Flutopfer aus Mayschoß „Normalität wird hier noch lange nicht sein“

Mayschoß · Mayschoß im Ahrtal ist auch gut neun Monate nach der Flut noch stark von den Schäden gezeichnet. Ein Paar, das seine Wohnung verloren hat, erzählt von seinen Problemen – und Wünschen für die Zukunft.

 Dirk und Carmen Poppelreuter stehen vor ihrem von der Flut stark beschädigtem Haus in Mayschoß.

Dirk und Carmen Poppelreuter stehen vor ihrem von der Flut stark beschädigtem Haus in Mayschoß.

Foto: Sven Westbrock

Idyllisch an der Ahr mit Blick auf die Saffenburg – so wohnten Dirk Poppelreuter (51) und seine Frau Carmen (53) vor der Flut. Doch die Wassermassen, die im Ahrtal im vergangenen Juli 134 Menschen in den Tod rissen, zerstörten auch das Zuhause des Paares aus Mayschoß. Heute ist die Wohnung der beiden im ersten Obergeschoss des Hauses an der Ahr-Rotweinstraße komplett entkernt, ebenso wie das Erdgeschoss, indem die Schwiegertochter gerade einmal 17 Tage lang eine Gaststätte betrieben hatte, ehe die Ahr auf etwa zehn Meter anstieg und für so viel Zerstörung und Leid sorgte.

Im zweiten Obergeschoss, wohin sich die Poppelreuters in der Flutnacht retteten, schlafen nun freiwillige Helfer für den Wiederaufbau. Die kommen inzwischen allerdings nicht mehr täglich, sondern vor allem am Wochenende. Das Paar selbst hat – nach mehreren Monaten auf einem Campingplatz – nun eine weiter vom Fluss entfernte Wohnung in Mayschoß zur Miete bezogen, in der beide dauerhaft bleiben wollen. Auch dorthin, etwa 150 Meter von der Ahr entfernt, kam das Wasser im Juli, wenn auch nicht so hoch.

Die Flut hat schwere Spuren hinterlassen

Gut neun Monate nach der Katastrophe, das wird beim Besuch des General-Anzeigers klar, ist der Ort noch schwer gezeichnet. „Normalität wird hier noch lange nicht sein“, sagt Carmen Poppelreuter. Fast die Hälfte der einst etwa 350 Häuser in der Gemeinde sind stark beschädigt oder komplett zerstört worden.

Dazu zählte auch das Haus neben der alten Wohnung der Poppelreuters, das abgerissen werden musste. Bei ihrem eigenen Haus an der Ahr soll die Substanz in Ordnung sein. Sie wollen es sanieren. Allerdings: Der Schaden belaufe sich laut Gutachter auf 350 bis 400.000 Euro. Die Wiederaufbauhilfe der Investitions- und Strukturbank (ISB) Rheinland-Pfalz können sie erst bekommen, wenn das Gutachten fertig ist. Bald soll es endlich soweit sein. „Unbürokratisch nenne ich anders“, kommentiert Dirk Poppelreuter die Antragsstellung für die ISB-Hilfe. Bisher hätten sie erst wenige tausend Euro an Geldbeträgen bekommen, zum Beispiel die staatliche Soforthilfe.

Die Sorgen werden nicht weniger

Alles werde teurer, sagt Carmen Poppelreuter mit Blick auf die für den Wiederaufbau notwendigen Materialien. Wie ihr Mann ergänzt, kann ein Helfer, der im Baustoffhandel arbeitet, aufgrund der Schwankungen bei Zulieferern nur noch zu Tagespreisen verkaufen. „Ohne Spenden würden wir heillos untergehen“, zeigt sich Carmen Poppelreuter überzeugt. Elektriker etwa hatten ihnen ihre alte Wohnung kostenlos verkabelt. Mitte Mai soll die Heizung, die schon unten im Haus steht, installiert werden.

Für die Zukunft wünscht Carmen Poppelreuter sich etwa, dass die Müllkippen geöffnet bleiben und die kostenlose Verpflegung an den Versorgungsständen aufrechterhalten wird. Denn nicht jeder habe eine Küche. Die Leute müssten ja irgendwo essen, gibt ihr Mann zu bedenken. So kämen sie zwangsläufig zusammen und könnten sich austauschen. Ohnehin: Die Helfer müssten schon mit den Spritpreisen klarkommen. „Wir haben Leute von der Nordsee, die kommen hier schaffen, müssen schon den Sprit bezahlen, sollen sich dann noch selbstversorgen und am besten noch harte Währung in den Ort bringen“, führt Dirk Poppelreuter aus.

Ein Sündenbock wird nicht gesucht

Von der Suche nach einem für die Flutkatastrophe Schuldigem hält er nicht viel. Stunden um Stunden würden die Politiker im Untersuchungsausschuss in Mainz dafür verplempern. Auf den „Keks“ gehe ihm das. „Einer soll die politische Verantwortung übernehmen. Was habe ich davon? Gar nichts.“, macht er deutlich.

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