Innenminister: Keine Toten zu sehen Videos aus der Flutnacht zeigen Menschen in Not auf Dächern

Mainz/Bonn · Erst 14 Monate nach der Flutkatastrophe sind Polizei-Aufnahmen aus einem Hubschrauber aus der Nacht an der Ahr aufgetaucht. Nun wurden die bislang nicht-öffentlichen Aufnahmen gezeigt.

 Häuser in Mayschoß sind nach der Flut total zerstört.

Häuser in Mayschoß sind nach der Flut total zerstört.

Foto: dpa/Thomas Frey

Noch bevor die aus einem Polizeihubschrauber aufgenommenen Videos der Ahr-Flut an diesem Dienstagnachmittag einigen Journalisten vorgeführt wurden, verschickte die Opposition schon einmal eine Drohung.

Die „Salami-Taktik“ von Innenminister Roger Lewentz (SPD) sei „für die Opfer der Flutkatastrophe wie für die Öffentlichkeit unerträglich“, sagte der Freie-Wähler-Fraktionschef Joachim Streit. Durch die Freigabe der Aufnahmen an Medienvertreter werde anderen der Zugang zu diesen brisanten Beweismaterialien versperrt. „Dies wird noch ein politisches Nachspiel haben.“

In den Videos ist zu sehen, wie ganze Landstriche unter Wasser stehen. Erkennbar sind auch (verpixelte) Menschen auf einem Garagendach und ein Auto, das mit eingeschaltetem Heckscheibenwischer und Innenbeleuchtung durch die Wassermassen treibt. Gegen die Scheiben eines von den Fluten eingeschlossenen Hauses klatschen Wellen.

Ein Mensch, der im Wasser treibt, sei jedoch nirgendwo erkennbar, sagte Christoph Semmelrogge, Chef des Polizeipräsidiums Einsatz, Logistik und Technik, zu dem die Hubschrauberstaffel gehört. Das Auto mit den laufenden Heckscheibenwischern sei nach Erkenntnissen der Polizei leer gewesen.

Polizei: Wir hatten nie die Absicht, die Filme unzugänglich zu machen

Lewentz, der die Videos nach eigenen Angaben zum ersten Mal am 23. September im Untersuchungsausschuss gesehen hat, betont: „Das geht jedem sehr nahe, wenn man diese Bilder sieht.“ Er ergänzt aber auch, die „hauptausschlaggebenden Elemente für diese Katas­trophe“ sehe er auf den Videos nicht. So seien keine toten Menschen zu sehen. Lichtzeichen von Einsatzkräften vor Ort hingegen schon. Es fänden sich auch keine eingestürzten Häuser und bis auf den einen Pkw keine der mehr als 9000 bei der Flut zerstörten Autos.

Es seien nur ganz wenige Gas-Öl-Tanks und an einer Stelle möglicherweise ein Wohnwagen zu erkennen, so Lewentz. Die Flut- oder Tsunamiwelle lasse sich nicht erkennen und auch nicht die Zerstörung von mehr als 60 Brücken sowie die Verklausungen, also aufgestautes Treibgut – inklusive Wohnwagen und Inneneinrichtungen – an den Brücken. Aus den Videos, den vier Fotos, die ihm aus der Flutnacht vorlagen, und den Berichten der Hubschrauberbesatzung lasse sich nicht ableiten, was er in den Tagen danach gesehen habe.

„Ich sehe hier ein ganz großes starkes Hochwasser“, sagte Lewentz. Bei seinem Besuch in der Technischen Einsatzleitung (TEL) des Kreises Ahrweiler am Abend sei er von einem höheren Hochwasser als 2016 ausgegangen.

Denn es sei ein Pegel von vier Metern angekündigt gewesen, nach 3,71 Metern 2016. Damals seien 800 Häuser in Mitleidenschaft gezogen worden und es habe keine Toten gegeben. In der TEL habe er den Eindruck gehabt, dass „das aufbauende System“ – und damit die Warnung der Bevölkerung an der Unteren Ahr stehe.

Für das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe mit 134 Toten habe er keine Hinweise gehabt. Er habe lediglich den Hinweis auf sechs eingestürzte Häuser und möglicherweise Tote in Schuld erhalten. In diesem von den Wassermassen stark verwüsteten Ort kam jedoch niemand ums Leben. Der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Christian Baldauf forderte erneut den Rücktritt von Lewentz. „Seine Behauptung im Untersuchungsausschuss, die Situation sei nicht „ansatzweise erkennbar“ gewesen, ist falsch.“

Warum die Videos erst vor Kurzem aufgetaucht sind, erklärten Semmelrogge und der Koblenzer Polizeipräsident Karlheinz Maron mit einem Dokumentationsfehler und einem Missverständnis. Die Videos seien kürzlich auf der externen Festplatte eines Mitarbeiters der Hubschrauberstaffel gefunden worden, so Semmelrogge.

Es habe nie die Absicht gegeben, die Aufzeichnungen unzugänglich zu machen. Dennoch: „Diese hätten am 18. Februar vorgelegt werden müssen.“ Damals hatte der Untersuchungsausschuss die Beiziehung weiterer Akten, darunter auch möglicher Lagefilme angefordert. Einzelheiten dazu kläre die Staatsanwaltschaft.

(dpa/ga)
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