Seit sechs Monaten im Flutgebiet Wie der Beratungsbus Flutopfern an der Ahr hilft
Ahrtal · Seit September ist ein Beratungsbus im Ahrtal unterwegs. Über die Zeit haben sich die Bedürfnisse der Flutbetroffenen geändert. Warum die psychologische Betreuung aber auch jetzt noch so wichtig ist, erklärt die Koordinatorin des Angebots.

Der Beratungsbus macht Halt in Dümpelfeld (von links): Sven Doll von der Lebensberatungsstelle Ahrweiler, Alexander Schlich vom Generationenbüro der Verbandsgemeinde Adenau und Roswitha Stockwort, Angestellte der Kreisverwaltung und Koordinatorin des Busses, wollen die Menschen im Flutgebiet an der Ahr unterstützen.
Foto: Raphaela SabelSeit Mitte September 2021 ist der mobile Beratungsbus des Kreises Ahrweiler im Flutgebiet an der Ahr unterwegs. Und mit ihm seine Koordinatorin Roswitha Stockhorst. Sie hat viel gesehen und gehört in diesen mehr als sechs Monaten. Zwischen Sinzig und der Gemeinde Schuld hat sie ihre Tage verbracht. Die Idee des Beratungsbusses besteht darin, dass Fachkräfte und Dienstleistungsangebote direkt zu den Menschen in die betroffenen Gebiete kommen. 16 Partner sind dabei, darunter die Lebensberatung Ahrweiler, das Jobcenter der Kreisverwaltung, die Caritas und der Hospiz-Verein. Sie sind abwechselnd an Bord und beantworten Fragen, etwa zur Arbeitslosigkeit. Außerdem gibt es Familien- und Erziehungsberatung sowie Hilfe bei der Suche nach Therapien.
Am Anfang war schnelle, unbürokratische Hilfe gefragt
„Was abgerufen wird, hat sich aber total verändert“, erklärt Stockhorst, die bei der Kreisverwaltung angestellt ist. Am Anfang ging es häufig um Sachverhalte wie die Beantragung eines neuen Personalausweises oder einer Kfz-Zulassung. Auch die Bestellung einer neuen Mülltonne war ein Thema. Für die Menschen war es nicht einfach. Wenn beispielsweise das Haus weg ist, wie meldet man dann eine Mülltonne an? „In solchen Fällen war eine schnelle und unbürokratische Hilfe sehr wichtig für die Menschen“, so Stockhorst. Unter dem Motto „Einfach mal machen“ hätten sie den Menschen oft helfen können.
Nicht ganz so unkompliziert, dafür aber nicht weniger selten abgefragt, wurde Rat von Eltern, die sich nach den Fluterlebnissen um ihre Kinder gesorgt haben. „Aber auch hier konnten wir einen echten Vorteil liefern“, so Stockhorst. „Wir sind gut ausgestattet mit Seelsorgern und Kinder- und Jugendpsychologen, und durch deren gute Vernetzung sind die Wege bei uns sehr schnell.“ Ein echtes therapeutisches Gespräch könne im Bus nicht stattfinden, aber zumindest ein Erstgespräch, aus dem sich ableiten ließe, ob eine weitere psychologische Betreuung oder gar ein stationärer Aufenthalt nötig seien. Was der Verantwortlichen für dieses mobile Projekt besonders wichtig ist: „Bei uns arbeiten ausschließlich Fachkräfte.“
Die Plätze im Bus werden nicht genutzt
Gespräche direkt im Bus haben kaum stattgefunden. „Am Anfang dachten wir wirklich, die Menschen würden hier zu uns reinkommen und mit uns sprechen“, sagt Stockhorst. Aber nicht nur Corona, auch ein gewisses Befangenheitsgefühl der Menschen, gerade in ländlichen Gegenden, wenn es um psychotherapeutische Angebote geht, hätten das zur Illusion werden lassen. Und so stehen Stockhorst und ihre Kollegen bei Wind und Wetter vor dem Bus oder gehen aktiv in die bereits vorhandenen lokalen Treffs. „In New York ist es vielleicht en vogue zum Therapeuten zu gehen, im ländlichen Raum aber nicht“, bringt die gelernte Sozialpädagogin es auf den Punkt.
Und dennoch sieht sie weiter einen Schwerpunkt des Beratungsbusses auf diesem Gebiet: „Ich sehe, dass die Leute jetzt zurück in ihre Häuser und vielleicht das erste Mal zur Ruhe kommen und merken, dass es ihnen nicht so gut geht.“ Voraussichtlich werde also weiterhin eine enge Begleitung von ihrem Team gefordert. Im ersten Aufschlag wurde das Projekt „mobiler Beratungsbus“ für ein Jahr angesetzt. Aktuell evaluiert die Uni Düsseldorf dessen Angebote und Beratungsgespräche und will die ersten Ergebnisse im Juli präsentieren.