Einsatz im Katastrophengebiet Wie freiwillige Helfer an der Ahr anpacken

Kreis Ahrweiler · Zum Teil von weit her reisen Freiwillige an die Ahr, um nach der Unwetter-Katastrophe beim Aufräumen zu helfen. Startpunkt ist jeden Tag der Innovationspark Rheinland, von wo aus zahlreiche Shuttle-Busse starten.

 Jeden Morgen hält Thomas Pütz eine kurze Ansprache an die Helfer, bevor sie mit dem Shuttle in das Katastrophengebiet entlang der Ahr gebracht werden.

Jeden Morgen hält Thomas Pütz eine kurze Ansprache an die Helfer, bevor sie mit dem Shuttle in das Katastrophengebiet entlang der Ahr gebracht werden.

Foto: Volker Jost

Wenn die Not am größten ist, werden oft Ideen geboren, deren Einfachheit und Effektivität genial sind. So war es auch wenige Tage nach der verheerenden Sturzflut. Die beiden Bad Neuenahrer Unternehmer Marc Ulrich und Thomas Pütz entwickelten spontan den Plan für einen Shuttle-Service, der die Hilfswilligen geordnet und zielgerichtet dorthin bringt, wo sie am dringendsten benötigt werden.

Weil auch die Menschen, die gerne freiwillig im Katastrophengebiet helfen wollen, die Idee prima fanden, hat sich die Sache mittlerweile fast verselbstständigt. Mithilfe des Helfer-Shuttles werden wochentäglich im Schnitt 1500 freiwillige Helfer vom Innovationspark Rheinland aus direkt an die Einsatzorte entlang der Ahr gebracht, am Wochenende auch schon mal 5000. Die Menschen aus ganz Deutschland schätzen die unkomplizierte Möglichkeit zu helfen – ohne Ortskenntnis und ohne den professionellen Helfern im Weg zu stehen.

Am vergangenen Freitag waren 28 Shuttlefahrzeuge vom Kleinbus bis zum Gelenkbus am Start, um die Hilfswilligen an den Ort des Geschehens zu transportieren, zu Spitzenzeiten sind auch schon mal mehr als 50 Fahrzeuge im Einsatz.

Fahrer stellen Fahrzeuge und Sprit zur Verfügung

Sämtliche Fahrer sind ehrenamtlich im Einsatz, stellen zudem ihre Fahrzeuge und den Sprit zur Verfügung. Wie ohnehin das Organisationsteam, das auf zwei Dutzend Leute angewachsen ist, keinerlei Lohn für seine Tätigkeit erwartet, ebenso wenig wie die zahlreichen kleinen und großen Unternehmen, die das Projekt in jeder erdenklichen Weise unterstützen. So leistet diese „inoffizielle“ Hilfsorganisation einen gigantischen Beitrag zur Bewältigung der Flutkatastrophe.

Jeden Tag trifft sich das Organisationsteam bereits um 7.30 Uhr, um den Tagesablauf minutiös vorzubereiten, denn ohne eine professionelle Planung ist die Aufgabe mittlerweile überhaupt nicht mehr zu stemmen. Von Heimersheim bis Altenburg sind die Helferteams mittlerweile im Einsatz, aber nicht mehr unkoordiniert wie in den ersten Tagen, sondern nach einem exakt ausgearbeiteten Einsatzplan, für den Thomas Pütz zuständig ist.

Helfer stehen auf Sammelplatz in Zehnerreihen

Dafür melden mittlerweile die Opfer der Überschwemmungskatastrophe ihren Bedarf an Hilfeleistungen über ein Online-Formular direkt bei der Helfertruppe an.

Auf dem Sammelplatz haben die Helfer in Zehnerreihen auf fast 200 Metern Länge Aufstellung genommen und warten auf ihren Einsatz. „Jeder von euch kommt hinunter ins Ahrtal, wir erfüllen euch jeden Wunsch“, beruhigt Pütz die Helfer in den letzten Reihen, die schon befürchten, nicht mehr zum Zuge zu kommen. Die Busse fahren so oft, bis auch der letzte Helfer an seinem Bestimmungsort angekommen ist, täglich von 9 bis etwa 12 Uhr geht es hinunter ins Tal und am Nachmittag ab 16 Uhr wieder zurück in die Grafschaft.

94 Freiwillige sitzen schließlich in dem Linienbus, der die Ehrenwall‘sche Klinik in Ahrweiler ansteuert. Die mit Schaufeln und Eimern ausgerüstete Helfertruppe war tags zuvor von der stellvertretenden Verwaltungsleiterin Heike Heideck angefordert worden. Dem Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie, das nur wenige Meter von der Ahr entfernt liegt, hat die Flutwelle einen schweren Schlag versetzt. Die gesamte Infrastruktur wurde so stark geschädigt, dass die Klinik den Betrieb bis auf Weiteres einstellen muss. Arbeit für die freiwilligen Helfer gibt es jede Menge, vor allem der braune Schlamm muss aus dem labyrinthartigen Keller mit seinen unzähligen Gängen, Räumen und Ebenen entfernt werden.

Konzentriert und ohne Hektik, aber mit erstaunlichem Tempo, geht die Mannschaft, die von Jörg aus Heilbronn geleitet wird, zu Werke. In den engen Gängen und Räumen wird der Schlamm zunächst in Eimer gefüllt, die dann entweder von Hand in den Innenhof getragen und dort auf Schubkarren umgeladen oder gleich dutzendweise auf klapprigen Rollwagen auf das Freigelände zur Ahr hin geschoben werden. Dort landet auch Sperrmüll aller Art auf einem großen Haufen, der sogleich von einem Greifbagger und einem Radlader auf in langer Reihe wartende Lastwagen und Trecker mit Anhängern geladen wird.

Unermüdlich kämpfen sich die Freiwilligen voran, die schon nach kurzer Zeit in kleinen Gruppen bestens harmonieren. Hier entstehen zahlreiche Freundschaften, die weit über den Tag hinaus bestehen bleiben dürften.Und als der Bus schließlich um 16 Uhr wieder vorfährt, um die Helferschar wieder zurückzubringen, ist nicht nur die Arbeitskleidung der Helfer schwer gezeichnet von Schweiß und Schlamm. Dennoch ist allen der Stolz anzusehen, wenigstens einen kleinen Beitrag geleistet zu haben zur Bewältigung der größten Naturkatastrophe, die das Ahrtal jemals heimgesucht hat.

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