her.

"Als die Nachricht kam, standen wir vor der Frage: Hinnehmen oder kämpfen?", erinnert sich der damalige Schulleiter, Dieter Valnion. Die Schulleitung war uneins, viele Kollegen ratlos. Als die ersten Versetzungen begannen, schien sich das Are-Gymnasium von selbst aufzulösen.

Doch die damals Verantwortlichen, allen voran Elisabeth Rickal, seinerzeit Staatssekretärin im Mainzer Kultusministerium, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiert, hatten nicht mit so viel Gegenwind von Eltern, Schülern und vielen anderen gerechnet. Auch immer mehr Honorationen aus Stadt und Kreis, allen voran der damalige Landrat Egon Plümer und Bürgermeister Rudolf Weltken (beide CDU) signalisierten Unterstützung und hatten wenig Verständnis für das Gebaren ihrer Parteifreunde in der fernen Landeshauptstadt.

Zwei Jahre zuvor war Staatssekretärin Rickal bereits am Are-Gymnasium erschienen, um über die umstrittenen Pläne ihres Ministeriums zu "informieren". Als sie an einem grauen Novembertag 1987 per Dienstlimousine vorfuhr, wurde sie von fast 200 eisern schweigenden Schülern erwartet, die ihr mit Protestplakaten einen unmissverständlichen Empfang bereiteten. In der anschließenden Besprechung soll die Staatssekretärin ihren Unmut geäußert und Drohungen in Richtung der Lehrer ausgesprochen haben, wie Zeugen später berichteten.

Dagegen habe sich der Schulleiter verwahrt und seine Kollegen in Schutz genommen. "Ich bin meinem Dienstherrn und nicht der CDU verpflichtet", soll ein Lehrer mutig in die Runde geworfen haben. Alle wussten, was er meinte. Denn die Union regierte in Rheinland-Pfalz damals ununterbrochen seit vier Jahrzehnten. Die Stimmung im Raum war angespannt.

Auf der einen Seite die in "Gutsherrenmanier auftretende" Staatssekretärin, auf der anderen die konsternierten Lehrer und ihre unschlüssige Schulleitung. Und alle wussten: Hier geht es um alles oder nichts. Nur eine erfolgreiche Klage vor dem Verwaltungsgericht kann den Fortbestand des Are-Gymnasiums noch retten. Und immer vorausgesetzt, die Behörde begeht so eklatante Fehler, dass die Entscheidung tatsächlich zurückgenommen werden muss.

Derweil sich im Hintergrund Widerstand zu formieren begann. Der Kampf um das Are hatte begonnen. Lokalpolitiker, Medien und selbst viele Ehemalige begannen sich für "ihre" Schule einzusetzen, nachdem sie von den Auflösungsplänen gehört hatten. Erster Höhepunkt war die erste politische Straßendemonstration, die die Kreisstadt bis dahin erlebt hatte. Schülerinnen und Schüler gingen im Februar 1988, eskortiert von der Polizei, mit großen Transparenten auf die Straße, um gegen die drohende Schließung des Are zu protestieren. Organisator war der damalige Schülersprecher Franz-Josef Gemein, der heute eine PR-Agentur in Sinzig betreibt.

Doch der Protest schien zunächst unter keinem guten Stern zu stehen. Denn die Klage von Elternvertretern vor dem Verwaltungsgericht Koblenz ging erstinstanzlich verloren. Die Behörde habe ihr Ermessen korrekt ausgeübt, urteilten die Koblenzer Richter.

Dennoch gaben die Gegner der Schließung nicht auf. Sie sammelten Geld, engagierten eine auf Verwaltungsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei und zogen vor das Oberverwaltungsgericht in Mainz, das ihrer Klage schließlich mit Urteil vom 9. August 1989 (Az.: 7 B 41/89) statt gab. Und den ursprünglichen Status des Are-Gymnasiums wieder herstellte.

"Ich bin wieder Schulleiter", kommentierte Dieter Valnion das Urteil damals mit trockenem Humor. Heute ist das Are-Gymnasium eine modern ausgestattete und international vernetzte Ganztagsschule, die von mittlerweile mehr als 1000 Schülern besucht wird - mit steigender Tendenz.

Autor Benedikt Vallendar ist promovierter Historiker, hat 1988 am Are-Gymnasium sein Abitur gemacht und lebt heute in Braunschweig.

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