Tag der Kriminalitätsopfer „Die Steigerungsraten sind dramatisch“

KREIS AHRWEILER · Hubertus Raubal leitet den Weißen Ring im Kreis und beklagt die Verrohung der Gesellschaft. Am Dienstag ist „Tag der Kriminalitätsopfer“.

 Am Dienstag ist „Tag der Kriminalitätsopfer“.

Am Dienstag ist „Tag der Kriminalitätsopfer“.

Foto: dpa

Wer erinnert sich nicht an Eduard Zimmermann und seine Sendung „Aktenzeichen XY – ungelöst“? Der TV-Verbrechensbekämpfer war es auch, der den „Weißen Ring“ aus der Taufe hob. Das war 1976. In diesem Jahr wird die Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer demnach 40 Jahre alt. Nicht nur das: Am Dienstag ist zudem „Tag der Kriminalitätsopfer“. Im Kreis Ahrweiler führt Hubertus Raubal die Außenstelle des Weißen Rings an. 120 Mitglieder und 16 ehrenamtliche Mitarbeiter unterstützen ihn, wenn es darum geht, Menschen zu helfen und zu begleiten, die Opfer eines Verbrechens geworden sind.

424 Fälle haben Raubal und sein Team alleine im vergangenen Jahr bearbeitet, 2016 sind es bereits 60. Als der frühere Soldat, der in Bad Neuenahr in der Bundeswehrabteilung „Strategischen Aufklärung“ tätig war, 2003 seinen Leiter-Job übernahm, waren es mal gerade 40 Fälle, mit denen sich der eingetragene Verein beschäftigen musste. „Leider gibt es dramatisch hohe Steigerungsraten“, so Raubal – was allerdings auch der offensiven Öffentlichkeitsarbeit des Weißen Rings geschuldet ist. „Vielen Opfern war früher nicht bekannt, dass es uns als Hilfsorganisation überhaupt gibt“, erklärt der 68-jährige Riedener. Das habe sich in den vergangenen Jahren geändert. Leider aber auch Qualität und Quantität der strafbaren Handlungen.

Sexueller Missbrauch, Vergewaltigungen, häusliche Gewalt, Betrug, Mobbing, Stalking, pädophile Straftaten: „Leider müssen wir uns mit dem ganzen Spektrum an Verbrechen beschäftigen“, so Raubal. Er habe gelernt, dass es eine „Parallelwelt“ gebe, in der Verrohung, Gewalt, Gleichgültigkeit und Unmenschlichkeit herrsche. Das jüngste Opfer sei zwei Jahre, das älteste 85 Jahre alt gewesen. Nie und nimmer, so der Pensionär, habe er sich bei seinem Amtsantritt vor 13 Jahren träumen lassen, welche menschlichen Abgründe sich auftun würden.

In aller Regel sind es die Opfer selbst, die sich beim Weißen Ring melden. Sie bekommen dann – je nach Wunsch – einen männlichen oder weiblichen Betreuer an die Seite gestellt. „Wir wollen, dass Opfer von Verbrechen vernünftig weiterleben können. Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt Raubal. Und: „Wir geben ihnen Halt und suchen einen gangbaren Weg für sie.“ Rechtsberatungen erteilt sein Verein nicht. Dank Know-how und guter Vernetzung verhilft er Opfern aber zu ihrem Recht, hilft bei Formalitäten, stellt Kontakte her, begleitet bei Behördengängen.

Die Anforderungen an die Mitarbeiter bei ihrer „Opferarbeit“: Sie müssen Interesse am Mitmenschen haben, es sollen gefestigte Persönlichkeiten sein, die seelisch stabil sind und über soziales Denken verfügen, erläutert Hubertus Raubal. Er sei glücklich, Mitmenschen im Kreis Ahrweiler gefunden zu haben, die solche Voraussetzungen für die ehrenamtliche Tätigkeit mitbringen würden. Viel Kompetenz sei in seinem Team vorhanden, meint er nicht ohne Stolz.

Seit 25 Jahren findet jedes Jahr am 22. März der Tag der Kriminalitätsopfer statt. In Deutschland hat der Weiße Ring diesen Tag zur Mahnung und als Zeichen gegen das mangelnde Problembewusstsein der Gesellschaft für persönliche, rechtliche und wirtschaftliche Situation von durch Gewalt und Kriminalität geschädigten Menschen etabliert. Er will mit diesem Signal das Bewusstsein aller Bürger stärken und zugleich damit Politik, Justiz und Verwaltung zum Handeln auffordern.

Raubal: „Hilfe und Schutz sind wichtige humanitäre Verpflichtungen. Das öffentliche Interesse gilt leider fast ausschließlich dem Tatgeschehen, der Person des Täters, seiner Verfolgung und Verurteilung.“ An das betroffene Opfer und sein Situation nach der Tat werde viel zu wenig gedacht. Wenn der Staat seine Bürger schon nicht ausreichend davor schützen könne, Opfer einer Straftat zu werden, so habe er zumindest alles dafür zu tun, Leid und Not der Geschädigten zu lindern. Trotz vieler Verbesserungen geschehe dies nach wie vor unzureichend.

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