Martin-Luther-Kirche in Bad Neuenahr Die Waffen der Friedfertigen

BAD NEUENAHR · Mit einem waghalsigen Spagat zwischen klassischer Musik und IS-Terrorismus, Barock und Altem Orient, hat die Geistliche Abendmusik der evangelischen Gemeinde in der Bad Neuenahrer Martin-Luther-Kirche zum Nachdenken, aber auch zum Träumen von schottischen Landschaften eingeladen. Es spielte das Duo La Vigna und Pfarrer Thomas Rheindorf leitete die Liturgie.

 Theresia und Christian Stahl spielten in der Martin-Luther-Kirche.

Theresia und Christian Stahl spielten in der Martin-Luther-Kirche.

Foto: Martin Gausmann

In Heinrich Heines Tragödie "Almansor" fällt im Zusammenhang einer Koranverbrennung der mittlerweile sprichwörtliche Satz: "Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen."

Gleiches, so hob Rheindorf seine Betrachtungen an, geschieht heute auch durch die Hand der IS-Terroristen an den Stätten des kulturellen Erbes im Nahen Osten. "Männerphantasien aus der Hölle" lassen Schätze aus Jahrtausenden aus purer Lust an Zerstörung untergehen, und gleiches geschieht auch den Menschen, die in ihre Fänge geraten.

Die mächtigen, wenn auch sanften Waffen der Friedfertigen gegen diesen Irrsinn sind das Klagen und das Erinnern. Ersteres ist eine religiöse Aufgabe, da nur im Gebet das "Recht des Menschengeschlechts" seinem Gott all das Leid zu klagen umgesetzt werden kann. Letzteres kann aber auch die Kultur bewirken.

Den kulturellen Hintergrund, aus dem heraus Europa denkt, präsentierten musikalisch Theresia Stahl an unterschiedlichen Barock-Blockflöten und Christian Stahl an der Laute und der großen Schwester der Laute: der imposanten Theorbe mit ihren tiefen Basssaiten. Die teils harten Gedanken Rheindorfs flankierten die beiden Musiker mit sanfter Barockmusik.

Im Mittelpunkt stand dabei die Liedersammlung "A Collection of Old Scots Tunes" des Italieners Francesco Barsanti. Luftig-leichte Frühlingsklänge wechselten sich ab mit flotten Tänzen und der musikalischen Beschreibung eines nebligen Tages, wobei der Nebel keinerlei negativen Spuren aufwies. Nachdenklich tief wurde es im dritten Satz der Sonata B-Dur des gleichen Komponisten. Davor und danach dominierte jedoch wieder die tänzelnde Freude.

Zum altorientalischen Schatz der kulturellen Erinnerung gehört das Gilgamesch-Epos, das von König Gilgamesch erzählt, der in seiner Heißblütigkeit sogar die göttliche Unsterblichkeit erstrebt, schließlich aber auf dem Boden der Tatsachen wieder zur Besinnung kommt. Rheindorf trug eine Passage von der 4. Tafel des Epos vor.

Darin wird Gilgamesch von der Liebes- und Kriegsgöttin Ischtar umworben, was er jedoch entschieden abschmettert, da er um die zahlreichen Liebhaber weiß, welche die Gute schon verschlissen hat. Mit gekränkten Stolz und unbändigem Zorn hetzt Ischtar Gilgamesch dafür den Himmelstier auf den Leib, den dieser jedoch mit Hilfe seines Freundes Enkidu besiegen kann. Schließlich gibt Gilgamesch für seine ganze Stadt ein Freudenfest.

Passend dazu spielte das Duo Stücke aus der Suite Nr. 2 in D-Dur des Franzosen Charles Dieupart - besonders die Sarabande und das Passepied transportierten eine ausgelassene Festfreude. Musikalischer Höhepunkt war die Sonate F-Dur von Georg Friedrich Händel.

Das Stück ist so aufgebaut, dass auf einen langsamen Satz unmittelbar ein schneller folgt. So wechselten sich Nachdenklichkeit und unbeschwerte Freude in enger Verbundenheit ab. Auch die Musik ist eine Waffe der Friedfertigen. Das Publikum hielt sich aufgrund des geistlichen Charakters der Stunde mit Applaus zurück, spendete diesen dafür am Ende aber umso herzlicher und ausdauernder.

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