CDU fordert komplette Aufklärung Fluttod von zwölf Behinderten in Sinzig

Sinzig/Mainz · Die Mainzer Landesregierung soll Fragen zum Tod von zwölf behinderten Menschen im Sinziger Haus der Lebenshilfe beantworten. Die CDU-Fraktion stellte entsprechende Anfragen. „Wir wollen eine komplette Aufklärung aller Umstände“, sagte der Landtagsabgeordnete Michael Wäschenbach, Mitglied im Gesundheitsausschuss, dem General-Anzeiger.

 Das Behindertenwohnheim Lebenshilfe-Haus nach der Katastrophe: Zwölf Menschen konnten dort nicht mehr vor den Fluten der Ahr gerettet werden.

Das Behindertenwohnheim Lebenshilfe-Haus nach der Katastrophe: Zwölf Menschen konnten dort nicht mehr vor den Fluten der Ahr gerettet werden.

Foto: dpa/Thomas Frey

Die CDU-Fraktion im Mainzer Landtag will nicht lockerlassen, wenn es um die Aufklärung der Umstände geht, die in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli zum Tod von zwölf behinderten Menschen führten, die in Sinzig in einer Einrichtung des Vereins Lebenshilfe untergebracht waren. Wie mehrfach berichtet, waren die Bewohner des Hauses von der Flutwelle überrascht worden. Da das Wasser in der verhängnisvollen Nacht in Sekundenschnelle fast bis zur Decke anstieg, hatten die im Erdgeschoss lebenden Menschen so gut wie keine Chance auf Rettung.

Die Staatsanwaltschaft in Koblenz ermittelt nun, wie es kommen konnte, dass keine rechtzeitigen Warnungen das Haus erreichten. Immerhin vergingen zwischen den ersten Alarmierungen in Schuld und Altenahr fast neun Stunden, ehe die Flutwelle Sinzig erreichte. Nicht nur das ist von Interesse. So will insbesondere die CDU wissen, warum die Behinderteneinrichtung mit nur einer Nachtwache besetzt war.

Es müssen schreckliche Bilder gewesen sein, die sich Nachbarn des nahe der Ahrmündung gelegenen Gebäudes in den frühen Morgenstunden des15. Juli boten: um Hilfe rufende Menschen, die Hilflosigkeit der Rettungskräfte, die das Haus wegen der reißenden Strömung nicht mehr erreichen konnten.

Unterschiedlich sind die Aussagen darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt es Warnungen gab. Um 23.09 Uhr wurde der Katastrophenalarm ausgerufen, verbunden mit der Aufforderung, alle Gebäude zu evakuieren, die 50 Meter rechts und links von der Ahr liegen. Das Haus der Lebenshilfe ist jedoch weiter vom Fluss entfernt. Dennoch sei ausdrücklich auf die drohende Gefahr hingewiesen worden, heißt es. Andere dementieren dies. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun, wie es wirklich war.

Lediglich vier Menschen hat die einzige Nachtwache aus einem Nebengebäude retten können. Zwölf behinderte Menschen sind ertrunken. Und das drei Stunden, nachdem der Katastrophenalarm bereits ausgerufen und neun Stunden nachdem es in Schuld, Altenburg oder auch Altenahr zu dramatischen Zerstörungen mit Todesopfern gekommen war.

Warum gab es nur eine Nachtwache? Nach Informationen des General-Anzeigers hatte es im Jahre 2015 eine „Brandschau“ durch die Kreisverwaltung in Ahrweiler gegeben, die ergab, dass im Falle eines Feuers eine Evakuierung der behinderten Menschen nicht gewährleistet sei. Also beantragte der Verein Lebenshilfe die Personalkostenübernahme für eine zweite Nachtwache beim zuständigen Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit, an deren Spitze damals die heutige Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Sabine Bätzing-Lichten­thäler, stand. Die zweite Nachtwache wurde nicht gewährt, da man zu der Auffassung gelangte, dass ein Frühwarnsystem mit technischen Möglichkeiten herbeigeführt werden könne – das dann auch installiert wurde. Nur hat die Flutwelle alle bisher gekannten Dimensionen gesprengt. Die CDU-Fraktion stellte entsprechende Anfragen. „Wir wollen eine komplette Aufklärung aller Umstände“, sagte der Landtagsabgeordnete Michael Wäschenbach, Mitglied im Gesundheitsausschuss, pflegepolitischer Sprecher und Vorsitzender des Arbeitskreises Soziales und Arbeit der CDU-Fraktion, dem General-Anzeiger.

Nicht nur im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Pflege wurde bereits die Situation in den Behinderteneinrichtungen angesprochen. In einem ausführlichen, dem General-Anzeiger vorliegenden Vermerk, berichtete Minister Alexander Schweitzer (SPD) über Maßnahmen zur Katastrophenbewältigung im Pflege- und Sozialbereich sowie in den ambulanten und stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Auf die Nachtwachenproblematik geht der Minister nicht ein.

Auch der Rechtsausschuss wurde von der CDU bemüht. Zudem wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, der das Katastrophenszenario mit seinen chronologischen Abläufen – unabhängig vom aktuell laufenden juristischen Verfahren – durchleuchten soll. Eine Antwort auf die Frage, ob mit einer zweiten Nachtwache im Haus der Lebenshilfe Menschenleben hätten gerettet werden können, liegt der CDU indes noch nicht vor. Wäschenbach zum GA: „Bei uns steht auch diese Frage ganz oben auf der Agenda. Wir werden uns nicht mit Ausflüchten abfinden.“

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